Freitag, 18. März 2016

Protestwahl ist blöd - jetzt haben wir die AfD



Zeichen setzen. Einmal zeigen, was Sache ist. Den Tarif durchgeben.

Das tut zum Beispiel Lehrer Huber von Zeit zu Zeit, indem er eine besonders knifflige Hausaufgabe gibt oder ein besonders gemeines Arbeitsblatt verteilt. Immer mit dem Hinweis, das sei jetzt das Niveau, das Anna und Melanie, das Marco und Slobo haben sollten und die Guten, Anna, Marco, Melanie und Slobo brüten über den Fragen und haben richtig Bammel vor dem nächsten Test und büffeln wie blöde. Die Prüfung wird natürlich leichter, und sie sind gut, weil sie so viel gelernt haben. Natürlich wäre eine hammerschwere Prüfung deutlich wirkungsvoller als nur eine kochlöffelschwere Hausaufgabe, aber Huber möchte seinen Jungs und Mädels, Slobo und Marco, Melanie und Anna ja nicht die Zukunft versauen.

Zeichen setzen. Einmal zeigen, was Sache ist. Den Tarif durchgeben.

Unter den vielfältigen Protestformen, die wir in den 80ern pflegten, war der Die-In eine der nettesten. Es war eigentlich eine hübsche Variante des Sit-In: Um unsere nicht vorhandene Zustimmung zu den Pershings auszudrücken, legten wir uns eine halbe Stunde wie tot auf einen Platz oder eine Grünanlage. Natürlich hätte ein echtes Sterben die Angst vor dem Atomraketenangriff und dem Tod viel besser ausgedrückt, nur mit eben blöden Folgen. Wir hätten uns bei einer Massenvergiftung oder Massenselbstverbrennung die Zukunft nicht nur versaut, sondern unmöglich gemacht.

Zeichen setzen. Einmal zeigen, was Sache ist. Den Tarif durchgeben.

Ein gutes Zeichen für die Umwelt ist es auch, bestimmte Produkte nicht mehr zu kaufen und zu verzehren. Da essen manche kein Fleisch mehr, manche keine tierischen Produkte, manche essen nichts Gekochtes und manche nur Früchte, die die Pflanze freiwillig gibt. Manche boykottieren Gen-Food und andere Nestlé (was eh dasselbe ist). Natürlich wäre es das stärkste Zeichen, überhaupt nichts mehr zu essen – denn was kann man denn noch unbedenklich zu sich nehmen? Aber auch das hätte wiederum weitreichende Folgen, siehe oben…

Zeichen setzen. Einmal zeigen, was Sache ist. Den Tarif durchgeben.

Wie obige Beispiele zeigen, sollten gesetzte Zeichen nicht zu weitreichende Folgen haben. Insofern ist eine Protestwahl, eine So-geht’s-nicht-weiter-Abstimmung eine ganz doofe Sache. Wer eine unwählbare Partei wählt, um es «denen da oben» mal zu zeigen, bedenkt nicht, dass jetzt irgendwelche Deppen in drei Landesparlamenten hocken, und zwar nicht Einzelmasken wie einst die Republikaner oder die NPD – ja, die war auch schon in deutschen Landtagen! – sondern gleich in satter Fraktionsstärke.
«Ups», sagen da einige, «ich wollte ja schon, dass die reinkommen, aber nicht gleich so viele». Wie bescheuert ist das denn? Wenn ich mein Kreuzchen setze, muss ich damit rechnen, dass es andere auch tun, und dann ist das Schlamassel da. Sonst müssten sich grössere Gruppen verabreden: Von uns 1000 wählen genau 230 die AfD, nicht mehr und nicht weniger, sonst wird es zu arg.

Konfrontiert man AfD-Wähler mit für sie so nebensächlichen Dingen wie dem Parteiprogramm, dann zucken sie nur mit den Schultern, sie haben es eh nicht gelesen. (Wussten Sie, dass die AfD z.B. Kultur fordert, die Deutschland als Heimat positiv darstellt? Dazu am Dienstag.) Das genaue Studium eines Parteiprogramms ist für den Protestwähler ein völlig unnütziger (sic) Ballast, er oder sie will ja nur ein Zeichen setzen.
Es aber nicht zu kennen, ist so, wie wenn Lehrer Huber sich nicht überlegt, wie seine Klasse notenmässig steht, bevor er den Hammer-Test ansetzt. Es nicht zu kennen, ist so, wie wenn die Schausterber sich nicht überlegen, wie viel Schlaftabletten man einnehmen kann, ohne dabei draufzugehen. Sich mit den Grundsätzen einer Partei nicht auseinanderzusetzen ist so, wie wenn man beim Hungern nicht das Mindestgewicht eines Erwachsenen im Blick hat.

Natürlich haben die Zeitungen und Zeitschriften berichtet. Aber die einen Tatsachen («Wir könnten auch auf Flüchtlinge schiessen») konnte man schulterzuckend damit abtun, dass hier halt ein erfrischend offensiver Wahlkampf geführt wurde – das ist übrigens so, wie wenn bei einem Fussballspiel eine Taktik, die vor allem die kaputten Schienbeine der Gegner als Ziel hat, als «dynamisch» bezeichnet wird. Andere Sachen, die die Medien herausfanden, z.B. dass Kandidaten die Zeit zwischen CDU- und AfD-Mitgliedschaft in inzwischen verbotenen Parteien zubrachten, konnte man mit dem Argument beiseitelegen, dass die Zeitungen und Magazine eh nur die Unwahrheit sagen. («Lügenpresse! Lügenpresse! Lüg…»)

Zeichen setzen. Gut, Leute, ihr habt Zeichen gesetzt.
Mal zeigen, was Sache ist. Gut, habt ihr gemacht.
Den Tarif habt ihr durchgegeben.
Wir müssen jetzt 4 Jahre damit klarkommen. Es sage aber bitte keiner, das habe er nicht gewollt.























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