Dienstag, 29. Mai 2018

Löcher im Gesetz (1): Bitte keine suchen!


Strassen-Nichtmusikant Seppi hat ein erstaunlich gut funktionierendes Geschäftsmodell: Für Sfr 1.- (in Worten: einen Schweizer Franken) erkaufen Sie sich bei ihm 5 Minuten Schweigen. Zunächst könnte man denken, das sei völliger Blödsinn, wer aber seine kratzige fistelnde Stimme, wer seine bis zur Atonalität verstimmte Gitarre und seine stets im Untakt rasselnden Fussschellen je gehört hat, versteht, warum man gerne einen grösseren Betrag in seinen Hut wirft. Sein Blowing in the Wind hat schon Menschen ins Spital befördert, sein I am Sailing schon Nervenzusammenbrüche verursacht und sein Streets of London Hirnblutungen ausgelöst. Wenn Seppi beginnt, Hau männi roots zu schmettern, haben Sie das Gefühl, ihr Darm wandere nach aussen und wenn er mit Tit ju siii si olt män beginnt, läuft ihr Schweiss in Strömen, denn sein Englisch ist so gotterbarmenschlecht wie sein Gitarrenspiel. Man wirft also gerne einen Fünfliber in die Kasse und erkauft sich Schweigen.

Nun hat der arme Knabe aber ein permanentes Problem mit der Basler Polizei. Diese will ihn zwingen, in regelmässigen Abständen den Ort zu wechseln, denn so sieht es das Baselstädtische Reglement vor. Das wäre auch sehr sinnvoll, wenn er seinen Dylan, seinen Stewart und seinen MacGathry auch wirklich grölen würde, eben das tut er aber nicht. Wenn nun die Schugger auftauchen und mit dem Gesetzeslappen vor seinen Augen herumwedeln, dann muss er ihnen immer klarmachen, dass sich die Regelung auf Strassenmusikanten, aber durchaus nicht auf Strassen-NICHT-Musikanten bezieht.
Wir haben hier also eine klare Lücke im Gesetz.

Der Stadtidiot Ruedi schiebt tagaus, tagein ein imaginäres Velo durch die Strassen. Sein Problem mit den Polizistinnen und Polizisten ist nun das reziproke von Seppi: Stadtidiot Ruedi WILL gebüsst werden, denn eine saftige Busse für sein falsch abgestelltes Fahrrad würde ihm endlich einmal Recht geben. «Seht her, ihr Irren!», könnte er rufen, «ich bin nicht plemplem, die Schugger haben mir 100.- (in Worten hundert Schweizerfranken) aufgebrummt, weil ich das Velo direkt vor die Eingangstüre der MANOR gestellt habe.» Die Basler Polizei weigert sich aber nun beständig, Bussen für in ihren Augen nicht vorhandene Fahrzeuge zu erteilen, aber die interne Diskussion läuft immer mehr in die Richtung, dass man hier vielleicht eine Ausnahme macht. Schliesslich hat die virtuelle Welt schon immer mehr Einzug in unseren Alltag gehalten, und was die virtuelle Welt kann, kann die imaginäre doch vielleicht auch?
Auch hier hat der Gesetzgeber noch viel zu tun.

Unsere Gesetzbücher sind so mit Lücken behaftet wie ein Emmentaler Käse, so löchrig wie jenes unglaubliche Kleid, das Frau Leuthard bei der Gotthard-Eröffnung trug und so porös wie ein Bimsstein. Unsere Reglements haben so viele Spalten wie eine alte Holzhütte, so viele Lücken wie das Gebiss eines WMA-Champions und so viele Zwischenräume wie der Text eines Schülers, der die Leertaste noch nicht bedienen kann. Immer findet sich irgendwo eine Grauzone, ein Schlupfloch immer findet sich irgendwo eine Bresche, in die niemand springt.
Und das wäre auch nicht schlimm, wenn…
Wenn…
Ja, wenn es nicht Leute gäbe, die nichts anderes tun, als solche Löcher zu suchen. Und die tun das nicht für Menschen wie den Strassen-NICHT-Musikant Seppi oder den Besitzer eines imaginären Velos, die tun das für andere, die die Allgemeinheit bescheissen wollen (s.v.v.).
In Tausenden von Büros und Konferenzräumen sitzt eine Legion von Juristen, Wirtschaftlern und Wirtschaftsjuristen, eine Armee von Advokaten und Winkeladvokaten, von Ökonomen und Winkelökonomen, die mit Fragen wie diesen beschäftigt:
Kann man Geld in eine Stiftung stecken (und so die Vermögenssteuer umgehen) und später wieder holen? Nach CH-Recht nicht, aber Uruguayischem Recht schon, ist also eine Stiftung nach Uruguayischem Recht in der Eidgenossenschaft möglich?
Kann ich meinem Hund 5 000 000 000 schenken, die er mir später wieder vererbt? Oder wird bei Schenkungen an Vierbeiner auch Steuer fällig?
Kann ich meine eigene Person börsennotieren?
Wo sind die Lücken, die Spalten, die Poren, wo sind die Löcher und Breschen in den Reglements, wo hat der Gesetzgeber an etwas nicht gedacht, etwas übersehen?

Hier hat nun die Molwanische Republik 2017 einen mutigen Schritt gewagt: Sie hat die Legion von Juristen, Wirtschaftlern und Wirtschaftsjuristen, die Armee von Advokaten und Winkeladvokaten, von Ökonomen und Winkelökonomen schlicht und einfach für illegal erklärt; im §567 des GBRM (Gesetzesbuch der Republik Molwanien) heisst es:

a) Es ist untersagt, Firmen zu gründen, deren Ziel es ist, Löcher im Gesetz zu suchen und diese der Klientel zu empfehlen.

Leider hat auch diese «Lex Löcher» auch schon wieder selber ein Loch, denn Beraterfirmen kann man nicht verbieten und beim Gesetzlesen stösst man natürlich unwillkürlich auf die Löcher. Und statt einer Empfehlung kann man natürlich auf ein Verfahren hinweisen, dass zwar ginge, aber schrecklich grauzonig und unmoralisch sei…
Wir drehen uns also im Kreis.

Seppi und Ruedi werden sich übrigens bald mit den Basler Schuggern einigen, Seppi wird für 5.- NICHT malen, denn seine Kunst ist genauso schlimm wie sein Gesang, und Ruedi wird ein imaginäres AUTO parkieren, und da kennt die Polizei keinen Spass.






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