Freitag, 30. Juni 2017

Dürfen nur Schöne in die Badi?



Ich stosse in einer Wurfzeitung auf einen interessanten Artikel. Jugendliche zwischen 14 und 18, so wird dort berichtet, würden häufig trotz absolutem Badewetter die Frei- und Gartenbäder meiden und lieber draussen bleiben, weil sie keinen idealen Körper hätten. Dies beträfe neuerdings junge Männer genauso häufig wie junge Frauen. Nun folgt eine Sammlung von Statements diverser Psychologinnen und Psychologen, die für die verschiedensten Jugendberatungsorganisationen arbeiten. Die meisten sind so schlecht formuliert wie sie falsch sind. Ich zitiere hier nur eines:

Beatrix Wagner, Beraterin bei der Jugendhotline 147 von Pro Juventute, erinnert junge Männer daran, dass viele Bilder auf Instagram bearbeitet sind. Im echten Leben sei nicht alles perfekt. «Wir versuchen den Jugendlichen, die Probleme mit ihrem Körper haben, aufzuzeigen, dass man sich auch so wohl fühlen kann. Geht einfach baden!»

Ich weiss nicht, ob die gute Frau Wagner den Doppelsinn ihres letzten Satzes bemerkt hat. Mit der Prämisse, die Bi- und Trizeps, die Sixpacks und Waden seien alle gephotoshoppt, geht man nämlich wirklich baden. Ich bin jeden Tag in der Badi und die Adonisse, die da rumlaufen, sind nicht elektronisch verändert, die sind echt. Es ist also totaler Schwachsinn, einem Sechzehnjährigen einzureden, dass er im Gartenbad nicht die perfekten Körper antrifft, die er im Internet gesehen hat. Schon in der Umkleide und in der Dusche wird er eines Besseren belehrt werden und seine Stimmung wird baden gehen, bevor er baden geht.
Aber auch der Satz davor ist ein Widerspruch in sich. Man kann sich nicht «auch so» einfach wohlfühlen, wenn man Körperprobleme hat.

Aber gehen wir die Sache doch einmal von einer anderen Richtung an. Die Badesaison ist die einzige Zeit im Jahr, in denen Jugendliche und junge Erwachsene, die extrem Zeit und auch extrem viel Geld in ihren Körper investiert haben, selbigen nun endlich auch einmal präsentieren können. Wo anders als im Frei- oder Gartenbad, wo anders als am See oder am Meer, am Fluss oder im Park kann ich meine Arme (35 Minuten pro Tag trainiert), meine Beine (25 Minuten) und vor allem mein Waschbrett (50 Minuten) nun endlich allen einmal live zeigen. Diese armen Schweine werden doch wahnsinnig, weil man ihnen ständig vorwirft, ihre Internetbilder seien alle manipuliert. Nun können sie, wenn wir so einen heissen Sommer wie dieses Jahr haben, endlich posten: Kommt ins Gartenbad Häggeli, da stehe ich jeden Tag 17.00-19.00 am Pool und ihr könnt kontrollieren: Alles echt.

Den Rest vom Jahr haben doch die Fitnessleute echt schlechte Karten. Eigentlich will man sich ja ständig irgendwie zeigen, aber wo kann man das denn, ohne gegen die guten Sitten zu verstossen? Natürlich zeigt man sich in der Power-Gym®, im Fun-Studio® oder im Speed&Muscles®, aber das ist natürlich nur der halbe Spass, weil die Leute, die in der Power-Gym®, im Fun-Studio® oder im Speed&Muscles® herumturnen (im wahrsten Sinne des Wortes, s.v.i.v.) eben die gleichen Körper haben und somit nicht besonders beeindruckbar sind. Viel mehr Spass würde es doch machen, im Tram sich einfach das T-Shirt vom Leid zu reissen und darauf zu lauern, bis die ersten neidischen Blicke auf dem in harter Arbeit gestylten Sixpack landen. Viel mehr Spass würde es doch machen, im Kino oder im Theater die Hosen runter zu lassen und den erst schockierten, dann amüsierten, aber später völlig beeindruckten Besuchern seine CK-Unterhose zu zeigen, die einen perfekten Hintern verhüllt. Und die Dresscodes! Die einzige Möglichkeit für einen trainierten Bankbeamten, seine Bi- und Trizepse zu präsentieren ist doch, enge Hemden und enge Jacketts zu tragen, die Bitte an den Chef, endlich Muskelshirts und Tanktops am Schalter zu gestatten, verhallt stets ungehört.

