Dienstag, 10. Juli 2018

Ich fahre nicht nach Rominka - Ferien zuhause!


Diesen Sommer will ich endlich einmal nach Rominka fahren. Rominka, die «Perle des Tschaditales», bietet so mannigfache Freuden, Genüsse und Unterhaltung, dass man dieses Bijou der europäischen Städte unbedingt bereist haben muss:
Malerisch strömt der Tschadi durch die Stadt, und an seinen Ufern laden Cafés und Restaurants zu einem kühlen Glas Weisswein und einem Schälchen Oliven ein, oder zu einer Portion Zhyx, der Spezialität der Gegend, eine Paste aus Nüssen, Hammelfleisch und Zwiebeln. In den Gassen der Altstadt bieten unzählige kleine Geschäfte die Waren der Umgebung an, reizende Stickbilder, arabeskierte Tonkrüge und Steinmobiles. Wer genug vom shoppen hat, macht sich dann endlich zum wichtigsten Bauwerk Rominkas auf, der Kathedrale des Heiligen Kobbun, ein gotischer Prachtbau mit Altären aus dem 11., 12. Und 13. Jahrhundert.
In der näheren Umgebung bieten zwei Seen, die der Tschadi speist, Möglichkeit zum Schwimmen, Surfen und Sonnen, und natürlich dürfen wir die nur 10 km entfernte Kunsthalle Wolxu nicht vergessen, die zurzeit eine Pollock-Retrospektive zeigt.

Ich mache mich also ans Werk, stosse aber bei der Planung der Anreise schon auf gewisse Schwierigkeiten: Die Strecke Lutenblag-Rominka wird nur im 2 Stundentakt bedient und die Tschadital-Bahn fährt nur im 3 Stunden-Takt, sodass ich mit allen Aufenthaltszeiten auf eine satte Reisezeit von 11 Stunden käme, die Hotels in der reizenden Stadt sind auch sehr dünn gesät und bieten nicht unbedingt den Komfort, den ich gewohnt bin.
Hellhörig geworden, recherchiere ich nun ein wenig im Netz herum und stosse noch auf andere Fakten, z.B. dass der Tschadi nicht gerade das sauberste Flüsschen ist, sprich, dass es in den Cafés und Restaurants an seinem Ufer schlicht und einfach muffelt, das gleiche gilt dann aber auch für den Ghossa- und den Trügü-See, was die Schwimmfreude doch etwas dämpft. Und die Kunsthalle Wolxu musste aufgrund des grossen Andrangs ein Online-Zeitfenster-Vorbuchungs-System einführen, damit die Besucher in den nur 150 qm sich nicht tottrampeln.  

Und nun komme ich zur Besinnung: Was will ich denn in Rominka, was um alles in der Welt soll ich in der «Perle des Tschaditales?» Was gibt es in diesem Kaff, was es daheim nicht auch hat? Wohne ich nicht in einer wunderbaren Stadt an einem wunderbaren Fluss, der – im Gegensatz zum Tschadi – eben nicht muffelt? Wann bin ich das letzte Mal mehr als eine halbe Stunde am Rhein gesessen? Ich könnte mich doch auch in ein Basler Café oder Restaurant setzen und den nicht stinkenden Rhein an mir vorüber fliessen lassen… Gut, es gibt dort kein Zhyx, aber muss ich diese Nüsse-Hammelfleisch-Zwiebel-Spezialität wirklich essen? Denn eigentlich mag ich gar keinen Hammel.

Will ich wirklich Stickbilder, Steinmobiles und Tonkrüge anschauen? Anschauen und womöglich sogar noch kaufen? Und was mache ich dann mit dem Zeug, ich werde mir sicher nicht eine gestickte Ansicht des Tschaditales an die Wand hängen oder einen in den Landesfarben blau-grün-kackbraun-arabeskierten Tonkrug ins Entree stellen. Stattdessen könnte ich mir am Spalenberg, durch den ich ja immer nur so durchrase, einmal einen ganzen Nachmittag Zeit nehmen und in Antiquitäten, Büchern und Schmuck wühlen, um mir dann eine Tasse Tee und einen Cupcake zu genehmigen.
Und einen gotischen Prachtbau haben wir auch.
  
Was will ich in einer 150qm grossen Pollock-Ausstellung? Der kommt überhaupt nicht zur Geltung. Dabei haben wir in Basel zurzeit zwei wunderbaren Schauen: Bacon und Giacometti in der Fondation Beyeler und Bruce Nauman im Schaulager, und im Gegensatz zur Kunsthalle Wolxu kann ich dort einfach hineinlaufen, weil es eben NICHT überfüllt ist – in die Fondation sogar gratis, der Oberrheinische Museumspass ist gültig.

Bleiben wir also zuhause. Laufen wir durch die Strassen, bei denen wir immer denken: Tolle Häuser, Gründerzeit und Art Déco, aber da kommen wir ja nie durch. Gehen wir in die Läden, an denen wir sonst immer nur vorbeirasen. Gehen wir vielleicht ZWEIMAL in den Bacon oder den Nauman, oder besuchen alle die Museen, in denen wir noch nie waren. (Ich oute mich jetzt: Ich war noch nie im Puppenhaus-Museum, obwohl ich Luftlinie 30 Meter davon entfernt gewohnt habe.)
Und was ist mit dem Schwimmen? Und Sonnen? Und Surfen? Überhaupt kein Problem. Mein festgemietetes Saison-Kästchen wäre eh traurig, wenn ich nicht jeden Tag vorbeikomme. Und auf ein Surfbrett bekommen Sie mich sowieso nicht, nicht in auf dem Ghossa- oder Trügüsee, aber auch nicht auf dem Lac Leman, dem Lago Maggiore oder dem Bodensee.    

Diesen Sommer werde ich nicht nach Rominka fahren, der «Perle des Tschaditales». Aber auch nicht nach Flyys, Zumoollaa oder Lutenblag. Ich werde nicht nach Poa-Poa fliegen und nicht nach Mua-Mua, nicht auf die Alzbeten, nicht auf die Larissen und nicht auf die Petrullen, Rhythonos muss auf meine Anwesenheit genauso verzichten wie Okylos, Gytros und Vaconos.
Wie sagte schon unser Dichterfürst:
Warum in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah…

Und ökologisch ist Nichtreisen eh das Sinnvollste.

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