Diesen
Sommer will ich endlich einmal nach Rominka fahren. Rominka, die «Perle des
Tschaditales», bietet so mannigfache Freuden, Genüsse und Unterhaltung, dass
man dieses Bijou der europäischen Städte unbedingt bereist haben muss:
Malerisch
strömt der Tschadi durch die Stadt, und an seinen Ufern laden Cafés und
Restaurants zu einem kühlen Glas Weisswein und einem Schälchen Oliven ein, oder
zu einer Portion Zhyx, der Spezialität der Gegend, eine Paste aus Nüssen,
Hammelfleisch und Zwiebeln. In den Gassen der Altstadt bieten unzählige kleine
Geschäfte die Waren der Umgebung an, reizende Stickbilder, arabeskierte
Tonkrüge und Steinmobiles. Wer genug vom shoppen hat, macht sich dann endlich
zum wichtigsten Bauwerk Rominkas auf, der Kathedrale des Heiligen Kobbun, ein
gotischer Prachtbau mit Altären aus dem 11., 12. Und 13. Jahrhundert.
In der
näheren Umgebung bieten zwei Seen, die der Tschadi speist, Möglichkeit zum
Schwimmen, Surfen und Sonnen, und natürlich dürfen wir die nur 10 km entfernte
Kunsthalle Wolxu nicht vergessen, die zurzeit eine Pollock-Retrospektive zeigt.
Ich mache
mich also ans Werk, stosse aber bei der Planung der Anreise schon auf gewisse
Schwierigkeiten: Die Strecke Lutenblag-Rominka wird nur im 2 Stundentakt
bedient und die Tschadital-Bahn fährt nur im 3 Stunden-Takt, sodass ich mit
allen Aufenthaltszeiten auf eine satte Reisezeit von 11 Stunden käme, die
Hotels in der reizenden Stadt sind auch sehr dünn gesät und bieten nicht
unbedingt den Komfort, den ich gewohnt bin.
Hellhörig
geworden, recherchiere ich nun ein wenig im Netz herum und stosse noch auf
andere Fakten, z.B. dass der Tschadi nicht gerade das sauberste Flüsschen ist,
sprich, dass es in den Cafés und Restaurants an seinem Ufer schlicht und
einfach muffelt, das gleiche gilt dann aber auch für den Ghossa- und den
Trügü-See, was die Schwimmfreude doch etwas dämpft. Und die Kunsthalle Wolxu
musste aufgrund des grossen Andrangs ein Online-Zeitfenster-Vorbuchungs-System
einführen, damit die Besucher in den nur 150 qm sich nicht tottrampeln.
Und nun
komme ich zur Besinnung: Was will ich denn in Rominka, was um alles in der Welt
soll ich in der «Perle des Tschaditales?» Was gibt es in diesem Kaff, was es
daheim nicht auch hat? Wohne ich nicht in einer wunderbaren Stadt an einem wunderbaren
Fluss, der – im Gegensatz zum Tschadi – eben nicht muffelt? Wann bin ich das
letzte Mal mehr als eine halbe Stunde am Rhein gesessen? Ich könnte mich doch
auch in ein Basler Café oder Restaurant setzen und den nicht stinkenden Rhein
an mir vorüber fliessen lassen… Gut, es gibt dort kein Zhyx, aber muss ich
diese Nüsse-Hammelfleisch-Zwiebel-Spezialität wirklich essen? Denn eigentlich
mag ich gar keinen Hammel.
Will ich
wirklich Stickbilder, Steinmobiles und Tonkrüge anschauen? Anschauen und womöglich
sogar noch kaufen? Und was mache ich dann mit dem Zeug, ich werde mir sicher
nicht eine gestickte Ansicht des Tschaditales an die Wand hängen oder einen in
den Landesfarben blau-grün-kackbraun-arabeskierten Tonkrug ins Entree stellen.
Stattdessen könnte ich mir am Spalenberg, durch den ich ja immer nur so
durchrase, einmal einen ganzen Nachmittag Zeit nehmen und in Antiquitäten,
Büchern und Schmuck wühlen, um mir dann eine Tasse Tee und einen Cupcake zu
genehmigen.
Und einen
gotischen Prachtbau haben wir auch.
Was will ich
in einer 150qm grossen Pollock-Ausstellung? Der kommt überhaupt nicht zur
Geltung. Dabei haben wir in Basel zurzeit zwei wunderbaren Schauen: Bacon und
Giacometti in der Fondation Beyeler und Bruce Nauman im Schaulager, und im Gegensatz
zur Kunsthalle Wolxu kann ich dort einfach hineinlaufen, weil es eben NICHT
überfüllt ist – in die Fondation sogar gratis, der Oberrheinische Museumspass
ist gültig.
Bleiben wir
also zuhause. Laufen wir durch die Strassen, bei denen wir immer denken: Tolle
Häuser, Gründerzeit und Art Déco, aber da kommen wir ja nie durch. Gehen wir in
die Läden, an denen wir sonst immer nur vorbeirasen. Gehen wir vielleicht
ZWEIMAL in den Bacon oder den Nauman, oder besuchen alle die Museen, in denen
wir noch nie waren. (Ich oute mich jetzt: Ich war noch nie im
Puppenhaus-Museum, obwohl ich Luftlinie 30 Meter davon entfernt gewohnt habe.)
Und was ist
mit dem Schwimmen? Und Sonnen? Und Surfen? Überhaupt kein Problem. Mein
festgemietetes Saison-Kästchen wäre eh traurig, wenn ich nicht jeden Tag
vorbeikomme. Und auf ein Surfbrett bekommen Sie mich sowieso nicht, nicht in
auf dem Ghossa- oder Trügüsee, aber auch nicht auf dem Lac Leman, dem Lago
Maggiore oder dem Bodensee.
Diesen
Sommer werde ich nicht nach Rominka fahren, der «Perle des Tschaditales». Aber
auch nicht nach Flyys, Zumoollaa oder Lutenblag. Ich werde nicht nach Poa-Poa
fliegen und nicht nach Mua-Mua, nicht auf die Alzbeten, nicht auf die Larissen
und nicht auf die Petrullen, Rhythonos muss auf meine Anwesenheit genauso
verzichten wie Okylos, Gytros und Vaconos.
Wie sagte
schon unser Dichterfürst:
Warum in die
Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah…
Und
ökologisch ist Nichtreisen eh das Sinnvollste.
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