So bleibt den Fitnessjüngern doch nur das Warten auf den Frühsommer, wenn endlich die Badis öffnen, hier kann man sich schon beim Anstehen an der Kasse das Shirt vom Körper friemeln und die Blicke auf dem Waschbrett einfangen, hier kann man seinen Po präsentieren und hier kann man die Muskeln spielen lassen. Was man natürlich sein lässt, ist ausgiebiges Schwimmen, da verdeckt das blöde H2O ja die ganze winterliche Arbeit, viel besser sind Springen und Ballspiele.

Eine ganz andere Frage ist nun aber, was die Badis selber dazu tun könnten, dass sich alle jungen Frauen, aber auch alle jungen Männer bei ihnen wohlfühlen. Schaut man nämlich auf die Flyer und Plakate, schaut man auf die Websites der Frei- und Gartenbäder, der Fluss- und Seebadis, dann wird dort eben nicht mit jungen Männern oder jungen Frauen geworben, die gewisse Makel an ihren Bodys wie schmächtige Arme oder leichte Pölsterlein zeigen, sondern genau mit den gestählten, trainierten, mit den definierten und ausgearbeiteten, mit den muskulösen, fitten, kraftstrotzenden Körpern, vor denen die Zuhausebleiber so Angst haben.

Vielleicht sollte man hier mal ansetzen und eventuell auch mal Pölsterlein, Dünnarme, möglicherweise sogar Ü50er und Grauhaarige auf den Plakaten und Flyern, auf den Internetseiten zeigen.
Um zu sagen: «Alle willkommen.»
















Ich stosse in einer Wurfzeitung auf einen interessanten Artikel. Jugendliche zwischen 14 und 18, so wird dort berichtet, würden häufig trotz absolutem Badewetter die Frei- und Gartenbäder meiden und lieber draussen bleiben, weil sie keinen idealen Körper hätten. Dies beträfe neuerdings junge Männer genauso häufig wie junge Frauen. Nun folgt eine Sammlung von Statements diverser Psychologinnen und Psychologen, die für die verschiedensten Jugendberatungsorganisationen arbeiten. Die meisten sind so schlecht formuliert wie sie falsch sind. Ich zitiere hier nur eines:

Beatrix Wagner, Beraterin bei der Jugendhotline 147 von Pro Juventute, erinnert junge Männer daran, dass viele Bilder auf Instagram bearbeitet sind. Im echten Leben sei nicht alles perfekt. «Wir versuchen den Jugendlichen, die Probleme mit ihrem Körper haben, aufzuzeigen, dass man sich auch so wohl fühlen kann. Geht einfach baden!»

Ich weiss nicht, ob die gute Frau Wagner den Doppelsinn ihres letzten Satzes bemerkt hat. Mit der Prämisse, die Bi- und Trizeps, die Sixpacks und Waden seien alle gephotoshoppt, geht man nämlich wirklich baden. Ich bin jeden Tag in der Badi und die Adonisse, die da rumlaufen, sind nicht elektronisch verändert, die sind echt. Es ist also totaler Schwachsinn, einem Sechzehnjährigen einzureden, dass er im Gartenbad nicht die perfekten Körper antrifft, die er im Internet gesehen hat. Schon in der Umkleide und in der Dusche wird er eines Besseren belehrt werden und seine Stimmung wird baden gehen, bevor er baden geht.
Aber auch der Satz davor ist ein Widerspruch in sich. Man kann sich nicht «auch so» einfach wohlfühlen, wenn man Körperprobleme hat.

