Freitag, 20. April 2018

Kann sich ein Promoter selber promoten? / Kann sich ein Motivator selber motivieren?


Es gibt Berufe, die sind quasi autarkistisch, der Fachmann oder die Fachfrau könnte sich das, für was er oder sie Geld bekommt, auch selber machen: Ein Bäcker könnte sich ein Brot backen und eine Schreinerin einen Tisch bauen, eine Köchin könnte sich eine Suppe kochen und ein Installateur sich seine Heizung reparieren; Blumengestecke oder Parkettböden, Hemden oder Keramik können autarkistisch entstehen. Aber auch für Dienstleistungen gilt das manchmal, so kann Reisekaufmann Heinz sich selbst einen Flug nach Unalaska buchen (er will unbedingt auf die Aleuten) und die Bankangestellte Sophie, seine Verlobte, kann für beide Dollars wechseln (die Aleuten gehören zu den USA, did you know?).

Es gibt Berufe, die sind eindeutig nonautarkistisch, das, was man anderen tut, kann man sich selber auf keinen Fall machen. Hier sind, denke ich die pflegerischen und medizinischen Berufe als erste zu nennen, wer schon einmal versucht hat, sich einen Furunkel aufzudrücken, der sich auf dem Rücken befindet, weiss, wovon ich rede. So kann die Zahnärztin sich eben nicht selber in den Zähnen bohren und der HNO sich nicht selber in die Nase gucken. Eine Anästhesistin könnte sich zwar selber ins Nirwana schicken (doch wozu?), aber ein anästhesierter Chirurg kann sich dann nicht selber den Blinddarm rausnehmen.
Bei Coiffeuren und Coiffeusen ist es grenzfällig: Man kann sich selber die Haare schneiden, aber man tut es meistens nicht, in den Coiffuren und Salons richtet man sich meistens gegenseitig die Frisuren.

Wie aber ist mit der Branche, die ich unter dem Gesamttitel «Psycho, Marketing und Psychomarketing» zusammenfassen würde? Was ist mit den Coaches, Promotern, was ist mit den Therapeutinnen und Motivationstrainerinnen, was mit den Supervisoren und Animateuren? Ist die Branche autarkistisch oder nonautarkistisch? Kann sich ein Coach selber coachen? Kann sich ein Promoter selber promoten? Kann sich eine Motivatorin selber motivieren?
Die Antwort ist ein klares NEIN.

Warum?
Sie alle kennen das doch, sie alle haben schon x Tage bei solchen Veranstaltungen zugebracht: «Guten Morgen, als Einstieg habe ich ein paar Plakate mit Stichworten aufgehängt, kleben Sie bitte so viele Punkte auf diese Plakate, je nachdem, wie wichtig Ihnen diese Dinge sind, Sie können bis zu 5 Punkten vergeben». Und dann tigern Sie vor den Zetteln herum und kleben brav Ihre Klebepunkte, und dann ergibt die Auswertung:
TOPFPLANZEN                  3 P.
ZUNEIGUNG                      25 P.
ANERKENNUNG               30 P.
SCHWEINESCHNITZEL    7 P.
JAZZ                                      4 P.
MONOPOLY                       5 P.
Und man weiss: Zuneigung und Anerkennung sind in dieser Abteilung die zentralen Bedürfnisse.
Kann man so einen Unsinn auf sich selber anwenden? Sicher nicht.
Genauso wenig kann ein Motivationstrainer, der unmotiviert, sich vor den Spiegel stellen und sich selber zurufen: «Du bist kein Huhn! Du bist ein Adler! Adler, fliege! Adler, fliege!» oder «Du bist gut! Du bist schön! Du bist stark!»

Also bräuchte ein Coach einen Coach-Coach, bräuchte eine Motivationstrainerin eine Motivationstrainerinnen-Motivatorin, ein Therapeut benötigte einen Therapeuten-Therapeut und eine Promoterin eine Promoterinnen-Promoterin.
Aber hier kommt einem die Metaebene in die Quere.
(Als Kind dachte ich übrigens immer, das sei wirklich eine Landschaft, ein ganz schöne, mit üppigen Blumen und sprudelnden Quellen, so eine Art Arkadien, und wenn Erwachsene sagten, sie seien kurz auf die Metaebene gegangen, und dann sei alles klar gewesen, stellte ich mir immer vor, wie sie auf elysischen Gefilden einen Sonnenuntergang betrachten…)
Die Metaebene verhindert jedenfalls, dass ein anderer ein Verfahren anwenden kann, das man selber gut kennt.
Wenn LLoxxull, mein Baskisch-Lehrer zu mir sagt: «Heute schreibst du als erstes alle Tiere auf, die du schon auf Baskisch kennst», dann rattert es in meinem Hirn sofort los: Warum macht der das? Reine Repetition? Kontrolle, ob ich die Vokabeln auch richtig schreibe? Oder was ganz anderes? Nach welchem pädagogischen Verfahren arbeitet er heute? Was kommt als nächstes? Was ist sein Ziel, seine Absicht? Wie würde ich selber mit der Tiersammlung weitermachen?»
Die Metaebene eben.
Wenn ein Therapeut in Therapie geht, dann ist es fast unmöglich, wirklich zu einem Durchbruch zu kommen, weil der zu Behandelnde stets auf der strategischen Ebene mitdenkt. Er weiss so genau, wie er SELBER vorgehen würde, dass der Kollege ihn nie wirklich überraschen, überrumpeln, etwas aus ihm herauskitzeln, etwas aus ihm hervorlocken kann.

Was ist nun die Lösung aus diesem Dilemma?
Es gibt keine.
Und so wird es weiterhin von therapiebedürftigen Therapeuten, ungecoachten Coaches, es wird weiterhin von promotionlosen Promotern und unmotivierten Motivationstrainerinnen wimmeln, und man kann nur hoffen, dass alle diese irgendwann ins Handwerk wechseln.
Denn da – siehe oben – können sie sich selber etwas Gutes tun.

Denn der Bäcker backt sich immer noch selber auch einen Kuchen.

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