Donnerstag, 17. April 2014

Luthers Werbeagentur (Ein Karfreitagspost)

Mein Freund Ricki macht Websites. Für Firmen, Vereine, Verbände, für alle, die in dem grossen Teich, der sich Internet nennt, ein bisschen mitmischen wollen. Webseiten machen ist eigentlich ein lukratives Geschäft, es sei denn, man macht es so wie Ricki, denn er muss immer noch irgendetwas hineinmogeln, was den Vereinen, Verbänden, Firmen, Organisationen, denen, die im Teich Internet eben mitmischen wollen, gar nicht schmeckt.
Ich weiss nicht, ob es seiner Ehrlichkeit entspringt, ob er provozieren muss, ob er ein Vollständigkeitsfetischist ist, aber er schafft es stets, für einen grossen Auftrag doch kein Geld zu bekommen.
So hat er zum Beispiel einem Fussballverband eine Homepage gestaltet, bei der der Hintergrund ausser einem Ball zwei Hände zeigt, die einander einen Geldschein reichen. Einem Chemieunternehmen hat er eine Fotogalerie eingerichtet, die den örtlichen Fluss zeigt, mal braun, mal rot, mal gelb, mal grün, und zwar alles echte Aufnahmen ohne Färbung.
Der örtlichen CDU-Gruppe setzte er einen Link zu dem Video, auf dem Helmut Kohl erklärt, er werde die Spendernamen nicht nennen, der örtlichen SPD-Gruppe setzte er einen Link zum Schröder-Song ("Ich erhöh' euch die Steuern, gewählt ist gewählt, ihr könnt mich jetzt nicht mehr feuern...")

Als ich ihn bei einem Glas Bier in unserer Stammkneipe darauf anspreche, kommt Ricki mit einer alten Geschichte: "Und was ist mit Peter von Hempshempel?" "Wer soll denn das sein?", werfe ich ein und nehme einen grossen Schluck, während ich mir eine Zigarette anzünde. "Du kennst Peter von Hempshempel nicht? Der hatte die Werbeagentur, die die Reformatoren beraten hat. Und er hat Luther, Melanchthon, Calvin und Zwingli den Hahn mitgegeben. Den Hahn, weisst du, der Hahn, der dann auf jedem Kirchendach war, der Hahn ist ein Zeichen des Versagens."

Ich glaube zwar, dass es Peter von Hempshempel nicht gab, und ich glaube auch, dass die Reformatoren keine Werbeagentur hatten, aber in einem Punkt hat Ricki recht: Das männliche Geflügel, das in meiner Jugend klar eine evangelische Kirche kennzeichnete, im Gegensatz zu katholischen, die ein Kreuz hatten, ist ein Negativ-Logo: Es sagt, dass die Organisation nicht perfekt ist und auch nicht sein kann.

Wir erinnern uns:
Da hatte Jesus gesagt, dass Petrus ihn dreimal verleugnen würde. Petrus hatte beteuert, dass er ja BestFriendForEver sei, dass er mit dem Rabbuni bis ans Ende der Welt gehen würde, dass er für ihn Pferde stehlen würde, ja sogar eine Wagneroper anschauen, wenn es die schon gäbe. Jesu war hart geblieben und hatte vorhergesagt, dass Petrus, bis der Hahn dreimal krähte, ihn dreimal verleugnen würde. Und so kam es dann auch. Als der Hahn seinen dritten Schrei losliess, erkannte Simon, dass er ziemlich Mist gebaut hatte.

Und dieser Hahn zierte früher die evangelischen Kirchen, zeigend, dass niemand davor gefeit ist, im entscheidenden Moment zu versagen.
Die Frage ist nun: Haben die Firmen, Verbände, Organisationen, die, die im Teich des Internets mitfischen, mitmischen, mitwischen möchten, die Grösse, sich den Hahn auf das Dach setzen zu lassen? Es gibt da unterschiedliche Beispiele.

Die SANDOZ zog ihr Geschenk an die Stadt Basel zurück, als die Bildhauerin Bettina Eichin nach dem Schweizerhalle-Unfall einen von zwei Bronze-Markttischen leer gelassen hatte und darauf das Gedicht "Die Vergänglichkeit" von J. P. Hebel gravierte.
Die Stadtsparkasse Aachen finanzierte den Brunnen "Kreislauf des Geldes" von Karl-Henning Seemann, auf dem der Bildhauer auch Bettelei und Korruption darstellte.
Auch das gibt es.
Haben wir den Mut, uns den Hahn aufs Dach setzen zu lassen?

Irgendwie ist Ricki ja schon auf dem richtigen Weg, das musste ich nach fünf Bier in unserer Stammkneipe ihm dann doch zugestehen.
Auch wenn er nicht viel Geld mit seinem Webdesign machen wird.
Und wenn es auch Peter von Hempshempel wahrscheinlich nie gab.


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