Aber gehen wir die Sache doch einmal von einer anderen Richtung an. Die Badesaison ist die einzige Zeit im Jahr, in denen Jugendliche und junge Erwachsene, die extrem Zeit und auch extrem viel Geld in ihren Körper investiert haben, selbigen nun endlich auch einmal präsentieren können. Wo anders als im Frei- oder Gartenbad, wo anders als am See oder am Meer, am Fluss oder im Park kann ich meine Arme (35 Minuten pro Tag trainiert), meine Beine (25 Minuten) und vor allem mein Waschbrett (50 Minuten) nun endlich allen einmal live zeigen. Diese armen Schweine werden doch wahnsinnig, weil man ihnen ständig vorwirft, ihre Internetbilder seien alle manipuliert. Nun können sie, wenn wir so einen heissen Sommer wie dieses Jahr haben, endlich posten: Kommt ins Gartenbad Häggeli, da stehe ich jeden Tag 17.00-19.00 am Pool und ihr könnt kontrollieren: Alles echt.

Den Rest vom Jahr haben doch die Fitnessleute echt schlechte Karten. Eigentlich will man sich ja ständig irgendwie zeigen, aber wo kann man das denn, ohne gegen die guten Sitten zu verstossen? Natürlich zeigt man sich in der Power-Gym®, im Fun-Studio® oder im Speed&Muscles®, aber das ist natürlich nur der halbe Spass, weil die Leute, die in der Power-Gym®, im Fun-Studio® oder im Speed&Muscles® herumturnen (im wahrsten Sinne des Wortes, s.v.i.v.) eben die gleichen Körper haben und somit nicht besonders beeindruckbar sind. Viel mehr Spass würde es doch machen, im Tram sich einfach das T-Shirt vom Leid zu reissen und darauf zu lauern, bis die ersten neidischen Blicke auf dem in harter Arbeit gestylten Sixpack landen. Viel mehr Spass würde es doch machen, im Kino oder im Theater die Hosen runter zu lassen und den erst schockierten, dann amüsierten, aber später völlig beeindruckten Besuchern seine CK-Unterhose zu zeigen, die einen perfekten Hintern verhüllt. Und die Dresscodes! Die einzige Möglichkeit für einen trainierten Bankbeamten, seine Bi- und Trizepse zu präsentieren ist doch, enge Hemden und enge Jacketts zu tragen, die Bitte an den Chef, endlich Muskelshirts und Tanktops am Schalter zu gestatten, verhallt stets ungehört.

So bleibt den Fitnessjüngern doch nur das Warten auf den Frühsommer, wenn endlich die Badis öffnen, hier kann man sich schon beim Anstehen an der Kasse das Shirt vom Körper friemeln und die Blicke auf dem Waschbrett einfangen, hier kann man seinen Po präsentieren und hier kann man die Muskeln spielen lassen. Was man natürlich sein lässt, ist ausgiebiges Schwimmen, da verdeckt das blöde H2O ja die ganze winterliche Arbeit, viel besser sind Springen und Ballspiele.

Eine ganz andere Frage ist nun aber, was die Badis selber dazu tun könnten, dass sich alle jungen Frauen, aber auch alle jungen Männer bei ihnen wohlfühlen. Schaut man nämlich auf die Flyer und Plakate, schaut man auf die Websites der Frei- und Gartenbäder, der Fluss- und Seebadis, dann wird dort eben nicht mit jungen Männern oder jungen Frauen geworben, die gewisse Makel an ihren Bodys wie schmächtige Arme oder leichte Pölsterlein zeigen, sondern genau mit den gestählten, trainierten, mit den definierten und ausgearbeiteten, mit den muskulösen, fitten, kraftstrotzenden Körpern, vor denen die Zuhausebleiber so Angst haben.

Vielleicht sollte man hier mal ansetzen und eventuell auch mal Pölsterlein, Dünnarme, möglicherweise sogar Ü50er und Grauhaarige auf den Plakaten und Flyern, auf den Internetseiten zeigen.
Um zu sagen: «Alle willkommen.»














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