Dienstag, 14. Februar 2023

Wer bekommt meine Liebe? Ein Post zum Valentinstag.

Da war eine Zeit, in der folgende Aufstellung galt:

Meine Liebe Frau und Kindern.
Meine Kraft der Arbeit.
Meine Verehrung dem Kaiser.
Meine Zeit in Gottes Händen.

Das war wohl so bei meinem Gross- und Urgrossvater (oder so ähnlich). Ich selbst würde es bei mir und für mich eher so beschreiben:

Meine Liebe Partner und Freunden.
Mein Respekt anderen Menschen.
Meine Begeisterung der Arbeit.
Meine Zeit den Hobbys.
Meine Sorgfalt den Geräten und der Wohnung.

Nun entdecke ich aber, dass immer mehr Dinge und Organisationen meine Liebe verlangen. «Es ist Zeit, Ihrer IT mehr Liebe zu schenken.» So erblicke ich es auf einem Plakat der Swisscom. «Aus Liebe zum Velo», so wirbt die Werkstatt Velo-Virus. Wird die Liste in Zukunft wie folgt aussehen?

Meine Liebe dem Partner und den Freunden.
Meine Liebe dem Computer und der IT.
Meine Liebe Auto und Velo.
Meine Liebe der Wohnung.
Meine Liebe der Arbeit.
Meine Liebe den Hobbys.
Meine Liebe dem Klimaschutz.
Meine Liebe der Rettung der Welt.

???

Ich stelle mir einen zukünftigen Tag vor:
Ich stehe auf, gehe in die Küche und werfe der Nespresso®-Maschine drei Kusshände zu, bevor ich sie anstelle. Während ich meinen Kaffee schlürfe, sage ich noch einmal mündlich, wie wundervoll der Espresso ist. Meine Zahnbürste bekommt einen Kuss. Mein Rasierer bekommt einen Kuss. Und wenn ich die Wohnung verlasse, sage ich ihr noch einmal, dass sie die schönste und liebste Wohnung der Welt ist – und wische noch einmal kurz über mein Schränkchen im Flur.
Bei der Fahrt nach Solothurn begebe ich mich mehrmals in Lebensgefahr, weil ich versuche, das Tram 11, die S-Bahn nach Olten und später die S-Bahn nach Solothurn zu umarmen. Das ist nämlich gar nicht so ungefährlich…
In der Schule streichle ich meinen Drucker, küsse meinen Computer, herze auch die Kaffeemaschine dort und liebkose den Fotokopierer. Meinen Kolleginnen und Kollegen stelle ich Blumen auf ihre Schreibtische – oder Schokolade. Alle Schüler bekommen von mir zu hören, dass sie die besten, schönsten, liebsten und tollsten sind. Und natürlich erhalten alle eine 6 – einfach aus Liebe.
Auf der Heimfahrt – nachdem ich noch einmal erfolglos versucht habe die S-Bahnen zu umarmen – schlafe ich. Und tanke auf. Denn zuhause wartet nicht nur mein Partner, sondern auch meine Schwimmsachen, das Hallenbad Kirschgarten mit der Bademeisterin, der Fernseher und das Abendessen.
Und alle wollen und bekommen Liebe.

Nein.
Nein und nochmals nein.
So viel Liebe habe ich nicht.
Wirklich nicht.

Ich müsste oder muss einteilen. Aber wie soll das gehen? Soll ich eine Liste machen und jedem Punkt 10 bis 15 % Liebe zuteilen? Oder soll ich einfach drauflos schenken und dann unserem Besuch sagen: «Also, entschuldigt, wenn ich gerade ein wenig muffig bin, ich habe keine Liebe mehr für euch, weil mein Laptop heute so viel bekommen hat.»?

Ich glaube, ich kehre doch zu einem alten Modell zurück:

Mein Beruf bekommt Kraft und Begeisterung.
Mein Hobby bekommt Zeit.
Wohnung, Geräte, IT, Verkehrsmittel, Haushalt etc. bekommen Aufmerksamkeit und Sorgfalt.

Und Freunde und vor allem mein Partner bekommen die Liebe.



 

 

 

 

  

 

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