Im
Kunstmuseum Bielefeld stosse ich auf folgendes Bild:
Pascal Fumelier (1813-1876)
Der Maler Maurice Delavant bei der Arbeit in
seinem Atelier
Öl auf Leinwand, 1845
Jetzt kommen
Sie mir bitte nicht mit dem Bielefeld-Mist, ich will jetzt über das Bild reden.
Das ist nämlich witzig: Ein Maler lässt sich von einem anderen Maler malen.
Witzig, aber doch auch verständlich, denn wenn er sich selber malen wollte,
müsste er einen Spiegel aufstellen, auch diese Bilder gibt es natürlich, aber
der Spiegel verfälscht immer; er hätte sich auch fotografieren lassen können,
wenn diese Technik schon erfunden gewesen wäre, war sie aber nicht.
Wahrscheinlich müssen sich der malermalende Maler und der zu malende Maler
irgendwie im Stil einig sein, denn wer will schon ein Portrait von sich, das er
selber völlig anders gemacht hätte, sonst könnte es Dialoge wie diesen geben:
Maler X: Meine Nase sieht aus wie eine
Säufernase.
Maler Y: Du hast eine Säufernase.
Maler X: Und mein Atelier sieht aus wie ein
dunkles Kellerloch.
Maler Y: Dein Atelier ist ein dunkles
Kellerloch.
Maler X: Du könntest aber doch…
Maler Y: Ich bin dem Neorealismus
verpflichtet.
Maler X: Scheiss-Neorealismus, das nächste
Mal lass ich mich wieder von Z malen.
Absurder ist
aber nun jenes Foto, auf das ich im Internet stosse:
Papparazzi lauern Instagram-Queen beim
Selfiemachen auf.
Im
Mittelpunkt des Fotos sitzt die Instagram-Queen auf einer Strandliege, irgendwo
an einer Sonnenküste, Saint-Tropez oder Miami oder Malibu oder Malediven oder
sonst wo, sie hat fast ein kleines Fotostudio vor sich aufgebaut und grinst in
die Linse, sie trägt einen superknappen Bikini in supergrellen Farben, der
ihren supergestylten Body und ihre supergepflegte Haut supergut zur Geltung
bringt. Da sie Instagram-Queen ist, ist das alles natürlich kein Vergnügen,
sondern harte Arbeit. Seit drei Tagen haben ihre 56299356 Follower nichts
gesehen und sie lauern auf die Selfies aus Saint-Tropez oder Miami oder Malibu
oder Malediven oder sonstwo wie die ausgehungerten Löwen auf die Gazelle oder
die wilden Wölfe auf das Reh.
Abgesehen,
dass der ganze Selfiekram natürlich eh Mist ist, nie kriegst du dich so hin,
wie die 56299356 Follower es sehen wollen, dein supergestylter Body sieht dann
eben nur halbsupergestylt aus und deine supergepflegte Haut eben nur
halbsupergepflegt, und dann hilfst du mit Fotosoftware nach, aber wehe, wenn
sie die Gefollowschaft es herausfindet! (Die Kardashian hat auf einen Schlag
10000 Follower verloren, als ein Foto von ihrem – sit venia verbo – Arsch kursierte,
auf dem man Dellen sah; denken Sie mal drüber nach, was das über unsere
Gesellschaft aussagt.)
Aber ich
wollte sagen: Abgesehen, dass das ganze Selfiezeug Mist ist, stellt sich doch
die Frage: Wenn hier Profifotografen – und Papparazzi sind Profis, da beisst
keine Maus keinen Faden ab – eh schon auf der Lauer liegen, warum fragt man
dann nicht gleich diese? Wenn hier eine Frau beim Fotografieren fotografiert
wird, warum kann man sie nicht direkt fotografieren? Die Instagram-Queen könnte
doch einfach rufen: «Hallo Leute, wenn ihr eh schon da seid, macht doch mal ein
paar schöne Bilder von meinem superknappen Bikini in supergrellen Farben, der
meinen supergestylten Body und meine supergepflegte Haut supergut zur Geltung
bringt, und dann bitte fotoshoppen und wenn der ganze Schwindel auffliegt wie
bei der Arsch-Kardashian dann habt natürlich ihr Schuld und
nicht ich.
Nun hat aber
irgendein Fotojournalist dieses Bild auch geschossen, so, und jetzt dreht sich
mein Hirn vollständig. Ist der Macher dieses Fotos ein Guter, der hier
dokumentiert, wie anständige Instagram-Queens bei der Arbeit gestört werden,
oder ist er nicht auch ein Böser? Denn er fotografiert ja die Beautykönigin
auch, er müsste doch, ginge es nur um den Papparazzismus, nur die Papparazzi abbilden,
aber selbst dann: Ist einer, der Papparazzi fotografiert, nicht auch ein
Papparazzo? Oder hat er diese um Erlaubnis gebeten? Und vielleicht wurde der
Macher des Bildes auch wieder selber fotografiert und wir bekommen irgendwann
eine Endlosreihe, ähnlich dem Matterlied, wo er im Coiffeursalon sitzt und sich
endlos in den Spiegeln spiegelt:
Fotograf fotografiert einen Fotografen, der
einen Fotografen, der einen Fotografen…
Ich habe
Kopfschmerzen.
Vielleicht
sollte man sich nur noch auf Naturfotografie verlegen.
Obwohl:
Angeblich hat ein Naturfotograf neulich einen Hasen abgelichtet, welcher empört
die Löschung des Fotos verlangte, er habe selber einen Instagram-Account und
dulde keine anderen Bilder.
Aber ist das
postfaktisch, vor allem, weil es im Bielefelder Wald geschehen sein soll.
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