So. Nun hat
er ihn endlich. Den Oscar. Lange, lange hat er gewartet, gewartet auf ihn wie
weiland Abraham auf den Sohn und Simeon auf den Heiland, gewartet wie Penelope
auf die Heimkehr und Jenny auf das Schiff mit acht Segeln, er hat gewartet und
geharret und ausgeharret und sich geduldet, seine Haut ist faltig geworden und
seine Haare grau, er sah die Jahrzehnte ins Land ziehen…
Von wem ich
rede?
Ach so,
nein, natürlich nicht von Leo. Der hat zwar auch ein bisschen gewartet, aber
längst nicht so lange, gut, er hat seinen Oscar auch verdient, hat er doch
einige gute Filme gemacht (die besten kennt man gar nicht, Total Eclipse, in dem er den Rimbaud spielte z.B.) und hätte er die
Ich-stehe-im-Sonnenuntergang-am-Bug-während-die-Dion-singt-Schnulze nicht
gedreht, er hätte eine wirklich exzellente Filmographie.
Nein, ich
rede vom König der Filmmusik, vom Gott des Soundtracks, vom Grössten der
Grössten, von jenem Mann, von dem wir alle mindestens eine Melodie im Ohr
herumfahren haben.
Wer kennt
nicht die Szene, wenn der Zug wieder abfährt und Charles Bronson mit der
Mundharmonika am Bahnsteig steht und jene weltallbekannte Dreitonfolge spielt:
Da – da – da – da, die ja auch noch in der Handlung eine psychotische Rolle
spielt; Spiel mir das Lied vom Tod hatte
der böse Fonda gesagt und dem Knaben den Vater mit einer Schlinge um den Hals
auf dessen Schultern gestellt und dem Sprössling die Schnurregige in den Mund
gedrückt.
Wer kennt
nicht die herrliche Pfeifmelodie, zu der Terrence Hill in My Name is Nobody umherläuft:
Dam – di dam
– dam dadada – dam / da jamdaa – da
jamdaa – didididi – jamdam daa – dididi dadada…
Unvergessen
auch die Stelle, bei der der Missionar im Urwald sitzt und auf einer Oboe
spielt, während die neugierigen Eingeborenen ihn umringen; The Mission hiess der Film und Gabriel’s
Oboe gehört seit langem zu meinen Lieblingsmelodien.
Übrigens
interessant: Mundharmonika, Pfeifen, Oboe, der Mann scheint von Tuten und
Blasen sehr wohl eine Ahnung zu haben, man verzeihe dieses Wortspiel.
Nun hat – es
sei nun gesagt, falls sie den Namen immer noch wissen, wofür Sie sich
allerdings schämen sollten – Ennio Morricone bei seiner 6. Nominierung mit 87
den Oscar bekommen.
Endlich.
Gut, er
erhielt die Trophäe schon für sein Lebenswerk. Aber mal ehrlich: Ist dieser
Ehren-Oscar für das Gesamtschaffen nicht ein wenig ein Trostpreis? So nach dem
Motto: Sorry, du bist immer leer ausgegangen (schnief), aber irgendwie hättest
du es schon verdient, also bekommst du den Ehren-Oscar? Ist er eigentlich nicht
weniger wert als ein Echtoscar, so wie ja der Dr. h.c. auch weniger wie ein echter
ist?
Es stellt
sich die Frage, was da für Typen in den Kommissionen sitzen. Nicht nur bei der
Academy, beim Literaturnobelpreis ist es ja das Gleiche: Ca. 15 Leute umfasst
die Gruppe der «Ewig Wartenden», darunter Schriftsteller wie Nooteboom,
Murakami und Philip Roth.
Was für
Typen hocken da in den Gremien? Typen, die einfach Spass dran haben, wenn
andere warten müssen, wenn sie sich gedulden, darben müssen, wenn sie leer
ausgehen und das Nachsehen haben.
Aus diesem
Holz sind die Kellner, die nie einen Block benützen, nicht OBWOHL, sondern
DAMIT sie Bestellungen vergessen und die dann hämisch zu Tisch 7 (nach 30
Minuten noch ohne Getränk) herüberschielen. Beschwert man sich, bekommt man ein
«bisschen Zeit müssen’s schon mitbringen» hingenuschelt.
Aus diesem
Holz sind die Zoobesucher, die immer nur einzelne Brocken in das Gehege werfen
und sich kaputtlachen, wenn sich Bengalische Zwuschhasen oder Indonesische Topo-Vögel
wie wahnsinnig um die Nahrung streiten und einzelne eben leer ausgehen.
Aus diesem
Holz sind Ladenbesitzer, die 20 Artikel zum sensationellen Sonderpreis anbieten
(«Heute Gartengrills nur 19.-«) und dann schon bei Ladenöffnung die Schlange
von 30 Menschen beobachten: «Der kriegt nix mehr, und der, und der, und die,
und die…»
Aus diesem
Holz sind die Schalterbeamtinnen und -beamten, die einen ein Nümmerlein ziehen
lassen, auch wenn man weit und breit der einzige Kunde ist und stets innerlich
nochmal ein Mantra aufsagen oder sich die Fingernägel lackieren, bevor sie die
Anzeige weiterspringen lassen.
So hocken
also in den Kommissionen diese Sadisten und überlegen und denken, und auf
einmal sagt die Präsidentin: «Ich habe eine Idee: Wir lassen XY noch mal
warten…» Und alle kichern, giggeln und prusten und nippen fröhlich an ihren
Kaffeetassen.
Manchmal
passiert dann das Dumme, dass XY einfach stirbt. Ups, da haben wir wohl zu
lange gewartet, blöd auch, posthum kann der Preis nicht vergeben werden. Oder er
kommt ein wenig spät, so wie der Oscar für Ennio, den er – natürlich!!!!! – für
The Mission hätte bekommen sollen, ich habe gestern nochmal youtubend
geschwelgt, oder schwelgend geyoutubet, wie Sie wollen.
Nur einer
hat sich darüber mal in einem Text beschwert, Thomas Bernhard, als ihm viel zu
spät der Staatspreis verliehen wurde, und dann auch noch der KLEINE
Staatspreis, nicht der angemessene GROSSE.
Ennio hat
endlich seinen Oscar. Lange, lange hat er gewartet, gewartet auf ihn wie
weiland Abraham auf den Sohn und Simeon auf den Heiland, gewartet wie Penelope
auf die Heimkehr und Jenny auf das Schiff mit acht segeln, er hat gewartet und
geharret und ausgeharret und sich geduldet, seine Haut ist faltig geworden und
seine Haare grau, er sah die Jahrzehnte ins Land ziehen.
Mögen ihm
noch viele davon beschert sein, denn Komponieren und Dirigieren hält jung.
Davon am
Freitag.
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