Ich habe
neulich über den grammatikalischen, orthografischen und semantischen Unsinn bei
der Werbung, bei Plakaten und Schildern, bei Flyern und Zetteln geschrieben,
über suuuuuuuuuuuuper tollllllllllllllllllle Formulierungen, über
Text&Glosse und ähnlichen Nonsens, nun müsste man sich auch mal Gedanken
über die grafische Seite machen, dies denke ich, als ich vor dem Poster eines
Bekleidungsgeschäftes stehe:
SOMMERS
CHLUSSVE
RKAUF
Verzweifelt
versucht mein Hirn, irgendeinen Sinn in den Zeilenumbrüchen zu finden. Ist Sommers
ein Genitiv? Ist Chluss ein Ausdruck der Berner, Zürcher, der Luzerner oder St.
Gallener Mundart, den ich (noch) nicht kenne? Soll Luss mir Lust machen und
ist R-Kauf ein Hinweis auf erkaufen? Oder ist Sommers/Chlussve/rkauf
ein Akrostichon? Was aber ist dann S/C/R? SFR wäre klar, das bedeutet Schweizer
Franken, und die soll ich ja schliesslich in dem Geschäft auch lassen, aber mit
C? Meine grauen Zellen beginnen Cha-Cha-Cha zu tanzen, meine Synapsen drehen
sich wie Derwische im Kreis und meine Neuronen verknoten sich wie die
Schlangenmenschen im Cirque du Soleil. So wie bei diesen Op-Art-Bildern, Sie
kennen das: Schwarze Quadrate auf weissem Grund, nein, weisses Gitter auf
schwarzem Grund, nein doch schwarze Quadrate auf weissem Grund…
Kurz bevor
ich in eine Ohnmacht sinke, wende ich mein Haupt ab: Es ist einfach nur
Quatsch.
Wenn wir
bedenken, was unseren armen Augen seit Jahren zugemutet wird, dann müsste man
eigentlich einmal bei der UNO vorstellig werden. Und zwar sowohl bei der
Menschenrechtskommission als auch bei der UNESCO.
Wir erinnern
uns:
In der guten
alten Zeit schrieb die oder der Auszubildende auf eine Pappe
Sommerschlusverkauf
– heut ales zum hallben Preis
Wenn wir
Glück hatten, dann machte er oder sie die Orthografiefehler nicht, sondern
hatte nur eine Sauklaue, wenn wir noch grösseres Glück hatten, dann hatte er,
hatte sie auch noch eine schöne Schrift, das waren dann Tage wie Weihnachten
und Ostern zusammen.
Und dann
kamen sie, die PCs, die Heimcomputer, die Maschinen, auf denen jede und jeder
sich tolle Plakate basteln konnte, da schrieb man dann ein paar Wörtlein,
markierte sie und konnte fröhlich in die weitesten Weiten des schlechten
Geschmackes vordringen: Da wurde farbig geschrieben, mit oder ohne Kontur
(meist mit), mit oder ohne Spiegelung (meist mit), da gab es die
Regenbogenschrift und die gebogene Zeile, und wenn der Brechreiz noch nicht
gross genug war, fügte man Bilder ein, die der Computer uns lieferte: Clip Art nannte man das. (Eine Grafikerin,
die ich kannte, fing allein bei der Nennung dieses Wortes an, mit den Händen zu
zittern und mit den Augen zu flackern, wurde weiss im Gesicht und musste durch
eine grosse Ladung HUBINAL® wieder ins Gleichgewicht gebracht werden.) Clip Art
schenkte uns die Situation, dass uns an allen Trinkbuden, Kiosken, an allen
Strandrestaurants und Badibeizen, dass uns an allen Dönerbuden und Schnellcafés
die gleiche Tasse Kaffee entgegenstrahlte.
Heutzutage
muss man lange suchen, um noch einen
SOMMERSCHLUSSVERKAUF
zu finden.
Heute lässt
man meist Schilder wieder von Grafikerinnen und Grafikern machen, das Problem
dabei ist, solche zu finden, die nicht originell, sondern kompetent, die nicht
innovativ, sondern gut, die nicht künstlerisch, sondern geschult sind.
Sonst kommen
solche Schilder wie der Sommers/Chlussve/rkauf dabei heraus.
Ich bin ein
Ohrenmensch. Und wenn ich mir vorstelle, solche Unsitten würden sich auf das
akustische Pendent übertragen, wird mir angst und bange. Nein, ich möchte keine
Ansagen mit Kermit-Stimme, keine gesungenen Nachrichten, ich möchte keine
gebrüllte Conference und keine geflüsterten Texte. Ich möchte auch nicht, dass
die Wettervorhersage emotionaler wird (bei Sonne
etwas fröhlicher und schneller, bei Wolken
wieder trauriger und langsamer), obwohl genau das von Chefsprechern der
Rundfunkanstalten immer wieder gefordert wird – echt wahr.
Die Seite,
auf der ich meine Texte eingeben kann, lässt grafisch nicht viele Dinge zu.
So fehlt der Regenbogen-Sommerschlussverkauf oben.
Die Betreiber wissen, warum.
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