Montag, 14. März 2016

Kretschmann, der Tod des Kabaretts - US-Satiriker brauchen Trump

Ich kann mich noch gut an jenen Morgen im Jahre 1983 erinnern: Wir vom Musik-LK im Eberhard-Ludwigs-Gymnasium lagen uns in den Armen und weinten Freudentränen: Die GRÜNEN hatten es mit einer papierdünnen Mehrheit geschafft, sie zogen in den Bundestag ein, mit eben dieser fadendünnen Mehrheit und mit Turnschuhen, was zum ersten Skandal wurde. Was haben sich Zeiten doch geändert! Damit meine ich nicht die Sneakers, die ja inzwischen, angesichts von Preisen im dreistelligen Bereich fast zum oberprotzigen Statussymbol geworden sind («…er muss Halbschuhe kaufen, weil er sich keine NIKE® leisten kann…»), nein ich meine natürlich die Ökopartei. Wer hätte damals, an jenem Morgen gedacht, dass wir einen grünen BW-Ministerpräsident haben und dass die GRÜNEN stärkste Partei im Ländle sein würden? Wer hätte vermutet, dass der Südweststaat einmal als «Stammland der GRÜNEN» tituliert würde? Und dass man, wenn man von den «beiden grossen Volksparteien» redet, NICHT die CDU und die SPD meint, diese SPD, die mit ihren paar Prozentlein ja wahrlich keine Volkspartei mehr ist? Wer hätte das gedacht?

Derart euphorisiert rufe ich meinen alten Kumpel Uwe Häberinger an, der in einer schwäbischen Mittelgrossstadt eine professionelle Kleinkunstbühne betreibt. Merkwürdigerweise ist die Stimmung in der schwäbischen Mittelgrossstadt gedrückt. «Freust du dich gar nicht?», frage ich ihn. «Nein» ist die Antwort, «ich freue mich überhaupt nicht. Und bevor du fragst: Ich habe natürlich Wolf gewählt.» «Du hast Wolf gewählt? Du, der du seit Jahren im Bioladen einkaufst und deinen Müll trennst und mit dem Fahrrad ins Büro fährst? Du, der Tomaten auf dem Balkon ziehst und in deiner Freizeit immer noch Wollpullover strickst? Wie krieg ich das zusammen?»

Und dann fängt Uwe an darzulegen: Er sei ja nicht nur selber Kabarettist, er sei eben auch Intendant und Inhaber und Geschäftsführer einer Bühne, und die sei, schliesslich habe er auch Gastro, ein Unternehmen, er sei also nicht nur Künstler-Spinner, sondern auch ein KMU. Und aus unternehmerischer Sicht sei völlig klar: Kretschie ist der Tod des Kabaretts. Der Mann sei ja so beliebt, an den dürfe man ja niemals ran, überdies gebe es auch keine Stelle, an der dieser Mensch irgendwo angreifbar sei. Das sei ja fast ein Heiliger, irgendwo zwischen Augustinus und Gandhi, zwischen St. Nikolaus und Luther King angesiedelt, bodenständig, volksnah, integer, wenn es nur solche Politiker gäbe, wäre es der Tod der Satire!

Einmal, ein einziges Mal habe ein Kabarettist bei ihm auf der Bühne es gewagt, er habe eine Nummer begonnen – und er betone: begonnen – die gelautet habe: Kretschmann im Puff. Der gute Mann, er nenne jetzt keinen Namen, habe abbrechen müssen, und er selber habe am nächsten Tag 20 Abonnementskündigungen gehabt, das sei ein herber Verlust, das könne er sagen. Nein, nein, Winnie treibe die BaWü-Kleinkunst in den Ruin, da seien sich auch alle einig, von Deutschmann bis Richling, Bubi Wolfie wäre da sicher das Bessere gewesen.

Er habe auch einen guten Draht zu den Amis, und er wisse aus zuverlässiger Quelle, dass die AAC (American Association of Comedians) Donald Trump mit 30 Millionen Dollar unterstütze. Nicht, weil sie seine Politik gut fänden, sondern weil sie endlich wieder Arbeit wollten. Die Amerikanische Satire leide ja – wie die Baden-Württembergische – seit Jahren unter einem Präsidenten, der dem Kabarett, der Glosse, den Comedians und Sketschschreibern nichts biete. Obama sei so etwas von anständig und sauber, dass man an ihm abgleite wie an einem rutschigen Fisch. «In Trump investieren heisst in die Zukunft investieren» sei der Slogan der AAC, an diesem Kerl sei nun alles unmöglich, der sei nun wirklich eine Goldgrube, ein Eldorado, ein Garten Eden der Kleinkunst. Wo man hingreife, sei dieser Mensch peinlich: Peinliche Frisur, peinliche Ansichten, peinliche Äusserungen, wo man hinlange, sei Trump geschmacklos, geschmacklos sei seine Wohnung, seine Bilder an den Wänden, seine Tischdekoration, geschmacklos seine Einstellung zu jeder und jedem, der nicht ins Raster W-M-W (working, married, white) passe.

Das besonders Ärgerliche sei ja auch, dass man in den USA und in BaWü in Ländern lebe, in denen man Kabarett machen DÜRFE, er kenne auch einen Kleinkünstler aus Moskau, der habe natürlich eine Quelle vor der Nase, aus der zu trinken ihm aber nicht erlaubt sei. Er habe eine in Putin herrliche Vorlage für die bösesten Satiren, riskiere aber, ins Straflager zu kommen. Wir hätten die Erlaubnis, aber wir hätten keine so schönen Vorlagen…»

Ich musste lange über Uwes Worte nachdenken. Und schliesslich musste ich ihm Recht geben. Leute wie Winnie sind nicht gut für die Satire, die Glosse, für das Kabarett und die Comedy. Die Satire braucht etwas zum Angreifen, zum Veräppeln, zum Verarschen (s.v.v.). Zu glatte Politiker sind der Tod für jede Attacke.

Zum Glück haben wir Trump.
Zum Glück haben wir Putin.
Zum Glück haben wir die AFD.
Dazu mehr am Freitag.






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