Ich stosse
in einer Wurfzeitung auf einen interessanten Artikel. Jugendliche zwischen 14
und 18, so wird dort berichtet, würden häufig trotz absolutem Badewetter die
Frei- und Gartenbäder meiden und lieber draussen bleiben, weil sie keinen
idealen Körper hätten. Dies beträfe neuerdings junge Männer genauso häufig wie
junge Frauen. Nun folgt eine Sammlung von Statements diverser Psychologinnen
und Psychologen, die für die verschiedensten Jugendberatungsorganisationen
arbeiten. Die meisten sind so schlecht formuliert wie sie falsch sind. Ich
zitiere hier nur eines:
Beatrix Wagner, Beraterin bei der
Jugendhotline 147 von Pro Juventute, erinnert junge Männer daran, dass viele
Bilder auf Instagram bearbeitet sind. Im echten Leben sei nicht alles perfekt.
«Wir versuchen den Jugendlichen, die Probleme mit ihrem Körper haben,
aufzuzeigen, dass man sich auch so wohl fühlen kann. Geht einfach baden!»
Ich weiss
nicht, ob die gute Frau Wagner den Doppelsinn ihres letzten Satzes bemerkt hat.
Mit der Prämisse, die Bi- und Trizeps, die Sixpacks und Waden seien alle
gephotoshoppt, geht man nämlich wirklich baden. Ich bin jeden Tag in der Badi
und die Adonisse, die da rumlaufen, sind nicht elektronisch verändert, die sind
echt. Es ist also totaler Schwachsinn, einem Sechzehnjährigen einzureden, dass
er im Gartenbad nicht die perfekten Körper antrifft, die er im Internet gesehen
hat. Schon in der Umkleide und in der Dusche wird er eines Besseren belehrt
werden und seine Stimmung wird baden gehen, bevor er baden geht.
Aber auch
der Satz davor ist ein Widerspruch in sich. Man kann sich nicht «auch so»
einfach wohlfühlen, wenn man Körperprobleme hat.
Aber gehen
wir die Sache doch einmal von einer anderen Richtung an. Die Badesaison ist die
einzige Zeit im Jahr, in denen Jugendliche und junge Erwachsene, die extrem
Zeit und auch extrem viel Geld in ihren Körper investiert haben, selbigen nun
endlich auch einmal präsentieren können. Wo anders als im Frei- oder Gartenbad,
wo anders als am See oder am Meer, am Fluss oder im Park kann ich meine Arme
(35 Minuten pro Tag trainiert), meine Beine (25 Minuten) und vor allem mein
Waschbrett (50 Minuten) nun endlich allen einmal live zeigen. Diese armen
Schweine werden doch wahnsinnig, weil man ihnen ständig vorwirft, ihre
Internetbilder seien alle manipuliert. Nun können sie, wenn wir so einen
heissen Sommer wie dieses Jahr haben, endlich posten: Kommt ins Gartenbad
Häggeli, da stehe ich jeden Tag 17.00-19.00 am Pool und ihr könnt
kontrollieren: Alles echt.
Den Rest vom
Jahr haben doch die Fitnessleute echt schlechte Karten. Eigentlich will man
sich ja ständig irgendwie zeigen, aber wo kann man das denn, ohne gegen die
guten Sitten zu verstossen? Natürlich zeigt man sich in der Power-Gym®, im
Fun-Studio® oder im Speed&Muscles®, aber das ist natürlich nur der halbe
Spass, weil die Leute, die in der Power-Gym®, im Fun-Studio® oder im
Speed&Muscles® herumturnen (im wahrsten Sinne des Wortes, s.v.i.v.) eben
die gleichen Körper haben und somit nicht besonders beeindruckbar sind. Viel
mehr Spass würde es doch machen, im Tram sich einfach das T-Shirt vom Leid zu
reissen und darauf zu lauern, bis die ersten neidischen Blicke auf dem in
harter Arbeit gestylten Sixpack landen. Viel mehr Spass würde es doch machen,
im Kino oder im Theater die Hosen runter zu lassen und den erst schockierten,
dann amüsierten, aber später völlig beeindruckten Besuchern seine CK-Unterhose
zu zeigen, die einen perfekten Hintern verhüllt. Und die Dresscodes! Die
einzige Möglichkeit für einen trainierten Bankbeamten, seine Bi- und Trizepse
zu präsentieren ist doch, enge Hemden und enge Jacketts zu tragen, die Bitte an
den Chef, endlich Muskelshirts und Tanktops am Schalter zu gestatten, verhallt
stets ungehört.
