Dienstag, 8. April 2014

Geisterkonzerte und Geisterzüge: Ohne Leute geht es besser

Liebe Leser, ich hoffe, Sie wissen, was ein Geisterspiel ist. Nein, das ist keine Wiederholung des Wunders von Bern mit den Seelen der verstorbenen Spieler, es ist keine nächtliche Kickerei, bei der die Gründer des Fussballs sich als Schatten treten und rempeln, durfte man damals nämlich noch.
Ein Geisterspiel ist ein Spiel ohne Zuschauer. In leerem, abgeriegeltem Stadion. Das bekam der FCB als Strafe, weil einige Fans meinen, Basel habe einen zu guten Ruf, als friedliche, nette Stadt, wo alles höflich und sauber ist und bei der Fastnacht Tausende von Leuten auf der Strasse ohne Schlägereien und Alkohol fröhlich feiern. Das ist ja auch zu langweilig. Also schmeisst man ein bisschen mit Gegenständen, zündet Pyros, ein klein wenig RambaZamba, und der Verein spielt statt vor 30 000 vor 350 Leuten (ausgesuchte natürlich).
Was jetzt total verblüfft: Basel schlägt Valencia mit 3:0. Einige Spieler waren noch nie so gut, waren noch nie so fit, rannten noch nie so schnell, trafen noch nie so schusssicher. Das gibt einem doch zu denken, tut es doch. Und ich komme zu der heftigen Aussage:
Fans stören!
Publikum stört!
Leute stören!
Menschen stören!

Wie gut wäre ein Restaurant, eine Beiz, ein Lokal, wenn die dummen Gäste nicht wären. Alle Tischtücher blieben sauber, die Gläser würden immer funkeln, es wäre ausser dem dezenten As Time Goes by des Barspianisten nichts zu hören. Eine Oase.
Wie pünktlich wäre die DB (und bald trifft das - leider - auch auf die SBB zu), wenn nicht ständig Passagiere aus- und einsteigen und mit ihren Koffern, ihren Kinderwägen, ihren Wintersportgeräten die Eingänge der Wagen blockieren würden und eine pünktliche Abfahrt unmöglich wird.

Also brauchen wir Geisterzüge und Geisterkneipen.

Wie toll wäre denn das, wenn die BASELWORLD eine Geistermesse wäre! Der Himmel auf Erden! Ich habe mich ja neulich über die Messeheinis lustig gemacht. Die blieben dann daheim. Aber auch die Sicherheit wird gewährleistet: Der 400 Millionen teure Schmuck wird einfach eingesperrt, die Hallen abgeriegelt und nix kommt weg.

Ja, und jeder Musiker wird mir beipflichten: Wir brauchen vom Staat finanzierte Geisterkonzerte, die live übertragen werden, aber vor leeren Rängen stattfinden. Der Künstler braucht sein Publikum? Der Künstler liebt sein Publikum? Ja, natürlich, die meisten schon, aber was die Ultras im Fussball sind, sind die Ich-habe-zwar-eine-Erkältung-aber-möchte-den-Mozart-trotzdem-hören-Leute. Das schnieft, hustet, bellt, das röchelt und schnauft, das kratzt und krächzt, immer gerade an den leisesten Stellen und wer nicht an Angina oder TBC leidet, wer eigentlich still wäre, der hat dann bestimmt ein Handy dabei. Das Handy klingelt auch immer und stets an der pppppppp-Stelle. Man kann fast ein Quiz machen:
Wo klingelt das Mobilteil in der Johannespassion? Bei "und verschied".
Wo klingelt es in Mahler VIII? Richtig, bei "Alles Vergängliche".
Und wenn kein Husten und kein handy die Aufführung stört, dann ist es ein Kleinkind, ich weiss, das ist jetzt kinderfeindlich, aber meiner Meinung nach hat ein 1/2jähriges Wesen in der Missa Solemnis nichts verloren.
Nein, nein, wir brauchen Geisterkonzerte, vielleicht die Kritiker von zwei Zeitungen und die Gönner werden noch rein gelassen, aber der Rest der Menschheit  hört das Ganze im Radio oder auf YouTube.
Die Musiker wären so viel besser.
Glenn Gould hat das erkannt und irgendwann gar nicht mehr konzertiert, sondern nur noch aufgenommen.
Die GeigerInnen, SängerInnen, DirigentInnern könnten endlich Glanzleistungen vollbringen.

So wie Fussballer auch Glanzleistungen vollbringen, wenn keine Fans anwesend sind.

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