Freitag, 16. Juni 2017

Ein Papparazzo, der Papparazzi fotografiert



Im Kunstmuseum Bielefeld stosse ich auf folgendes Bild:

Pascal Fumelier (1813-1876)
Der Maler Maurice Delavant bei der Arbeit in seinem Atelier
Öl auf Leinwand, 1845

Jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit dem Bielefeld-Mist, ich will jetzt über das Bild reden. Das ist nämlich witzig: Ein Maler lässt sich von einem anderen Maler malen. Witzig, aber doch auch verständlich, denn wenn er sich selber malen wollte, müsste er einen Spiegel aufstellen, auch diese Bilder gibt es natürlich, aber der Spiegel verfälscht immer; er hätte sich auch fotografieren lassen können, wenn diese Technik schon erfunden gewesen wäre, war sie aber nicht. Wahrscheinlich müssen sich der malermalende Maler und der zu malende Maler irgendwie im Stil einig sein, denn wer will schon ein Portrait von sich, das er selber völlig anders gemacht hätte, sonst könnte es Dialoge wie diesen geben:

Maler X:              Meine Nase sieht aus wie eine Säufernase.
Maler Y:               Du hast eine Säufernase.
Maler X:              Und mein Atelier sieht aus wie ein dunkles Kellerloch.
Maler Y:               Dein Atelier ist ein dunkles Kellerloch.
Maler X:              Du könntest aber doch…
Maler Y:               Ich bin dem Neorealismus verpflichtet.
Maler X:              Scheiss-Neorealismus, das nächste Mal lass ich mich wieder von Z malen.

Absurder ist aber nun jenes Foto, auf das ich im Internet stosse:

Papparazzi lauern Instagram-Queen beim Selfiemachen auf.

Im Mittelpunkt des Fotos sitzt die Instagram-Queen auf einer Strandliege, irgendwo an einer Sonnenküste, Saint-Tropez oder Miami oder Malibu oder Malediven oder sonst wo, sie hat fast ein kleines Fotostudio vor sich aufgebaut und grinst in die Linse, sie trägt einen superknappen Bikini in supergrellen Farben, der ihren supergestylten Body und ihre supergepflegte Haut supergut zur Geltung bringt. Da sie Instagram-Queen ist, ist das alles natürlich kein Vergnügen, sondern harte Arbeit. Seit drei Tagen haben ihre 56299356 Follower nichts gesehen und sie lauern auf die Selfies aus Saint-Tropez oder Miami oder Malibu oder Malediven oder sonstwo wie die ausgehungerten Löwen auf die Gazelle oder die wilden Wölfe auf das Reh.
Abgesehen, dass der ganze Selfiekram natürlich eh Mist ist, nie kriegst du dich so hin, wie die 56299356 Follower es sehen wollen, dein supergestylter Body sieht dann eben nur halbsupergestylt aus und deine supergepflegte Haut eben nur halbsupergepflegt, und dann hilfst du mit Fotosoftware nach, aber wehe, wenn sie die Gefollowschaft es herausfindet! (Die Kardashian hat auf einen Schlag 10000 Follower verloren, als ein Foto von ihrem – sit venia verbo – Arsch kursierte, auf dem man Dellen sah; denken Sie mal drüber nach, was das über unsere Gesellschaft aussagt.)
Aber ich wollte sagen: Abgesehen, dass das ganze Selfiezeug Mist ist, stellt sich doch die Frage: Wenn hier Profifotografen – und Papparazzi sind Profis, da beisst keine Maus keinen Faden ab – eh schon auf der Lauer liegen, warum fragt man dann nicht gleich diese? Wenn hier eine Frau beim Fotografieren fotografiert wird, warum kann man sie nicht direkt fotografieren? Die Instagram-Queen könnte doch einfach rufen: «Hallo Leute, wenn ihr eh schon da seid, macht doch mal ein paar schöne Bilder von meinem superknappen Bikini in supergrellen Farben, der meinen supergestylten Body und meine supergepflegte Haut supergut zur Geltung bringt, und dann bitte fotoshoppen und wenn der ganze Schwindel auffliegt wie bei der Arsch-Kardashian dann habt natürlich ihr Schuld und
nicht ich.

Nun hat aber irgendein Fotojournalist dieses Bild auch geschossen, so, und jetzt dreht sich mein Hirn vollständig. Ist der Macher dieses Fotos ein Guter, der hier dokumentiert, wie anständige Instagram-Queens bei der Arbeit gestört werden, oder ist er nicht auch ein Böser? Denn er fotografiert ja die Beautykönigin auch, er müsste doch, ginge es nur um den Papparazzismus, nur die Papparazzi abbilden, aber selbst dann: Ist einer, der Papparazzi fotografiert, nicht auch ein Papparazzo? Oder hat er diese um Erlaubnis gebeten? Und vielleicht wurde der Macher des Bildes auch wieder selber fotografiert und wir bekommen irgendwann eine Endlosreihe, ähnlich dem Matterlied, wo er im Coiffeursalon sitzt und sich endlos in den Spiegeln spiegelt:

Fotograf fotografiert einen Fotografen, der einen Fotografen, der einen Fotografen…

Ich habe Kopfschmerzen.

Vielleicht sollte man sich nur noch auf Naturfotografie verlegen.
Obwohl: Angeblich hat ein Naturfotograf neulich einen Hasen abgelichtet, welcher empört die Löschung des Fotos verlangte, er habe selber einen Instagram-Account und dulde keine anderen Bilder.
Aber ist das postfaktisch, vor allem, weil es im Bielefelder Wald geschehen sein soll.    











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