Dienstag, 31. Juli 2018

Meine Frau malt (schreibt, komponiert...) auch


Jeder Musiker kennt die Situation:
Da hat man ein schönes Konzert gespielt, man hat getrillert und verziert, hat ritardiert und acceleriert, man hat piano und forte gespielt und überhaupt einen musikalischen Höhepunkt nach dem anderen geliefert und nach der letzten Zugabe will man eigentlich nur noch seine Ruhe und dann kommt ein Mann auf einen zu, um einem zu sagen, dass die Allemande ein weniger schneller und ein wenig rhythmischer hätte sein müssen, und der Triller in der Sarabande mehr von oben, und man will gerade Luft holen, um sich – trotz extremer Erschöpfung – noch zu verteidigen, und dann holt der Konzertbesucher zum ultimativen Totschlagargument aus und sagt:

«Wissen Sie, meine Frau spielt Blockflöte.»

Jede Galeristin kennt die Situation:
Man ist schon fast am Ende einer gelungenen Vernissage, der Wein ist leer und die Häppchen auch, und – was viel wichtiger ist – fünf Bilder haben schon den roten Punkt, die Künstlerin strahlt, hat sie sich mit ihren strengen Linien und wenigen Farben, mit ihrer minimalistischen Aussage und ihrem klaren Formkonzept, mit ihrer stimmigen Komposition doch durchgesetzt, da, ja da pirscht sich ein Herr an Künstlerin und Galeristin heran, um klarzumachen, dass die Bilder nichts taugen, dass das Schwarz zu schwarz und die Linien zu linear sind, dass das Weiss zu weiss und die Komposition zu komponiert ist, und Galeristin und Malerin wollen gerade Luft holen, da kommt das Argument:

«Wissen Sie, meine Frau malt auch.»

Muss ich Ihnen jetzt von jenem Lyriker erzählen, der nachdem er den Bachmann-Preis, den Peter-Huchel-preis UND die Hölderlin-Medaille erhalten hat, eine (schon im Voraus ausgebuchte) Lesereise durch die BRD unternimmt und von Aachen bis Zwickau, von Emden bis Berchtesgaden für seine Bände Zu und vor im Rück und Wenn ich träume, für seine Bücher Und mit für und Holunder im Stachel gefeiert wird? Ups, ich tue es ja schon… Jedenfalls kommt dann irgendwann beim Signieren ein Mann an seinen Tisch, um ihm zu erklären, dass er keine Signatur wünsche, weil die Sonette und Epigramme, weil die Texte nichts taugen und bevor der Bachmann-, Huchel- und Hölderlinpreisträger mucksen kann, kommt der Satz:

«Meine Frau schreibt auch Gedichte.»

Es stellen sich hier natürlich diverse Fragen, aber die entscheidende Frage ist doch:
Warum sind es immer die Frauen, die hier herhalten müssen?

Ich glaube nämlich, dass die musizierenden und malenden, dass die schreibenden und dichtenden Gattinnen sehr wohl zwischen ihrer Kunst und der Profikunst unterscheiden könnten. Wer jemals versucht hat, die Französische Suite Nr. 6 in E-Dur zu spielen, weiss, dass man sie technisch sicher hinbekommt, aber 1000 Meilen von einer wirklich gültigen Interpretation entfernt ist. Wer jemals versucht hat, 5 Linien und 6 Punkte auf einer Leinwand so zu verteilen, dass es sich ausgleicht und «stimmt», weiss ein gelungenes Bild zu schätzen. Wer jemals einen Nachmittag gerungen hat, ob die letzte Silbe in einem Haiku -ung oder -heit heissen muss, weiss, wie immens schwer Lyrik ist.

Warum also heisst es immer «…meine Frau…auch.»?

Wahrscheinlich ist es so, dass die Manger des oberen (oder auch mittleren) Kaders gewöhnt sind, von allem das Beste zu haben: Sie haben das grösste Auto (Chevi, Lambi, Ferri oder Cadi), sie reisen Businessclass und checken im Hilton oder Steigenberger ein, sie haben eine repräsentative Villa in Hamburg-Pöseldorf (gekauft bei ENGEL & VÖLKERS®), ein Ferienhaus in Santorin (gekauft bei ENGEL & VÖLKERS®) und ein Chalet in Schruns (gekauft bei ENGEL & VÖLKERS®). Sie lassen sich bei … – psst, das ist Diskretionssache – eine Jacht bauen und ihre Kleider bei einem Londoner Schneider nähen, sie sind Habitués im Schnuder’s (3 Sterne Michelin) und im Goldenen Kreis (19 Gault&Millau-Punkte). Ihre Kinder gehen auf die besten Internate und später nach Harvard, Yale oder Stanford, und ihre Ehefrauen machen eben die besten Bilder, die beste Lyrik oder die beste Musik. Es KANN gar nicht anders sein.

Vielleicht finden Sie meinen Post jetzt wahnsinnig frauenfeindlich, weil es ja auch Frauen im oberen Kader gibt, Frauen, die sich bei ENGEL & VÖLKERS® repräsentative Häuser kaufen und ihre Kleider bei einer Mailänder Schneiderin nähen lassen. Aber Frauen würden nicht so dumm reagieren wie Männer, sie würden eben nicht sagen «Mein Mann malt auch…», «Mein Mann spielt Klavier…», «Mein Mann schreibt Gedichte…», sie würden Kunst, Musik und Texte fair und sachlich beurteilen.

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Aber wehe, Sie schreiben «Mein Mann/Meine Frau bloggt auch». Dann gibt es richtig Ärger.  

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