Freitag, 22. Januar 2016

Köln 4 (and last): Obergrenzen



Obergrenzen.
Wir lieben Obergrenzen.
Sie machen die Sache so eindeutig, klar geregelt, klar reglementiert, sie zeigen Struktur und Besonnenheit, sie zeigen Wissen und Recht.
Obergrenzen.
Wir haben Obergrenzen für die Menge von Sydolalkoholoid in Fruchtsaft, für die Menge von Hydrokalkulat in Pudding, wir haben Grenzwerte für Feinstaub und Ozon, wir haben Limits für Ausgaben und Kosten (man nennt das Budget), wir haben Obergrenzen für die Krümmung von Bananen und für die Verschrumpelung  von Rüben.
Obergrenzen.

Das einzige Problem bei Obergrenzen ist das folgende:
Sie werden manchmal erreicht.

Sie alle kennen das:
Da haben Sie sich vorgenommen, im Urlaub nur 50.- am Tag auszugeben, also nehmen Sie für 14 Tage auch nur 700.- in Bar mit. Damit kommen Sie gut durch, denn in Südmaledochien ist der Kaffee günstig, der Schnaps nicht teuer, und ein schmackhaftes Fischgericht schon für 13.- zu haben. Nun sind am letzten Tag genau 40.- übrig, das heisst, Sie können sich noch Kaffee und Schnaps leisten und zum Abendessen eine herrliche gegrillte Dorade verspeisen. Und dann… Dann sehen Sie in der Boutique in der Fussgängerzone die T-Shirts, die Sie schon immer wollten, X&U®, hauteng und körperbetont, der Schnitt, der Ihren Fitnesskörper so gut zur Geltung bringt, auch noch in allen Ihren Lieblingsfarben wie Mintrosa, Zuckergrün und Affenblau, dummerweise kostet eines 30.-. Und dann gehen Sie zum Automaten und heben von Ihrer weitüberzogenen Kreditkarte nochmal 200.- ab.

Sie alle kennen das:
Man hat eine Veranstaltung (ein Konzert, ein Theaterspiel, eine Lesung oder einen Vortrag) geplant und ist vom Hausmeister belehrt worden, dass die Feuerpolizei nur 150 Leute in den Saal lässt. Er selber, so er, sei tolerant und würde bis 170 gehen, dann aber sei Endegelände, dann stünde schon alles voller Stühle und weitere Stehplätze gingen nicht. Ja, und dann kommt zur Lesung, zum Vortrag oder zum Konzert als 171ste bis 184ste Person eine Gruppe, die extra aus XY zu Lesung oder Theater angereist ist, und die kann man ja nicht vor den Kopf stossen, und Sie flehen den Abwart an, und er drückt sämtliche Augen zu, und man betet, dass nichts passiert…

Ein schönes Beispiel gab einmal die Schulleitung der Sekundarschule A.:
Sehr geehrte Familie F.
Wir bestätigen, dass Ihre Tochter V. vom 15.-23.4. Urlaub bekommt. Wir müssen Sie aber darauf hinweisen, dass das für 4 Jahre zulässige Kontingent von FÜNF Jokertagen damit verbraucht, respektive überschritten ist.
Das schreit zum Himmel. 5 Tage zur freien Verfügung gibt es in vier Jahren, nicht mehr und nicht weniger, eigentlich, und jetzt weist man darauf hin, dass die abgezirkelte Summe eigentlich schon überschritten ist. (Das Beispiel ist echt!)

Obergrenzen.

Wir setzen also eine Obergrenze für Flüchtlinge fest und überlegen uns dann, wie wir mit ihr umgehen.

So.
Und jetzt hatte ich hier einen wunderschönen Passus mit vier Szenarien, einen herrlichen kleinen Text und jetzt macht mir der Ösi alles kaputt.
Denn seit vorgestern existiert eine Obergrenze. Eine schöne klare, exakte Zahl:

37 500
In Worten:
Siebenunddreissigtausendfünfhundert.

So viele dürfen noch rein ins Donauland, zu Walzer und Kaiserschmarrn, so viele dürfen noch an Inn und Drau, so viele dürfen noch nach Graz, Linz oder Kufstein.
37 500
Was für eine krumme Zahl. Fünfzigtausend wäre doch schöner gewesen, eine runde Zahl, da kann doch der Bundeskanzler an der Grenze stehen und mit einem Blumenstrauss und einem kleinen Geschenk (die A-Staatsbürgerschaft) den 50 000. Besucher begrüssen, das wäre doch fein. Niemand sagt doch: „Gratuliere, sie sind der 37 500. Gast.“

Was das jetzt alles für Probleme gibt, mit dem Österreichischen Alleingang, das wird sich zeigen. Gesund für Europa ist es sicher nicht, schliesslich gibt es eine Menge Routen durch diesen Kontinent, und was auch passieren könnte, wäre das, was wir immer haben, wenn es heisst: „NUR NOCH 10 STÜCK“, alle rennen los, denn vielleicht schafft man es ja noch.

Vielleicht wird die Donaurepublik schliesslich auch gezwungen, mit der Obergrenze so umzugehen wie Sie mit Ihrem Urlaubsbudget beim mintrosa T-Shirt-Kauf, oder wie der Abwart mit den Besuchern aus XY. Oder die Schulleitung mit den Jokertagen.

Man wird sehen.

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