Ich habe
einen grossen Bekanntenkreis, in dem sich auch einige wirklich prominente Leute
befinden: Ein CEO eines Unternehmens mit 450 000 Beschäftigten, ein Politiker
auf Bundesebene und ein Filmstar, der immerhin schon einen Golden Globe
erhalten hat und dreimal für den Oscar nominiert war. Namen? Ich bitte Sie,
nein, natürlich nicht. Aber da ich über den Filmstar schreiben will und Sie
gerne einen Namen hätten, nennen wir ihn doch einfach Tim. Tim bewohnt eine 15
Zimmer-Villa in Hamburg-Blankenese mit Blick auf die Elbe, ausserdem besitzt er
Ferienhäuser und -wohnungen auf Ibiza, im Engadin und in New York. Tim lebt
seit 10 Jahren mit einem Galeristen zusammen, der genau so gut aussieht wie er
selbst – Tim ist bildhübsch, musste ich das extra erwähnen? Er ist Filmstar –
und wenn die beiden in der Hamburger Society auftauchen, sind sie so etwas wie
das Dreampaar.
Als ich
neulich mit Tim skypte, fragte ich ihn nach seinen Plänen für den Sommer. Nein,
eigentlich fragte ich wörtlich nach ihren Plänen, weshalb ich auch
erstaunt war, als Tim mir sagte, er selbst gehe 2 Wochen an den Silsersee und
Tom (so nennen wir den Galeristen jetzt einfach, sonst finden Sie womöglich
raus, wer Tim ist) fliege für 14 Tage nach Ibiza. Ich fragte daraufhin, ob es
Probleme gebe, ob sie sich gestritten hätten, ob… aber Tim hatte eine
kurzbündige Erklärung parat: Seine PR-Agentur hat dringend zu einer
Stressgeschichte geraten. Nun wird Tom auf den Balearen mit einem jungen Mann
in die Disco gehen, ins Restaurant gehen, ein wenig flirten – und sich dabei
möglichst oft von Kameras «erwischen lassen». Und Tim wird in seiner
Ferienwohnung sitzen, Bücher lesen, entspannen und sich möglichst oft bei traurigen
einsamen Spaziergängen «erwischen lassen». Der junge Mann, wir nennen ihn jetzt
Jim, wird dafür von der Agentur scheisse (sit venia verbo) gut bezahlt. Nachdem
die Schlagzeilen
TIM
TRAURIG UND ALLEIN IM ENGADIN
TOM
FLIRTET AUF IBIZA
und
AUS FÜR
TIM UND TOM?
die Gala,
die Frau mit Herz, die Frau im Spiegel füllten, nachdem die Schweizer
Illustrierte, die Schweizer Woche berichteten, nachdem im Blick
der Frau, der Glückspost und der Wochenpost zu lesen war,
werden dann im Herbst die Schlagzeilen
TIM UND
TOM: VERSÖHNUNG IN NEW YORK
GLÜCKLICH
IN MANHATTAN – TIM UND TOM WIEDER VEREINT
und
TIM UND
TOM GEMEINSAM IN BIG APPLE
die Leser
(??gibt es solche?) und Leserinnen wieder glücklich machen.
Warum ist
das so? Ganz einfach: Unsere Emotionen schwappen permanent zwischen Teilhabe am
Glück und Schadenfreude hin und her, und so geht uns zu viel Happyness einfach
auf die Nerven. Am Anfang denken wir noch: «Ich freue mich so für die zwei.»,
später «Warum kann ich nicht so glücklich sein?», um dann zu «Siehste! Klappt
bei denen auch nicht!» zu kommen und dann wieder zur Mitfreude zurückzukehren.
Glück ist
zudem einfach auch langweilig, die Gala, die Frau mit Herz und
die Frau im Spiegel, die Schweizer
Illustrierte und die Schweizer Woche, Blick der Frau, Glückspost
und Wochenpost könnten ihre Ausgaben niemals nur mit Glück füllen. Das
wusste schon Tolstoi: „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede
unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.“
Und so
sitzen in den PR-Agenturen sowie in den Redaktionen von Frau mit Herz, Frau im Spiegel
und Gala, in den Stuben der Glückspost und der Wochenpost
Hunderte und Tausende von Leuten, die planen, wer diese Woche und diesen Monat
glücklich sein darf und wer Stress haben muss:
Ertragen wir
die Sonnenschein-Ehe von X und Y noch oder muss ein wenig Schatten her?
Sollte Z
nicht ein wenig, ein bisschen leiden?
Sollen wir
die Leiden des jungen T nicht jetzt endlich beenden?
Dürfen U und
V nun endlich wieder zusammenkommen?
Der nächste
auf der Unhappy-Liste ist übrigens Guido. Guido, jener Sonnyboy, der für OTTO ®
und CHRIST® schauderhaft schlechte Designs macht und sich damit zur Stil-Hoheit
der Bundesrepublik aufgeschwungen hat; nach eigener Sendung, eigener
Zeitschrift, Traumhochzeit auf Sylt und Umzug nach Hamburg-Blankenese MUSS
jetzt endlich mal ein Tiefschlag kommen, geht nicht anders.
Ich selbst
werde übrigens Tim am Silsersee besuchen, ich liebe das Engadin, liebe Maloja,
den Segantini-Weg und den Nietzsche-Stein. Ich muss nur mit Tims PR-Leuten
absprechen, ob ich
a) mich von
den Paparazzi nicht erwischen lasse
b) mich von
den Paparazzi erwischen lasse und als normaler Trost durchgehe
c) mich von
den Paparazzi erwischen lasse und als Gegenschlag zum Ibiza-Schönling gelte
…wobei ich für
c) eindeutig zu alt bin…
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