Dienstag, 1. Mai 2018

2018 ist das Jahr der sterbenden Preise - von ECHO und Nobelpreis


«Das Jahr der sterbenden Preise», das könnte ein Romantitel eines finnischen Autors sein, ist hier aber eine Glossenüberschrift, die nur allzu realistisch eine problematische Situation beschreibt;
2018 könnte zum einem Jahr werden, in dem viele Preise das letzte Mal vergeben wurden oder gar nicht erst vergeben werden können: Der ECHO ist abgeschafft, die OSCAR-Verleihung war noch nie so öde und beim Literatur-Nobelpreis ist ob der mehr als desolaten Situation des Komitees unklar, ob das heillos verwahrloste Gremium überhaupt in der Lage sein wird, irgendetwas zu beraten. Auch beim Eurovision Song Contest hat sich eine Lustlosigkeit breitgemacht, und man fragt sich, welches Land als erstes nicht mehr fährt und damit die Lawine lostritt.

Im Idealfall sieht die Verleihung eines Preises so aus, dass eine kompetente Jury den Preis an die richtige Person vergibt. Das sieht in 4% der Fälle auch so aus. In einem Fünftel der Fälle vergibt eine eigentlich inkompetente Jury den Preis an die richtige Person («ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn»), in einem weiteren Fünftel vergibt eine eigentlich kompetente Jury den Preis an die falsche Person («errare humanum est»), und in der Mehrheit der Fälle (56%) kürt eine inkompetente Jury die durch und durch falsche Person.
Es ist ja auch gar nicht so einfach, einen Preis richtig zu vergeben. Man müsste Sachverstand, Menschenkenntnis, man müsste Bildung und Kompetenz, müsste Weitblick und Zukunftsvision, man müsste Geschmack, Anstand und Wissen haben, und wer hat das heutzutage noch? Manche Jurys machen es sich leicht, sie vergeben den Preis an jemand, der schon 15 Preise bekommen hat, damit liegt man auf jeden Fall nicht verkehrt. Andere Jurorinnen und Juroren haben ein ganz anderes Problem, nämlich einen so eng umschriebenen Preis, dass man Mühe hat, überhaupt eine Preisträgerin oder einen Preisträger zu finden. Wer eine in der Schweiz geborene Person mit ausländischen Wurzeln, die in ihren Werken die Kunst der Schweiz mit der Kunst ihrer Heimat verbindet suchen muss, ist arm dran.

Die Landschaft der Preise, Verleihungen und Jurys zeigt, wie oben schon geschildert, ein düsteres Bild. Der ECHO hat sich bei der letzten Veranstaltung selbst versenkt, und zwar nicht, weil es eine sehr umstrittene Entscheidung war, einem homophoben, xenophoben, rechtradikalen und menschenverachtenden Rapper-Paar den Preis zu geben, sondern weil die Entscheidung in keinster Weise begründet wurde. «Gangsta-Rap ist halt so…» und «Kunst darf auch mal provozieren…» sind da einfach zu müde Statements. Popmusik – und eben auch Rap – muss vor allem gut sein, und das sind die zwei Schweineheinis auf keinen Fall, sonst könnte ich ja jeden Tourette-Patienten auf die Bühne zerren und ein wenig Beat laufen lassen.

Und was ist in Stockholm los?
Es ist wie bei einem Güllefass, man hat hineingestochen und nun fliesst die Jauche, und man scheint sich zu wundern, dass so viel Kuhurin auf dem Behälter kommt, und die Gülle fliesst und fliesst, und einige Leute hoffen noch, dass nach 67 Litern Dreck dann auf einmal Milch und Honig strömen wird, aber in einem Jauchefass ist eben nur Jauche, keine Milch, kein Honig, kein Wein und kein Most. Das Komitee des Nobelpreises ist ein Biotop, in dem sich scheinbar Korruption, Zweckentfremdung und Missbrauch in einem Ausmass entwickeln konnten, das keiner für möglich hielt. Da man einen Sitz in dem erlauchten Gremium auf Lebenszeit innehat, kann hier nur noch eines helfen: Eine Truppe guter Berufskiller, die die ganze Bande einfach umnietet. So brutal, so simpel, sonst wird in der Liste der Nobelpreise nämlich stehen:
2018                                      konnte aus organisatorischen Gründen nicht vergeben werden.

Auch der ESC, der Eurovision Song Contest, jene edle Veranstaltung, der Sänger wie Udo Jürgens oder Gruppen wie ABBA ihre Existenz und ihre Karriere verdankten, ist am abnibbeln. Die meisten der Gründerstaaten, Länder wie die Schweiz, Österreich oder Deutschland, wie die Niederlande, Frankreich und Italien haben längst die Lust verloren, nur traut sich niemand, die erste Nation zu sein, die dem Ereignis fernbleibt, das ist ein wenig wie bei den Geburtstagsfeiern von Tante Erna, keiner hat mehr wirklich Lust hinzugehen, aber weil es halt Tradition ist und weil sie sich so freut, und weil es seit 1976 zur Jahresagenda gehört und weil Erwin, Agnes und Horst mit Familie auch hingehen, geht man halt hin. Wenn sich einer getrauen würde, die magischen Worte zu sprechen: «Tantchen, wir kommen dieses Jahr nicht…», dann, ja dann… Aber es traut sich eben niemand.

2018 ist das Jahr der sterbenden Preise.

Warum gibt es eigentlich immer noch so viele? Sie wissen es nicht? Wegen der Preisverleihungen. Da muss man hin, nach dem Motto «Sehen und gesehen werden», da muss man sein Gartolucci-Jackett und frau ihr St.André-Kleid vorführen – wozu hat man schliesslich 1879.- bzw. 3567.- ausgegeben? – da muss man in die Kameras lächeln und hoffen, dass möglichst viele Leute das mitbekommen. Da gibt es aber auch After-Büffet und After-Party und After-Drink und viel After-Spass.
Daher hätte ich, wenn ich im Lotto gewänne, eine wunderbare Idee: Ich würde eine Stiftung ins Leben rufen, die folgendes Prozedere einzuhalten hätte:
§1           Die HERTER-Stiftung vergibt jedes Jahr einen Preis an eine(n) Künstler(in), Musiker(in), Architekten(in) oder Schriftsteller(in), die anerkannt und mindestens 20 Jahre tot ist.
§2           Da die Person schon verstorben ist und Tote nichts mehr brauchen, ist der Preis undotiert.
§3           Die Stiftungsgelder werden für eine Show zu Ehren des Preisträgers oder der Preisträgerin verwendet, sowie zu einer fulminanten Party danach.

Hier könnte man nichts falsch machen und alle hätten ihren Spass.

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