Zeichen
setzen. Einmal zeigen, was Sache ist. Den Tarif durchgeben.
Das tut zum
Beispiel Lehrer Huber von Zeit zu Zeit, indem er eine besonders knifflige
Hausaufgabe gibt oder ein besonders gemeines Arbeitsblatt verteilt. Immer mit
dem Hinweis, das sei jetzt das Niveau, das Anna und Melanie, das Marco und
Slobo haben sollten und die Guten, Anna, Marco, Melanie und Slobo brüten über
den Fragen und haben richtig Bammel vor dem nächsten Test und büffeln wie
blöde. Die Prüfung wird natürlich leichter, und sie sind gut, weil sie so viel
gelernt haben. Natürlich wäre eine hammerschwere Prüfung deutlich
wirkungsvoller als nur eine kochlöffelschwere Hausaufgabe, aber Huber möchte
seinen Jungs und Mädels, Slobo und Marco, Melanie und Anna ja nicht die Zukunft
versauen.
Zeichen
setzen. Einmal zeigen, was Sache ist. Den Tarif durchgeben.
Unter den
vielfältigen Protestformen, die wir in den 80ern pflegten, war der Die-In eine
der nettesten. Es war eigentlich eine hübsche Variante des Sit-In: Um unsere
nicht vorhandene Zustimmung zu den Pershings auszudrücken, legten wir uns eine
halbe Stunde wie tot auf einen Platz oder eine Grünanlage. Natürlich hätte ein
echtes Sterben die Angst vor dem Atomraketenangriff und dem Tod viel besser
ausgedrückt, nur mit eben blöden Folgen. Wir hätten uns bei einer
Massenvergiftung oder Massenselbstverbrennung die Zukunft nicht nur versaut,
sondern unmöglich gemacht.
Zeichen
setzen. Einmal zeigen, was Sache ist. Den Tarif durchgeben.
Ein gutes
Zeichen für die Umwelt ist es auch, bestimmte Produkte nicht mehr zu kaufen und
zu verzehren. Da essen manche kein Fleisch mehr, manche keine tierischen
Produkte, manche essen nichts Gekochtes und manche nur Früchte, die die Pflanze
freiwillig gibt. Manche boykottieren Gen-Food und andere Nestlé (was eh
dasselbe ist). Natürlich wäre es das stärkste Zeichen, überhaupt nichts mehr zu
essen – denn was kann man denn noch unbedenklich zu sich nehmen? Aber auch das
hätte wiederum weitreichende Folgen, siehe oben…
Zeichen
setzen. Einmal zeigen, was Sache ist. Den Tarif durchgeben.
Wie obige
Beispiele zeigen, sollten gesetzte Zeichen nicht zu weitreichende Folgen haben.
Insofern ist eine Protestwahl, eine So-geht’s-nicht-weiter-Abstimmung eine ganz
doofe Sache. Wer eine unwählbare Partei wählt, um es «denen da oben» mal zu
zeigen, bedenkt nicht, dass jetzt irgendwelche Deppen in drei Landesparlamenten
hocken, und zwar nicht Einzelmasken wie einst die Republikaner oder die NPD –
ja, die war auch schon in deutschen Landtagen! – sondern gleich in satter
Fraktionsstärke.
«Ups», sagen
da einige, «ich wollte ja schon, dass die reinkommen, aber nicht gleich so
viele». Wie bescheuert ist das denn? Wenn ich mein Kreuzchen setze, muss ich
damit rechnen, dass es andere auch tun, und dann ist das Schlamassel da. Sonst
müssten sich grössere Gruppen verabreden: Von uns 1000 wählen genau 230 die
AfD, nicht mehr und nicht weniger, sonst wird es zu arg.
Konfrontiert
man AfD-Wähler mit für sie so nebensächlichen Dingen wie dem Parteiprogramm,
dann zucken sie nur mit den Schultern, sie haben es eh nicht gelesen. (Wussten
Sie, dass die AfD z.B. Kultur fordert, die Deutschland als Heimat positiv
darstellt? Dazu am Dienstag.) Das genaue Studium eines Parteiprogramms ist für
den Protestwähler ein völlig unnütziger (sic) Ballast, er oder sie will ja nur
ein Zeichen setzen.
Es aber
nicht zu kennen, ist so, wie wenn Lehrer Huber sich nicht überlegt, wie seine
Klasse notenmässig steht, bevor er den Hammer-Test ansetzt. Es nicht zu kennen,
ist so, wie wenn die Schausterber sich nicht überlegen, wie viel
Schlaftabletten man einnehmen kann, ohne dabei draufzugehen. Sich mit den
Grundsätzen einer Partei nicht auseinanderzusetzen ist so, wie wenn man beim
Hungern nicht das Mindestgewicht eines Erwachsenen im Blick hat.
Natürlich
haben die Zeitungen und Zeitschriften berichtet. Aber die einen Tatsachen («Wir
könnten auch auf Flüchtlinge schiessen») konnte man schulterzuckend damit
abtun, dass hier halt ein erfrischend offensiver Wahlkampf geführt wurde – das
ist übrigens so, wie wenn bei einem Fussballspiel eine Taktik, die vor allem
die kaputten Schienbeine der Gegner als Ziel hat, als «dynamisch» bezeichnet
wird. Andere Sachen, die die Medien herausfanden, z.B. dass Kandidaten die Zeit
zwischen CDU- und AfD-Mitgliedschaft in inzwischen verbotenen Parteien
zubrachten, konnte man mit dem Argument beiseitelegen, dass die Zeitungen und
Magazine eh nur die Unwahrheit sagen. («Lügenpresse! Lügenpresse! Lüg…»)
Zeichen
setzen. Gut, Leute, ihr habt Zeichen gesetzt.
Mal zeigen,
was Sache ist. Gut, habt ihr gemacht.
Den Tarif
habt ihr durchgegeben.
Wir müssen
jetzt 4 Jahre damit klarkommen. Es sage aber bitte keiner, das habe er nicht
gewollt.
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