Ich habe
wieder einmal einen Katalog vor mir und lese mit Staunen die Anzeigen für
Kleidungsstücke:
Hose
schwarz-weiss gestreift, Baumwolle 69,90.-
(Streifen
auch in Grau, Grey, Anthrazit, Asche, Beton, Mauer, Wolke, Stein, Elefant,
Asphalt, Maus, Silber, Stahl und Granit)
T-Shirt
grün, 90% Baumwolle, 10% Elasthan 49,90.-
(auch
in Green, Rasen, Wiese, Gras, Mint, Minze, Menthe, Zucchetti, Salat, Gurke,
Petersilie, Schnittlauch, Basilikum, Blatt, Stängel, Kaktus und Smoothie)
Jacke
rot, reine Wolle 139,90.-
(auch
in Red, Rouge, Blut, Theaterblut, Ketchup, Tomate, Feuerlöscher, Signal,
Paprika, Chili, Sonnenaufgang, Sonnenuntergang und Scham)
Zum Glück
habe ich Knarf, einen Kumpel, der im Bekleidungshandel arbeitet. Ich mache ein
Foto, schicke es per Handy und bitte ihn, mich anzurufen – was er nach einer
Stunde auch tut. «Hey Rolf, was gibt’s?» «Was es gibt? Hast du dir den
Schwachsinn mal angesehen? Was treibt ihr Textilleute da?» «Wegen der
Farbenvielfalt? Oh, ich könnte dir locker noch jeweils 5 Farben mehr aufzählen,
und zwar wichtige, bei den Grautönen fehlt eindeutig Gips, bei den Grüntönen
Efeu und bei den Rottönen Rose…» «Aber wer kann das unterscheiden? Und Minze,
Mint und Menthe ist doch das Gleiche.» «Keineswegs, Minze hat ein bisschen mehr
gelb drin wie die anderen und Menthe ist ein wenig heller und Mint glänzt mehr.
Da braucht man halt schon ein ganz feines Auge.»
Knarf ist
auch keine Hilfe.
Zum Glück
treffe ich Liu im Café. Liu ist Grafikerin und muss sich mit Farben ja
auskennen. Was sie auch tut. «Rolf», meint sie, «es gibt ca. 100 Grautöne, 120
Grüntöne und 130 Rottöne. Für uns Grafiker und für die Drucker haben die alle
Nummern, z.B. E456; wenn aber nun jemand auf die Idee kommt, ein Kleidungsstück
in dieser Farbe zu machen, dann kann er ja schlecht schreiben: T-Shirt auch in
F598 erhältlich, oder? Also sitzen in diesen Kleiderbuden irgendwelche armen
Teufel und überlegen sich Namen für diese Nuancen. Und mal ganz ehrlich:
Aubergine, Petrol, Mauve und Lachs hast du inzwischen auch als Farbe
akzeptiert, und das waren vor 30 Jahren auch nur ein Gemüse, ein Treibstoff,
eine Blume und ein Fisch, und genauso wirst du in 20 Jahren Hosen in Zucchetti,
Diesel, Petunie und Karpfen tragen…»
Nein, werde
ich nicht.
Ich laufe lieber nackt herum als in einer Kombination Theaterblut/Beton. Stellen Sie sich mal die Brauntöne vor! Da gibt es dann Sch.., K…, – kann ich jetzt hier gar nicht schreiben, sonst käme ich aus dem sit venia verbo gar nicht heraus.
Ich laufe lieber nackt herum als in einer Kombination Theaterblut/Beton. Stellen Sie sich mal die Brauntöne vor! Da gibt es dann Sch.., K…, – kann ich jetzt hier gar nicht schreiben, sonst käme ich aus dem sit venia verbo gar nicht heraus.
Ich hoffe
nur, der Farbenwahn macht vor der normalen Sprache halt. Wenn jemand das Blaue
vom Himmel lügt, dann soll er das Blaue vom Himmel lügen und nicht Tinte,
Wasser oder Pflaume. Wenn ein junges Mädchen (oder Kerlchen) sanft errötet,
dann soll sie oder er auch weiterhin erröten und nicht ertomaten, erpaprikanen
oder erbluten.
Und wird man
nicht auch weiterhin «Ganz in Weiss» heiraten wollen und nicht in Schnee, in
Papier, in Koks, in Mehl, in Zucker, in Salz und in Ei?
Ich weiss
nicht, wo diese Leute sitzen, welche Firmen da ihre Hand mit im Spiel haben und
welche Agenturen da ihre Hirne einsetzen, ich habe nur einen Wunsch:
HÖRT AUF!
WIR HABEN JETZT GENUG FARBEN!
Als ich aus
dem Café komme, liegt ein Flyer im Briefkasten. Man ruft zur Volksabstimmung
über eine Änderung der Schweizer Flagge auf, der Bundesrat hat beschlossen, die
Fahne von Rot/Weiss auf Tomate/Mehl umzustellen. Dagegen wendet sich ein
überparteiliches Komitee, das eher aus konservativen und bürgerlichen Kreisen
kommt. Aber dieses mal muss man ihnen recht geben: NEIN heisst die Parole.
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