Strassen-Nichtmusikant
Seppi hat ein erstaunlich gut funktionierendes Geschäftsmodell: Für Sfr 1.- (in
Worten: einen Schweizer Franken) erkaufen Sie sich bei ihm 5 Minuten Schweigen.
Zunächst könnte man denken, das sei völliger Blödsinn, wer aber seine kratzige
fistelnde Stimme, wer seine bis zur Atonalität verstimmte Gitarre und seine
stets im Untakt rasselnden Fussschellen je gehört hat, versteht, warum man
gerne einen grösseren Betrag in seinen Hut wirft. Sein Blowing in the Wind hat schon Menschen ins Spital befördert, sein I am Sailing schon Nervenzusammenbrüche
verursacht und sein Streets of London
Hirnblutungen ausgelöst. Wenn Seppi beginnt, Hau männi roots zu schmettern, haben Sie das Gefühl, ihr Darm
wandere nach aussen und wenn er mit Tit
ju siii si olt män beginnt, läuft ihr Schweiss in Strömen, denn sein
Englisch ist so gotterbarmenschlecht wie sein Gitarrenspiel. Man wirft also
gerne einen Fünfliber in die Kasse und erkauft sich Schweigen.
Nun hat der
arme Knabe aber ein permanentes Problem mit der Basler Polizei. Diese will ihn
zwingen, in regelmässigen Abständen den Ort zu wechseln, denn so sieht es das
Baselstädtische Reglement vor. Das wäre auch sehr sinnvoll, wenn er seinen
Dylan, seinen Stewart und seinen MacGathry auch wirklich grölen würde, eben das
tut er aber nicht. Wenn nun die Schugger auftauchen und mit dem Gesetzeslappen
vor seinen Augen herumwedeln, dann muss er ihnen immer klarmachen, dass sich
die Regelung auf Strassenmusikanten, aber durchaus nicht auf
Strassen-NICHT-Musikanten bezieht.
Wir haben
hier also eine klare Lücke im Gesetz.
Der
Stadtidiot Ruedi schiebt tagaus, tagein ein imaginäres Velo durch die Strassen.
Sein Problem mit den Polizistinnen und Polizisten ist nun das reziproke von
Seppi: Stadtidiot Ruedi WILL gebüsst werden, denn eine saftige Busse für sein
falsch abgestelltes Fahrrad würde ihm endlich einmal Recht geben. «Seht her,
ihr Irren!», könnte er rufen, «ich bin nicht plemplem, die Schugger haben mir
100.- (in Worten hundert Schweizerfranken) aufgebrummt, weil ich das Velo
direkt vor die Eingangstüre der MANOR gestellt habe.» Die Basler Polizei
weigert sich aber nun beständig, Bussen für in ihren Augen nicht vorhandene
Fahrzeuge zu erteilen, aber die interne Diskussion läuft immer mehr in die
Richtung, dass man hier vielleicht eine Ausnahme macht. Schliesslich hat die
virtuelle Welt schon immer mehr Einzug in unseren Alltag gehalten, und was die
virtuelle Welt kann, kann die imaginäre doch vielleicht auch?
Auch hier
hat der Gesetzgeber noch viel zu tun.
Unsere
Gesetzbücher sind so mit Lücken behaftet wie ein Emmentaler Käse, so löchrig
wie jenes unglaubliche Kleid, das Frau Leuthard bei der Gotthard-Eröffnung trug
und so porös wie ein Bimsstein. Unsere Reglements haben so viele Spalten wie
eine alte Holzhütte, so viele Lücken wie das Gebiss eines WMA-Champions und so
viele Zwischenräume wie der Text eines Schülers, der die Leertaste noch nicht
bedienen kann. Immer findet sich irgendwo eine Grauzone, ein Schlupfloch immer
findet sich irgendwo eine Bresche, in die niemand springt.
Und das wäre
auch nicht schlimm, wenn…
Wenn…
Ja, wenn es
nicht Leute gäbe, die nichts anderes tun, als solche Löcher zu suchen. Und die
tun das nicht für Menschen wie den Strassen-NICHT-Musikant Seppi oder den
Besitzer eines imaginären Velos, die tun das für andere, die die Allgemeinheit
bescheissen wollen (s.v.v.).
In Tausenden
von Büros und Konferenzräumen sitzt eine Legion von Juristen, Wirtschaftlern
und Wirtschaftsjuristen, eine Armee von Advokaten und Winkeladvokaten, von
Ökonomen und Winkelökonomen, die mit Fragen wie diesen beschäftigt:
Kann man
Geld in eine Stiftung stecken (und so die Vermögenssteuer umgehen) und später
wieder holen? Nach CH-Recht nicht, aber Uruguayischem Recht schon, ist also
eine Stiftung nach Uruguayischem Recht in der Eidgenossenschaft möglich?
Kann ich
meinem Hund 5 000 000 000 schenken, die er mir später wieder vererbt? Oder wird
bei Schenkungen an Vierbeiner auch Steuer fällig?
Kann ich
meine eigene Person börsennotieren?
Wo sind die
Lücken, die Spalten, die Poren, wo sind die Löcher und Breschen in den Reglements,
wo hat der Gesetzgeber an etwas nicht gedacht, etwas übersehen?
Hier hat nun
die Molwanische Republik 2017 einen mutigen Schritt gewagt: Sie hat die Legion
von Juristen, Wirtschaftlern und Wirtschaftsjuristen, die Armee von Advokaten
und Winkeladvokaten, von Ökonomen und Winkelökonomen schlicht und einfach für
illegal erklärt; im §567 des GBRM (Gesetzesbuch der Republik Molwanien) heisst
es:
a) Es ist untersagt, Firmen zu gründen,
deren Ziel es ist, Löcher im Gesetz zu suchen und diese der Klientel zu
empfehlen.
Leider hat
auch diese «Lex Löcher» auch schon wieder selber ein Loch, denn Beraterfirmen
kann man nicht verbieten und beim Gesetzlesen stösst man natürlich
unwillkürlich auf die Löcher. Und statt einer Empfehlung kann man natürlich auf
ein Verfahren hinweisen, dass zwar ginge, aber schrecklich grauzonig und
unmoralisch sei…
Wir drehen
uns also im Kreis.
Seppi und
Ruedi werden sich übrigens bald mit den Basler Schuggern einigen, Seppi wird
für 5.- NICHT malen, denn seine Kunst ist genauso schlimm wie sein Gesang, und
Ruedi wird ein imaginäres AUTO parkieren, und da kennt die Polizei keinen
Spass.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen