Langweilige,
öde Tage.
Es sind
langweilige, öde Tage diesen Sommer. Tage, an denen nichts los ist, an denen
nichts passiert, Tage, die sich wie Perlen auf einer Schnur aneinanderreihen.
Langweilige,
öde Tage.
Ich wache um
7.30 auf und stelle zu meinem grossen Erschrecken fest, dass die Sonne scheint.
Das ist langweilig, weil sie schon gestern und vorgestern und am Tag vor
vorgestern und zwei Tage vor vorgestern auch schon geschienen hat. Aber die
Sonne kann man ja nicht abstellen. Also erst mal Kaffee und Zigarette auf dem
Balkon, Luisa grüssen, die ihr Auto aus der Garage holt und einkaufen fährt,
Horst grüssen, der auf dem Balkon gegenüber seine Blumen giesst und Fabia
grüssen, die auf ihr Velo steigt und zur Arbeit fährt. (Hat die’s gut, die
erlebt bestimmt etwas Spannendes…) Um 8.30 erscheint mein Partner, irgendwann
frühstücken wir, die Sonne wird kräftiger und der Himmel blauer. Grässlich.
So
bleibt einem nichts anderes übrig, als das zu tun, was wir jeden Tag machen,
wir gehen ins Freibad. Auch dort ein festes Ritual, wir schwimmen unsere 10
Längen (in getrennten Becken, ihm das unbeheizte zu kalt), dann liegen wir in
der Sonne uns lassen uns bräunen – und lesen (er Foucault, ich Von Düffel)
Um ca. 14.30
verlassen wir das Freibad St. Jakob, weil Wolken aufziehen, auch diese
Nachmittagsbewölkung folgt einem jeden Tag gleichen Muster, als ob man am
Äquator wäre, langweilig, so trist. Zuhause gibt es dann einen kleinen Drink
auf dem Balkon (Weisswein, Mineralwasser, Knabberzeug). Danach
Mittagsschläfchen und dann ist es fast schon wieder Zeit, ans Abendessen zu
denken.
Langweilige,
öde Tage.
Es sind
langweilige Tage diesen Sommer. Tage, an denen nichts los ist, an denen nichts
passiert, Tage, die sich wie Glieder auf einer Kette aneinanderreihen.
Langweilige,
öde Tage.
Das
Aufregendste, was passiert, ist dass meine Buchhändlerin anruft und mitteilt,
dass die beiden Bücher abholbereit sind, dann freuen wir uns wie Schneekönige
und fahren zum Olymp&Hades und holen neuen Lesestoff. Oder – Genuss aller Genüsse
– Frau Erika ruft an und lockt uns in die Bacon/Giacometti-Ausstellung in der
Fondation Beyeler. Oder wir sind irgendwo eingeladen. Aber sonst
Gleichförmigkeit und Uniformität.
Langweilige,
öde Tage.
Es sind
langweilige, öde Tage diesen Sommer.
Jeden Tag
nehmen wir uns vor, am nächsten etwas Aufregendes zu machen. Etwas richtig
Geiles, Witziges, etwas, was unseren Adrenalinspiegel ein bisschen in die Höhe
treibt, was uns aus der Sommerlethargie reisst und den Tagen ein wenig Pep
gibt.
Bungee-Jumping
zum Beispiel, Gummi ums Bein und dann ab in die Schlucht, das Gefühl, wenn man
fast auf dem Boden aufkommt und dann mit einem Ruck wieder in die Höhe fährt
muss gewaltig sein. Oder Base-Jumping, noch aufregender und noch gefährlicher,
mit Lauterbrunnen sind wir ja gar nicht weit von den weltbekannten
Absprungfelsen.
Wir könnten
auch in irgendwelchen Tobeln Kajak fahren oder in den Wäldern des Jura
Survivaltraining machen, oder wenigstens ein bisschen Extremsport, mal
geschwind mit dem Velo auf den Gotthard, mal geschwind auf den Mont Blanc
joggen oder mal geschwind die Eiger Nordwand hochkraxeln.
Man könnte
auch Fallschirmspringen, Gleitfliegen oder in eines der Gehege des Basler Zoos
klettern, zu den Löwen, Tigern, zu den Eisbären oder zu den Elefanten, oder zu
den Riesenschlangen.
Aber nichts
von dem passiert.
Wenn der
Morgen da ist, entscheiden wir uns doch wieder für die Variante Schwimmbad,
Wasser und Sonne, wir lassen das Gummiseil Gummiseil sein, wir fahren nicht ins
tödliche Lauterbrunnen, der Gotthard bleibt unbevelot, der Mont Blanc unbejoggt
und die Nordwand unbekraxelt, es gibt kein Kajakfahren und kein Survival und
die Tiere im Basler Zoo müssen auf unsere Intimgegenwart auch verzichten.
Langweilige,
öde Tage.
Es sind
langweilige, öde Tage diesen Sommer. Tage, an denen nichts los ist, an denen
nichts passiert, Tage, die sich wie Perlen auf einer Schnur aneinanderreihen.
Langweilige,
öde Tage.
Und das ist
vielleicht auch gut so. Wir erinnern uns: Da gab es eine Reihe von Leuten, die
im Juli vor 104 Jahren vor Begeisterung übersprudelten, Begeisterung, dass
endlich etwas passiert, endlich etwas Aufregendes kommt, die sich nach
Abenteuer und Herausforderung sehnten, die wollten, dass ein «reinigendes
Gewitter» die Schwüle des Fin de Siècle hinwegspült.
Wie anders
sahen sie es vier Jahre später, vor 100 Jahren, die, die noch sehen konnten…
Nein,
manchmal sind solche Tage wirklich schön.
Langweilige,
schöne Tage.
Langweilige,
schöne Tage diesen Sommer. Tage, an denen nichts los ist, an denen nichts
passiert, Tage, die sich wie Diamanten an einem Collier aneinanderreihen.
Langweilige,
schöne Tage.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen