Ach, diese Demonstrationen! Das ist schon alles ziemlich
komplex geworden mit dieser Rumlauferei. Da marschieren so viele Gruppen durch
die Städte und wollen sich prügeln, mit dem Volk und der Polizei und natürlich
untereinander. Das ist schon alles ziemlich schwierig…
Früher war das viel einfacher. Beim Mann mit dem Knebelbart
durfte einfach nicht demonstriert werden, und die Berliner Polizei hat nicht
nur einmal irgendwelche Internationale-singenden Meuten einfach
zusammengeschossen, vorwiegend am 1.Mai. Dann kam der mit dem Schnauzbart und
drehte den Spiess um: Da seine Truppe ja eine NSArbeiterP war, demonstrierte
jetzt der Staat – und konnte es auch viel besser als die Kommunisten, denn wenn
die Braunhemden etwas konnten, dann war es marschieren und Macht demonstrieren.
Ja, und dann kam die Demokratie und das war vielleicht ein
Fehler. Man räumte dem Volk Rederecht und Demonstrationsrecht und
Leserbriefschreibrecht, man schaffte ihm Versammlungs- und Meinungsfreiheit,
man und frau durften nun sagen, was sie wollten, rumlaufen, wo sie wollten und
Schilder halten, wo sie wollten. Das taten – was die Sache wieder einfach
machte – zunächst nur die Linken, aber die taten es ausgiebig. Trotzdem waren
die Anti-Pershing-Leute, die Pro-Hausbesetzer-Leute, die Legalize it-Leute und
Kernkraft-nein-danke-Leute relativ einfach in Schach zu halten, die meisten
waren einfach Spinner, die zu viel taz gelesen hatten, aber sie waren
eigentlich friedvoll und hielten die wenigen Blödmänner, die sich an
Schaufensterscheiben vergreifen wollten, selber zurück.
Und da es sehr viele Lehramtsstudenten dabei hatte, brauchte
man häufig auch nur Fotografen am Routenrand: Achtung, VS! Radikalenerlass! Du
fährst zu oft nach Heidelberg! Viele hatten einfach Schiss, als staatsgefährdendes
Subjekt keine Assessorstelle zu bekommen.
Im 21. Jahrhundert krochen dann auf einmal die von der
anderen Seite aus dem Schoss, der noch fruchtbar war, und wollten auch, wollten
auch rumlaufen und brüllen, und sie durften es, wenn es auch keinen Spass
machte, wenn sie ihre genehmigte Route abliefen: Ein paar hundert Glatzköpfe,
umsäumt von der halben Einwohnerschaft des Ortes, die ihnen zeigte, dass sie
NICHT willkommen waren. In Freiburg kamen sie einmal gar nicht zur Laufroute,
weil 10.000 Menschen ihnen den Weg versperrten und die Polizisten
eigentlich, ja eigentlich den Nazis den Weg hätte freikämpfen müssen, aber es
nicht taten. Den Ewiggestrigen blieb nur der Bahnhofsvorplatz.
Zurzeit ist aber die Lage komplex, sehr komplex… Da laufen Salafisten
und da marschieren Pegidisten und die Ordnungsbeamten müssen die irgendwie
auseinanderhalten, dass die beiden Gruppen sich gegenseitig umbringen oder
zumindest eine Prügelei anfangen und dabei so en passant noch die Stadt
kaputtmachen. Und dann gibt es noch die dritte Gruppe, die, die für
Menschlichkeit, Friedfertigkeit und Toleranz gehen, und die wollen weder von
den Salas noch von den Pegis eines auf die Nuss bekommen. Tausende Polizisten
waren da neulich im Einsatz, aus der gesamten BRD, um die drei Züge auf den
vorherbestimmten Gleisen zu halten.
Was aber tun, wenn in Deutschland die Polizisten ausgehen, wenn
in fünf Städten gleichzeitig der Teufel
los ist? Wird dann die UNO intervenieren und die UNO-Gegner auch und werden sie
mit
Panzern kommen, um für Deutschland den Frieden zu retten und
wird es sich auf Europa und Afrika ausbreiten, einen Weltkrieg geben und die
Menschheit nicht mehr da sein? (Für meine deutschen Leser: Manni Matter, Ich ha es Zündhölzli azündt)
Und was, wenn überall die Polizisten fehlen? Kann es dann
sein, dass in Nürnberg an einem Samstag Tempo 130 herrscht, weil alle
Ordnungshüter in Stuttgart sind? Kann es sein, dass ich in Mainz einen
Einbrecher im Haus habe, aber die Polizisten sind in Oldenburg, um Pegis und
Salas am Prügeln zu hindern? Jürgen Albrecht malt in seiner
Krimikurzgeschichte Der Viertel-Coup ein
solches Szenario: Im Bremer Viertel (das Quartier heisst wirklich „Viertel“)
demonstrieren Tausende GEGEN DAS SCHLECHTE WETTER, aber die Initianten dieser
friedlichen Spassdemo sind Gauner, die
Geschäfte ausräumen und als die ersten Meldungen kursieren, kommt weder
Polizei noch Bevölkerung durch…
Nein, Leute, ich habe eine Idee, wie wir das mit Salas und
Pegis und Toleranzos machen: Lasst die Innenstädte den Friedfertigen, denen,
die für Respekt und Anstand sind, denen, die die Transparente mit LEBEN UND
LEBEN LASSEN tragen, die schaden nichts. Schlimmstenfalls singen sie – nach
alter Kirchentagsmanier – Der Himmel geht
über allen auf oder Hevenu Shalom,
aber das erfüllt dann höchstens den Tatbestand des Öffentlichen Ärgernisses
oder des Groben Unfugs, das braucht keine 300.000 Beamten.
Die Salas und Pegis schicken wir an den Stadtrand – ohne
Polizei! Sollen die sich da die Köppe einhauen, sollen sie sich prügeln, sollen
sie auf einander losgehen, wen kümmert’s. Ja, die Routen werden so gelegt, dass
die beiden Hitzkopfmannschaften auf einem alten Industriegelände
aufeinanderprallen, und wenn dann sie dabei, um Steine zu haben, eine
Fabrikhalle kleinmachen, dann ist das ein Kollateralnutzen, weil es uns die
Abbruchkosten spart, und wenn die Halle denkmalgeschützt ist: Umso besser.
Nein, es ist kompliziert geworden mit der Demonstriererei.
Und wenn die Innenstädte von Leuten nur so dröhnen, dann bleibe ich zuhause,
ich würde eigentlich gerne bei den Toleranzos mitmachen, aber da ich so ein
Schussel bin, könnte es sein, dass ich mich dem falschen Zug anschliesse…
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