Als Georg
Müller 2016 mit dem Motorrad nach Indien fuhr, war er froh, dass in den
Ländern, durch die er reiste, viele hilfsbereite Menschen waren, die eine
wichtige Kulturtechnik beherrschten: Das Reparieren. In Turkmenistan fiel sein
Auspuff auseinander, in Usbekistan verlor seine Maschine ständig Öl, darauf
ging es eine Weile gut, dann verbog sich in Tadschikistan sein Hinterrad zu
einer Art Skulptur, worauf in Pakistan dann der ganze Motor den Geist aufgab.
Immer fand Georg nette Leute, die trick- und listenreich mit Bindfäden,
Schrauben, mit Haarnadeln, Holzstecken, die mit Metallscheiben und Honiggläsern
irgendetwas zurechtzimmerten, mit dem man wieder 1000 Kilometer weiterkam.
«Wenn wir nicht reparieren könnten, dann wären wir verloren», so der einmütige
Satz in Aşgabat,
in Samarkand, so die einhellige Meinung in Duschanbe und Islamabad. Natürlich
werden dort nicht nur Motorräder mit Bindfäden, Schrauben, mit Haarnadeln und
Holzstecken, mit Metallscheiben, Honiggläsern, Glasflaschen und Strümpfen
geflickt, sondern auch Kühlschränke und Waschmaschinen, auch Fernseher, Autos
und Computer.
Wann ist uns
diese Kulturtechnik verloren gegangen? Bei uns wird eigentlich nichts mehr
repariert, der Service guckt sich bei uns einen Fernseher, ein Auto, einen
Computer, guckt sich eine Spül- oder Waschmaschine kurz an und erklärt darauf:
Auf den Müll damit.
Seit gefühlten
7 Monaten – wahrscheinlich sind es weniger – ist der Kassaautomat im Hallenbad
Rialto ausser Betrieb. Die Mitarbeiter haben sich grosse Mühe gegeben, an
sämtlichen Stellen des Bades und der Hauszugänge Schilder aufzustellen, es ist
nun völlig gleich, ob man vom dritten Stock aus mit dem Lift hinunterfährt, ob
man diesen Lift erst im zweiten Stock betritt oder ob man ebenerdig das Gebäude
begeht, überall weisen Tafeln auf den Defekt des Automaten und auf die
Möglichkeit Billette an der Kassa im EG zu kaufen, hin. Schöner aber wäre es doch,
wenn die Maschine irgendwann einmal wieder ginge – gut, mir ist das egal, ich
habe ein Abo.
Die alte
Kulturtechnik des Flickens, des Reparierens und Ergänzens ist uns
abhandengekommen.
Ich schreibe
diesen Post auf meinem neuen Notebook, ein neues Notebook, weil es für das alte
keinen Ersatz-Akku mehr gab, auch nicht bei jenem legendären Akkuhändler in
Reinach, der 30000 Akkus auf Lager hat.
Meine
Spülmaschine ist auch dabei, den Geist aufzugeben, ich stelle mir schon einen
Dialog mit MIELE® vor:
«Beim
Trockenvorgang brummt die Maschine und es läuft ganz ein bisschen Wasser
heraus.»
«Wie alt ist
ihr Gerät?»
«Zwanzig Jahre.»
«ZWANZIG
JAHRE????????????????? Da empfehlen wir Ihnen aber dringend ein neues.»
«Das ist mir
klar, dass Sie mir ein neues Gerät verkaufen wollen! Können Sie dennoch einen
Monteur vorbeischicken.»
«Kommt Sie
mit Stundenlohn, Mehrwertsteuer, Fahrtkosten, Kinderzulage, Schwerarbeiter- und
Gefahrenzulage auf rund 1000.-. Ab 800.- gibt’s eine neue Maschine.»
Machen wir
mal eine Rechnung auf: Alle zwei Jahre kauft im Durchschnitt ein Einwohner der
Schweiz ein neues Notebook. Bei acht Millionen macht das vier Millionen
Laptops. Zu viel gerechnet? Nehmen wir nur die Einwohner mit Notebookbedarf und
nehmen wir vier Jahre als Lebensdauer, macht immer noch 1000000. Gut, die
Platinen werden recycelt, aber die Gehäuse? Können Sie sich eine Million
Notebooks auf einem Berg vorstellen? Und das jedes Jahr.
Nehmen wir
nun noch die Waschmaschinen dazu.
Und die
Kühlschränke.
Und die
Spülvollautomaten.
Und
Kleingeräte wie Rasierer, Epiliergeräte, wie Handys und Tablets, Kleingeräte
wie Föhns, Staubsauger und Mikrowellen…
Dann kommen
wir auf einen ganz schönen Berg. Alle Geräte, aufeinander geschichtet, würden das
Matterhorn um einen Kilometer überragen, ja, vielleicht könnte die
Eidgenossenschaft sogar den höchsten Berg der Welt bekommen, Mount Everest ade,
wenn man – wie einer meiner Schüler vorschlug – den ganzen Müll in den
Schweizer Seen versenkte, dann wäre die ganze Schweiz ein einziger See, man
könnte dann mit dem Boot von Friedrichshafen bis Chiasso, von Vaduz bis Lyon.
Es ist also
nicht nur meine furchtbare Sparsamkeit, die mich immer wieder dazu bringt, eine
Reparatur zu verlangen, sondern auch der Gedanke an den vielen Schrott.
Als Georg
Müller 2016 mit dem Motorrad nach Indien fuhr, war er froh, dass in den
Ländern, durch die er reiste, viele hilfsbereite Menschen waren, die eine
wichtige Kulturtechnik beherrschten: Das Reparieren.
Wir haben
diese Kulturtechnik verlernt, aber was man ver-lernt hat, kann man ja auch
wieder-lernen, es gibt immerhin schon einige nette Ansätze, wie z.B.
Reparatur-Cafés, zum Beispiel in Berlin-Mitte und in Berlin-Kreuzberg.
Seien wir
gespannt.
P.S. Seit
einigen Tagen ist die zweite Kasse im Bahnhofsshop Solothurn-West defekt. Ich
rechne mit 5-6 Monaten.
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