So bleibt
den Fitnessjüngern doch nur das Warten auf den Frühsommer, wenn endlich die
Badis öffnen, hier kann man sich schon beim Anstehen an der Kasse das Shirt vom
Körper friemeln und die Blicke auf dem Waschbrett einfangen, hier kann man
seinen Po präsentieren und hier kann man die Muskeln spielen lassen. Was man natürlich
sein lässt, ist ausgiebiges Schwimmen, da verdeckt das blöde H2O ja die ganze
winterliche Arbeit, viel besser sind Springen und Ballspiele.
Eine ganz
andere Frage ist nun aber, was die Badis selber dazu tun könnten, dass sich
alle jungen Frauen, aber auch alle jungen Männer bei ihnen wohlfühlen. Schaut
man nämlich auf die Flyer und Plakate, schaut man auf die Websites der Frei-
und Gartenbäder, der Fluss- und Seebadis, dann wird dort eben nicht mit jungen
Männern oder jungen Frauen geworben, die gewisse Makel an ihren Bodys wie
schmächtige Arme oder leichte Pölsterlein zeigen, sondern genau mit den
gestählten, trainierten, mit den definierten und ausgearbeiteten, mit den
muskulösen, fitten, kraftstrotzenden Körpern, vor denen die Zuhausebleiber so Angst
haben.
Vielleicht
sollte man hier mal ansetzen und eventuell auch mal Pölsterlein, Dünnarme,
möglicherweise sogar Ü50er und Grauhaarige auf den Plakaten und Flyern, auf den
Internetseiten zeigen.
Um zu sagen:
«Alle willkommen.»
Ich stosse
in einer Wurfzeitung auf einen interessanten Artikel. Jugendliche zwischen 14
und 18, so wird dort berichtet, würden häufig trotz absolutem Badewetter die
Frei- und Gartenbäder meiden und lieber draussen bleiben, weil sie keinen
idealen Körper hätten. Dies beträfe neuerdings junge Männer genauso häufig wie
junge Frauen. Nun folgt eine Sammlung von Statements diverser Psychologinnen
und Psychologen, die für die verschiedensten Jugendberatungsorganisationen
arbeiten. Die meisten sind so schlecht formuliert wie sie falsch sind. Ich
zitiere hier nur eines:
Beatrix Wagner, Beraterin bei der
Jugendhotline 147 von Pro Juventute, erinnert junge Männer daran, dass viele
Bilder auf Instagram bearbeitet sind. Im echten Leben sei nicht alles perfekt.
«Wir versuchen den Jugendlichen, die Probleme mit ihrem Körper haben,
aufzuzeigen, dass man sich auch so wohl fühlen kann. Geht einfach baden!»
Ich weiss
nicht, ob die gute Frau Wagner den Doppelsinn ihres letzten Satzes bemerkt hat.
Mit der Prämisse, die Bi- und Trizeps, die Sixpacks und Waden seien alle
gephotoshoppt, geht man nämlich wirklich baden. Ich bin jeden Tag in der Badi
und die Adonisse, die da rumlaufen, sind nicht elektronisch verändert, die sind
echt. Es ist also totaler Schwachsinn, einem Sechzehnjährigen einzureden, dass
er im Gartenbad nicht die perfekten Körper antrifft, die er im Internet gesehen
hat. Schon in der Umkleide und in der Dusche wird er eines Besseren belehrt
werden und seine Stimmung wird baden gehen, bevor er baden geht.
Aber auch
der Satz davor ist ein Widerspruch in sich. Man kann sich nicht «auch so»
einfach wohlfühlen, wenn man Körperprobleme hat.
