Freitag, 29. Januar 2016

Der überforderte Schüler



Max ist am Anschlag. Max ist überfordert. Max geht in die 9. Klasse und weiss nicht mehr, wo ihm der Kopf steht.

Lernen. Lernen. Lernen.
Durch den Tag. Durch die Nacht. Durch den Tag.
Lernen. Lernen. Lernen.

Nehmen wir mal den letzten Sonntag. Der Sonntag sollte ja eigentlich ein Tag der Musse, der Erholung und Entspannung sein, aber nix da.
Frühmorgens, um 14.00 (man stelle sich das mal vor) riss ihn die Mutter aus dem Schlaf und aus dem Bett und stellte die Frage, die den ganzen Tag schon wieder versaute: „Habt ihr nicht Tests morgen?“ Und da Max jetzt nicht lügen konnte, immerhin WAREN da drei Tests, musste er notgedrungen mitten in der Nacht aufstehen. Nach Duschen, Anziehen, Frühstücken war es 15.00 und er musste sich notgedrungen an den Schreibtisch setzen. Er gamte ein wenig zur Entspannung, zum Warmwerden, nur ein paar Minütchen, bis die schon etwas gereizte Mutter um 16.30 die Türe aufriss und „Lernen!“ hineinrief.

Lernen. Lernen. Lernen.
Durch den Tag. Durch die Nacht. Durch den Tag.
Lernen. Lernen. Lernen.

Also ging Max jetzt wirklich an die Arbeit und besah sich seine Agenda:
Montag, 25.1.
Erste Stunde Mathetest
Dritte Stunde Musiktest
Sechste Stunde Englischtest

So weit, so gut. Wo aber waren die Lernziele? Der Musiklehrer war up to date und hatte sie per E-Mail geschickt: Du kannst Töne mit Vorzeichen im Violin- und Bassschlüssel schreiben und bestimmen.
OK. Aber Mathe und Englisch? Max dämmerte, dass sie irgendwie an der Tafel gestanden hatten, dass die Lehrer sogar erlaubt hatten, sie einfach abzufotografieren, nur hatte sein Handy keinen Akku mehr gehabt. Also muss er jetzt seine Kollegen kontaktieren, das geht schnell über WhatsApp, nur das man da noch ein wenig anderes austauscht, aber um 17.15 hat er die Lernziele:
Mathe: Binomische Formeln
Englisch: Present Perfect

Also alles fast easy, das Mathezeug kann er, a plus b im Quadrat gibt a im Quadrat plus 2AB, plus B im Quadrat, mit hoch drei wird das ein wenig länger, aber easy, ganz easy. Musik ist blöd, da muss er sich zum 500. Mal einprägen, wo die Töne liegen, dass ein F mit Häschtägg ein Fis ist logisch, aber wo liegt denn nun dieses verdammte F, und wo das f‘‘? Der Musiklehrer sagt ihm nach jedem Test, dass genau dies nun nicht mehr vergessen sollte, aber er vergisst es stets und lernt es für jeden Test neu.
Englisch wiederum ist chillig: I have choosed, Have I choosed, I haven’t choosed.

Beim Abendessen um 19.00 verkündet Max seinen Plan: Eine Stunde Musik, Tonnamen pauken, noch drei Gleichung mit den Binomischen und dann gamen. Denn Englisch ist ja locker, I have writed, Have I writed…
Written, Written, unterbricht ihn die Mutter, genauso wie es auch chosen heist.
Und nun kippt die Sache ins Katastrophale.
Denn:
ES GIBT UNREGELMÄSSIGE!!!!!!!
Man hätte noch 30 Stammformen lernen sollen, und zwar kontinuierlich.

Um 0.30 geht ein vor Erschöpfung zitternder, bleicher Max ins Bett, ein Max, den die Mutter noch sechs Mal abgefragt hat, die Töne, CDEFGHAcdefgahc’d’e’f’g’a’h’c‘‘d‘‘e‘‘f‘‘g‘‘a‘‘h‘‘c‘‘‘ gleich dazu. Am nächsten Morgen steht ein übermüdeter und überforderter Max auf.

Lernen. Lernen. Lernen.

„Wir laufen Gefahr, dass Kinder unter dem Leistungsdruck und den Erwartungen zusammenbrechen“, warnt Schulrechtsexperte Peter Hofmann. Er spricht die Anzahl Lektionen und die vielen Tests an, er fordert weniger Hausaufgaben und prüfungsfreie Montage. (20min vom 25.1.2016)

Hofmann hat sicher einen Zustimmer: Max.

Der aber, wenn er ehrlich wäre, zugäbe, dass gewisse Massnahmen seinerseits – wie im Unterricht aufpassen, nur bis 12.00 schlafen, Lernziele wissen, seinem Lehrer glauben, wenn der SAGT, das und das kommt wieder dran – auch nicht schlecht wären.

Dabei lassen wir nicht ausser Acht, dass auch die Schulen etwas machen könnten. (Muss man in Zeiten des schnellen Internets wirklich noch ALLE Hauptstädte der Welt und die Lebensdaten SÄMTLICHER Komponisten auswendig können?)

Lernen. Lernen. Lernen.
Durch den Tag. Durch die Nacht. Durch den Tag.
Lernen. Lernen. Lernen.
Und der Mut ist so müde geworden und der Stress so gross


2 Kommentare:

  1. Gleiches gilt auch fürs Studium. Immer lernen. Immer lernen. Nie um halb 5 Blogs lesen. Ganz klar: Gefahr, unter dem Leistungsdruck zusammenbrechen. Leben am Limit.

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    1. Der Kommentar macht natürlich nur halb so viel Spass, wenn die Zeitzone falsch ist *rolleyes*.

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