Dienstag, 1. März 2016

Endlich hat er seinen Oscar



So. Nun hat er ihn endlich. Den Oscar. Lange, lange hat er gewartet, gewartet auf ihn wie weiland Abraham auf den Sohn und Simeon auf den Heiland, gewartet wie Penelope auf die Heimkehr und Jenny auf das Schiff mit acht Segeln, er hat gewartet und geharret und ausgeharret und sich geduldet, seine Haut ist faltig geworden und seine Haare grau, er sah die Jahrzehnte ins Land ziehen…
Von wem ich rede?
Ach so, nein, natürlich nicht von Leo. Der hat zwar auch ein bisschen gewartet, aber längst nicht so lange, gut, er hat seinen Oscar auch verdient, hat er doch einige gute Filme gemacht (die besten kennt man gar nicht, Total Eclipse, in dem er den Rimbaud spielte z.B.) und hätte er die Ich-stehe-im-Sonnenuntergang-am-Bug-während-die-Dion-singt-Schnulze nicht gedreht, er hätte eine wirklich exzellente Filmographie.
Nein, ich rede vom König der Filmmusik, vom Gott des Soundtracks, vom Grössten der Grössten, von jenem Mann, von dem wir alle mindestens eine Melodie im Ohr herumfahren haben.
Wer kennt nicht die Szene, wenn der Zug wieder abfährt und Charles Bronson mit der Mundharmonika am Bahnsteig steht und jene weltallbekannte Dreitonfolge spielt: Da – da – da – da, die ja auch noch in der Handlung eine psychotische Rolle spielt; Spiel mir das Lied vom Tod hatte der böse Fonda gesagt und dem Knaben den Vater mit einer Schlinge um den Hals auf dessen Schultern gestellt und dem Sprössling die Schnurregige in den Mund gedrückt.
Wer kennt nicht die herrliche Pfeifmelodie, zu der Terrence Hill in My Name is Nobody umherläuft:
Dam – di dam – dam dadada – dam  / da jamdaa – da jamdaa – didididi – jamdam daa – dididi dadada…
Unvergessen auch die Stelle, bei der der Missionar im Urwald sitzt und auf einer Oboe spielt, während die neugierigen Eingeborenen ihn umringen; The Mission hiess der Film und Gabriel’s Oboe gehört seit langem zu meinen Lieblingsmelodien.
Übrigens interessant: Mundharmonika, Pfeifen, Oboe, der Mann scheint von Tuten und Blasen sehr wohl eine Ahnung zu haben, man verzeihe dieses Wortspiel.

Nun hat – es sei nun gesagt, falls sie den Namen immer noch wissen, wofür Sie sich allerdings schämen sollten – Ennio Morricone bei seiner 6. Nominierung mit 87 den Oscar bekommen.
Endlich.
Gut, er erhielt die Trophäe schon für sein Lebenswerk. Aber mal ehrlich: Ist dieser Ehren-Oscar für das Gesamtschaffen nicht ein wenig ein Trostpreis? So nach dem Motto: Sorry, du bist immer leer ausgegangen (schnief), aber irgendwie hättest du es schon verdient, also bekommst du den Ehren-Oscar? Ist er eigentlich nicht weniger wert als ein Echtoscar, so wie ja der Dr. h.c. auch weniger wie ein echter ist?

Es stellt sich die Frage, was da für Typen in den Kommissionen sitzen. Nicht nur bei der Academy, beim Literaturnobelpreis ist es ja das Gleiche: Ca. 15 Leute umfasst die Gruppe der «Ewig Wartenden», darunter Schriftsteller wie Nooteboom, Murakami und Philip Roth.
Was für Typen hocken da in den Gremien? Typen, die einfach Spass dran haben, wenn andere warten müssen, wenn sie sich gedulden, darben müssen, wenn sie leer ausgehen und das Nachsehen haben.
Aus diesem Holz sind die Kellner, die nie einen Block benützen, nicht OBWOHL, sondern DAMIT sie Bestellungen vergessen und die dann hämisch zu Tisch 7 (nach 30 Minuten noch ohne Getränk) herüberschielen. Beschwert man sich, bekommt man ein «bisschen Zeit müssen’s schon mitbringen» hingenuschelt.
Aus diesem Holz sind die Zoobesucher, die immer nur einzelne Brocken in das Gehege werfen und sich kaputtlachen, wenn sich Bengalische Zwuschhasen oder Indonesische Topo-Vögel wie wahnsinnig um die Nahrung streiten und einzelne eben leer ausgehen.
Aus diesem Holz sind Ladenbesitzer, die 20 Artikel zum sensationellen Sonderpreis anbieten («Heute Gartengrills nur 19.-«) und dann schon bei Ladenöffnung die Schlange von 30 Menschen beobachten: «Der kriegt nix mehr, und der, und der, und die, und die…»
Aus diesem Holz sind die Schalterbeamtinnen und -beamten, die einen ein Nümmerlein ziehen lassen, auch wenn man weit und breit der einzige Kunde ist und stets innerlich nochmal ein Mantra aufsagen oder sich die Fingernägel lackieren, bevor sie die Anzeige weiterspringen lassen.
So hocken also in den Kommissionen diese Sadisten und überlegen und denken, und auf einmal sagt die Präsidentin: «Ich habe eine Idee: Wir lassen XY noch mal warten…» Und alle kichern, giggeln und prusten und nippen fröhlich an ihren Kaffeetassen.

Manchmal passiert dann das Dumme, dass XY einfach stirbt. Ups, da haben wir wohl zu lange gewartet, blöd auch, posthum kann der Preis nicht vergeben werden. Oder er kommt ein wenig spät, so wie der Oscar für Ennio, den er – natürlich!!!!! – für The Mission hätte bekommen sollen, ich habe gestern nochmal youtubend geschwelgt, oder schwelgend geyoutubet, wie Sie wollen.
Nur einer hat sich darüber mal in einem Text beschwert, Thomas Bernhard, als ihm viel zu spät der Staatspreis verliehen wurde, und dann auch noch der KLEINE Staatspreis, nicht der angemessene GROSSE.

Ennio hat endlich seinen Oscar. Lange, lange hat er gewartet, gewartet auf ihn wie weiland Abraham auf den Sohn und Simeon auf den Heiland, gewartet wie Penelope auf die Heimkehr und Jenny auf das Schiff mit acht segeln, er hat gewartet und geharret und ausgeharret und sich geduldet, seine Haut ist faltig geworden und seine Haare grau, er sah die Jahrzehnte ins Land ziehen.
Mögen ihm noch viele davon beschert sein, denn Komponieren und Dirigieren hält jung.
Davon am Freitag.

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