Aber gehen
wir die Sache doch einmal von einer anderen Richtung an. Die Badesaison ist die
einzige Zeit im Jahr, in denen Jugendliche und junge Erwachsene, die extrem
Zeit und auch extrem viel Geld in ihren Körper investiert haben, selbigen nun
endlich auch einmal präsentieren können. Wo anders als im Frei- oder Gartenbad,
wo anders als am See oder am Meer, am Fluss oder im Park kann ich meine Arme
(35 Minuten pro Tag trainiert), meine Beine (25 Minuten) und vor allem mein
Waschbrett (50 Minuten) nun endlich allen einmal live zeigen. Diese armen
Schweine werden doch wahnsinnig, weil man ihnen ständig vorwirft, ihre
Internetbilder seien alle manipuliert. Nun können sie, wenn wir so einen
heissen Sommer wie dieses Jahr haben, endlich posten: Kommt ins Gartenbad
Häggeli, da stehe ich jeden Tag 17.00-19.00 am Pool und ihr könnt
kontrollieren: Alles echt.
Den Rest vom
Jahr haben doch die Fitnessleute echt schlechte Karten. Eigentlich will man
sich ja ständig irgendwie zeigen, aber wo kann man das denn, ohne gegen die
guten Sitten zu verstossen? Natürlich zeigt man sich in der Power-Gym®, im
Fun-Studio® oder im Speed&Muscles®, aber das ist natürlich nur der halbe
Spass, weil die Leute, die in der Power-Gym®, im Fun-Studio® oder im
Speed&Muscles® herumturnen (im wahrsten Sinne des Wortes, s.v.i.v.) eben
die gleichen Körper haben und somit nicht besonders beeindruckbar sind. Viel
mehr Spass würde es doch machen, im Tram sich einfach das T-Shirt vom Leid zu
reissen und darauf zu lauern, bis die ersten neidischen Blicke auf dem in
harter Arbeit gestylten Sixpack landen. Viel mehr Spass würde es doch machen,
im Kino oder im Theater die Hosen runter zu lassen und den erst schockierten,
dann amüsierten, aber später völlig beeindruckten Besuchern seine CK-Unterhose
zu zeigen, die einen perfekten Hintern verhüllt. Und die Dresscodes! Die
einzige Möglichkeit für einen trainierten Bankbeamten, seine Bi- und Trizepse
zu präsentieren ist doch, enge Hemden und enge Jacketts zu tragen, die Bitte an
den Chef, endlich Muskelshirts und Tanktops am Schalter zu gestatten, verhallt
stets ungehört.
So bleibt
den Fitnessjüngern doch nur das Warten auf den Frühsommer, wenn endlich die
Badis öffnen, hier kann man sich schon beim Anstehen an der Kasse das Shirt vom
Körper friemeln und die Blicke auf dem Waschbrett einfangen, hier kann man
seinen Po präsentieren und hier kann man die Muskeln spielen lassen. Was man natürlich
sein lässt, ist ausgiebiges Schwimmen, da verdeckt das blöde H2O ja die ganze
winterliche Arbeit, viel besser sind Springen und Ballspiele.
Eine ganz
andere Frage ist nun aber, was die Badis selber dazu tun könnten, dass sich
alle jungen Frauen, aber auch alle jungen Männer bei ihnen wohlfühlen. Schaut
man nämlich auf die Flyer und Plakate, schaut man auf die Websites der Frei-
und Gartenbäder, der Fluss- und Seebadis, dann wird dort eben nicht mit jungen
Männern oder jungen Frauen geworben, die gewisse Makel an ihren Bodys wie
schmächtige Arme oder leichte Pölsterlein zeigen, sondern genau mit den
gestählten, trainierten, mit den definierten und ausgearbeiteten, mit den
muskulösen, fitten, kraftstrotzenden Körpern, vor denen die Zuhausebleiber so Angst
haben.
Vielleicht
sollte man hier mal ansetzen und eventuell auch mal Pölsterlein, Dünnarme,
möglicherweise sogar Ü50er und Grauhaarige auf den Plakaten und Flyern, auf den
Internetseiten zeigen.
Um zu sagen:
«Alle willkommen.»
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