Montag, 21. März 2016

AfD-Kultur: Deutsch muss es sein!


Die AfD wünscht sich in ihren Wahlprogromen, oops, das war ein Freudscher, ich meinte natürlich Wahlprogrammen, dass die staatlich geförderte Kultur nur noch solche Kunst zeigt, in der Deutschland als Land und Heimat positiv dargestellt wird. Also weg mit den Miesmachern, den Linken, den schlimmen und bösen Autoren, die nur alles schlechtmachen und puren Defaitismus verbreiten. Deutschland ist schön! Die deutsche Heimat ist die beste! Das muss die Devise sein.

Abgesehen davon, dass die Freiheit der Kunst verfassungsmässig gesichert ist und es eine Verfassungsänderung bräuchte, um so etwas durchzusetzen, abgesehen davon, dass wir mit staatlich gelenkter Kultur ja auch so unsere Erfahrungen gemacht haben, 1933-1945 in Gesamtdeutschland und ab 1945 in der Osthälfte, abgesehen davon, ist es gar nicht so einfach, Kultur einzuschätzen. Haben AfD-Menschen überhaupt eine Ahnung? Lesen sie? Gehen sie ins Theater? In Museen? Ich kann mir Leute, die in ihren Träumen mit Waffen auf Flüchtlinge zielen irgendwie nicht in einem Streichquartettabend oder bei einer Lyriklesung vorstellen, vielleicht fehlt mir aber auch einfach die Phantasie. Es könnte aber gut sein, dass die Beurteilung von Kultur mit jener Dummheit abläuft, die ein DDR-Grenzer zeigte, als ein Westler mit zwei Büchern einreisen wollte: Deutschland, Deutschland über alles von Kurt Tucholsky und Animal Farm von George Orwell. Der gute Beamte wusste natürlich nicht, dass der Tuchotitel ironisch gemeint war, er wusste genauso nicht, dass Orwells Buch aufzeigt, wie ein sozialistischer Ansatz schiefläuft, also kam er zum Schluss: «Das Deutschland-Buch muss ich Ihnen wegnehmen, das Landwirtschafts-Handbuch dürfen Sie behalten.»

Wie soll man nun Theaterstücke und Opern, Texte und Bilder, wie soll man Schauspielhäuser und Galerien, wie soll man Kultur beurteilen? Wo haben wir ein positives Deutschlandbild? Hier käme nun der Begriff der Ambivalenz ist Spiel, und Parteien wie die Alternative sind eben nicht ambivalent. Gut, dann brauchen wir eben klare Kriterien, damit wir nicht zu viel diskutieren:

Nehmen wir doch mal das Theater:
Kriterium 1: Nur noch deutsche Autoren.
Adieu Shakespeare und Moliere, adieu Goldoni und Wilder, ihr könnt als Ausländer die deutsche Heimat nicht begreifen.
Kriterium 2: Ein Stück muss in Deutschland spielen. (Sonst kann es ja keinen Heimatbegriff vermitteln, logo, nich?)
Gestrichen werden Don Carlos, Maria Stuart, Dantons Tod, Die Jungfrau von Orleans genauso wie Nathan der Weise, Emilia Galotti und viele andere mehr. Pech für die Klassiker, warum müssen sie ihre Texte auch nach Spanien, England, Frankreich, nach Italien und Jerusalem verlegen.
Kriterium 3: Die Hauptfigur muss ein positiv eingestellter, aufrechter, smarter Deutscher sein, kein Psycho und kein Wahnsinniger, kein Verbrecher und kein Krimineller, sonst wird das ja auch nix mit dem positiven Bild.
Jetzt kippen der Woyzeck, Die Räuber, Faust I, Faust II, jetzt verschwinden Der Biberpelz und Und Pippa tanzt.
Da ist jetzt nicht viel übrig, gell? Ich sehe mich schon die Premierenpläne der Theater im Jahre 2030 durchgehen: Bochum: Die Hermannsschlacht (10.9.), Das Käthchen von Heilbronn (3.10.), Der Fröhliche Weinberg (12.11.) – Stuttgart: Das Käthchen von Heilbronn (11.9.), Die Hermannsschlacht (13.10.), Der Fröhliche Weinberg (2.11.) – Braunschweig: Der Fröhliche Weinberg (12.9.) Die Hermannsschlacht (10.10.), Das Käthchen von Heilbronn (3.11.)

Vielleicht müssen wir aber auch nur richtig inszenieren:
Wenn wir uns den Woyzeck anschauen, handelt er von einem klassischen Opfer: Die psychisch labile Hauptfigur hat ein uneheliches Kind in die Welt gesetzt, muss jetzt überall Geld auftreiben, rasiert seinen arroganten Hauptmann, schneidet Weiden, lässt sich vom Doktor für unethische Stoffwechselexperimente missbrauchen. Zum Dank betrügt ihn seine Holde mit dem Tambourmajor und Woyzeck bringt sie um. Was für ein Stoff! Aber wenn wir so inszenieren, dass das Publikum sich mit dem schmucken, smarten, gut gebauten Musiksoldaten identifiziert, wird das Ganze schon schöner, die Frau entscheidet sich dann eben zu Recht für den standhaften Major und nicht für den Psycho. Ausserdem könnte man, wenn der Tambourmajor als eigentliche Hauptrolle eingeführt wird, auch sämtliche örtliche Blaskapellen einsetzen, die z.B. den Badenweiler Marsch spielen.

Hier ist das Regietheater gefragt! Mit Verlegung der Handlung – machen die Regieheinis ja eh ständig – wäre sogar wieder ein Sommernachtstraum möglich. Dann ist das eben ein deutscher Wald und sind das deutsche Waldgeister und ein deutscher Zaubertrank und deutsche Handwerker und die Hauptfiguren heissen statt Demetrius und Lysander Detlev und Lisshardt.
Ungeahnte Möglichkeiten!
Vielleicht lassen wir aber auch alles beim Alten. Denn – wie schon gesagt – 
Welcher AfDler geht ins Theater?








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