Ich besitze
immer noch ein Gerät, das seit der Digitalen Revolution eigentlich überflüssig
ist: Einen Anrufbeantworter. Die meiste Zeit dient der SONIC Master 230 XXX
dazu, den Anrufern meine Abwesenheit und meine Handynummer mitzuteilen, sonst
steht er meist nur herum.
Jetzt war
ich aber über Ostern fünf Tage weg und hatte vergessen, ihn auf die Ansage
Die nächsten Tage erreichen Sie mich nur
unter 079759xxxx
umzustellen.
Zuhause erwartete mich also ein blinkendes Gerät:
Sie haben fünf neue Nachrichten
Ich drückte
die Abspieltaste.
Erste neue Nachricht
HALLO! HALLO, DA IST TANTE ELSE!!! ICH HABE
HEUTE EINE HALBE STUNDE VOR DEM MUSEUM AUF DICH GEWARTET UND BIST NICHT
GEKOMMEN!
Empfangen am 31.3. um 16 Uhr 30
Mir stockte
der Atem. Hatte ich wirklich etwas mit Tante Else ausgemacht, obwohl ich in
Karlsruhe beim Ring des Nibelungen war?
Dann fiel
mir ein, dass ich gar keine Tante Else habe. Ein Fall von verwählt. Also
weiter.
Zweite neue Nachricht
Hallo Rolf, da ist der Diethelm, ich wünsche
dir frohe Ostern, ich sag das jetzt mal einfach so, obwohl du weisst, dass ich
mit kirchlichen Feiertagen und Religion und so meine Mühe habe, ich sag jetzt
mal einfach so Frohe Ostern, ich wollte dich fragen, nächsten Mittwoch kommt
das Schlampentheater Berlin nach Freiburg, das Stück geht…
Empfangen am 1.4. um 17. Uhr
Dritte neue Nachricht
…dein Beantworter lässt mich nicht ausreden,
also das Stück geht um einen Soziologen in Berlin-Pankow, also eigentlich
Genderforscher, aber das ist ja quasi ein Teilgebiet der Soziologie, also der
findet auf jeden Fall heraus, dass er schwul ist und bekommt dann so mega
Probleme, weil er so eindeutige Kategorien wie schwul total ablehnt…
Empfangen am 1.4. um 17. Uhr 01
Vierte neue Nachricht
…das Gerät kappt mich jedes Mal. Also
hättest du Lust? Ruf mich einfach mal an.
Empfangen am 1.4. um 17. Uhr 03
Diethelm!
Kein Wunder, dass der noch kein erfolgreiches Bewerbungsgespräch hatte…
Weiter.
Fünfte neue Nachricht
Hier ist Maura Furrer, Präsidentin vom
Kirchenchor Laggingen, wir bräuchten im Juni für zwei Wochen eine
Stellvertretung. Rufen Sie mich mal an unter Null Neunundsiebzig,
Sechshunderteins, vierundzwanzig, gdfrdschschsch.
Empfangen am 2.4. um 11 Uhr 20
Die letzten
beiden Ziffern sind genuschelt oder auf jeden Fall nicht zu verstehen. Ich höre
wieder und wieder und wieder, ich habe keine Chance.
Rufen Sie mich mal an unter Null
Neunundsiebzig, Sechshunderteins, vierundzwanzig, gdfrdschschsch.
Ca. 100
Kombinationen sind möglich, aber die kann ich schlechterdings nicht alle
anrufen.
Rufen Sie mich mal an unter Null
Neunundsiebzig, Sechshunderteins, vierundzwanzig, gdfrdschschsch.
Ich habe nun
auch keine Lust, auf die Suche im Internet zu gehen, nur um Frau Furrer zu
sagen, dass ich keine Lust habe den Kirchenchor Laggingen zu interimsen.
Rufen Sie mich mal an unter Null
Neunundsiebzig, Sechshunderteins, vierundzwanzig, gdfrdschschsch.
Der AB
gehört schlicht und einfach abgeschafft, es ist eine Technik, die nun wirklich
vollständig überholt ist. In einer E-Mail könnte ich runterscrollen, bis ich
beim Diethelmsermon zum Wesentlichen käme, an Adorno und Diethelms
Religionskritik vorbei quer durch seine diversen Probleme bis zum konkreten
Vorschlag eines Theaterbesuchs. Frau Furrers Nummer könnte ich auch lesen. Und
die Mail an den falschen Mann wegen Museum käme zurück: Non delivered Message.
Was uns
zögern macht, ist die Tatsache, dass die ABs eine so junge Sache sind, jung und
jetzt schon so veraltet wie die Draisine oder der Waschzuber, wie die Dampflok
oder der Eselskarren. Aber das ist der Lauf der Zeit, auch eine Maschine, die
erst in den 80ern aufkam, kann schon Steinzeit sein.
Überhaupt, der
SONIC Master 230 XXX war eine Enttäuschung, eine Enttäuschung insofern, dass er
ja als AnrufBEANTWORTER meine Anrufe immer nur aufgezeichnet und nie
BEANTWORTET hat. Das wäre eine prima Sache, wenn ein solches Gerät Anrufe
BEANTWORTEN und man selber beim Heimkommen vernehmen würde:
Anruf am 31.3. um 16.30 – falsch verbunden
(Tante Else!) – Sache geklärt
Drei Anrufe von Diethelm – am 1.4. um 17.00,
17.01 und 17.03. Was für eine Quasselstrippe! Jedenfalls: «Gender in Pankow» am
Theater Freiburg, 5.4. um 19.00 – Karten besorgt er.
Anruf am 2.4. um 11.20 von Frau Furrer aus
Laggingen: Anfrage nach Stellvertretung abgesagt.
Das wäre
eine gute Sache.
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