Dienstag, 5. Januar 2016

Gutvorsatz II: Absurde Traditionen pflegen (oder erfinden???)

Jedes Jahr findet an den Stränden von Den Haag ein seltsamer Wettbewerb statt. Scheveningen und Duindorp, also der Noorderstrand und der Zuiderstrand, die die Hafenausfahrt teilt, konkurrieren um den grössten Holzstoss, der dann in der Neujahrsnacht, an Sylvester, am Oudejaarsavond lichterloh brennt. Ich konnte nun jedes Jahr das Erstellen dieser Vreugdevuren (Freudenfeuer) beobachten und miterleben, wie sie jedes Jahr höher und die Macher professioneller wurden. Diese Macher, das sind auf beiden Seiten die Jugendlichen der Haager Stadtteile, beide stets in schwarzen Jeans, Turnschuhen und schwarzen Kapuzenjacken unterwegs. Waren es 2013 noch die Kids selber, die Hunderte von Paletten auf einen Stapel hievten, sah man dieses Jahr drei Gabelstapler und vier Förderbänder und zwei Riesenflatscreens gaben die Sponsoren bekannt, denn eine solche Holzmenge, die Stapler, die Förderbänder, die Absperrung und der Polizeieinsatz, das alles will ja bezahlt sein. Schaute man von Kijkduin, also vom äussersten Süden die Beach hoch, sah man ausser der winzigen Pier nur noch die beiden Riesentürme. Das Haager Vreugdevuur wurde übrigens letztes Jahr zum Nationalen Kulturerbe erklärt, es geht auch wirklich auf alte Zeiten zurück.

Wer das jetzt liest, wird denken: Sind die Zuid-Hollander bescheuert? Haben sie nix anderes zu tun? Sind sie hobbylos? Gelangweilt?

Aber wahrscheinlich denkt ein Haager das Gleiche, wenn er hört, dass in der Schweiz der eine Volkssport darin besteht, den Gegner bei der Hose zu packen und auf den Boden zu werfen. Und der andere im Werfen von Steinen besteht, und zwar nicht auf Verbrecher, das macht ja noch Spass, sondern einfach so in die Gegend. Und dass eine ganze Stadt zu einer bestimmten Uhrzeit das Licht ausschaltet, damit man irgendwelche Laternen besser sieht, wie bescheuert ist das denn?

Jedes Land, jede Stadt, jede Uni und jede Schule, jede Nation und jedes Volk hat so seine Traditionen, die dem Aussenstehenden als totaler Schwachsinn vorkommen, eben weil es nicht SEINE Traditionen sind.

An der Fachhochschule Esslingen a.N. laufen die Absolventen als Abschlussritual in die Stadt hinein, ein Fuss auf dem Trottoir, ein Fuss auf dem Fahrdamm, der sogenannte Kandelmarsch.
Im nicht allzu sehr entfernten Markgröningen laufen junge Leute in Schäferkleidung über Stoppelfelder, mit – und das ist das Fiese dran – blossen Füssen, ohne Socken, ohne Schuhe.
Und ist es nicht seltsam, dass alle Amis, auf jeder Party, auf jedem Fest, all over the nation seit eh und je am 1.1. um 0.00 das gleiche Lied singen, Should all acquaintance be forgot…, als ob es nicht auch andere schöne Lieder gäbe?

Und das wäre doch jetzt mal ein guter Vorsatz für 2016:
Haben Sie alte, gute, aber eigentlich für andere bescheuert anmutende Familientraditionen? Oder eigene Traditionen? Oder haben Sie eine Idee, wie sie eine installieren könnten?
Lassen Sie alte Traditionen wiederaufleben!
Kreieren Sie neue!
(Das ist kein Widerspruch. Ab dem dritten Mal ist bei uns schon alles Tradition, denken Sie nur an Werbeplakate wie Das traditionelle Adventskonzert des Gemischten Chores, es hat 2013 zum ersten Mal stattgefunden.)

Wäre es nicht toll, wenn Sie sagen könnten: „In der Nacht vor meinem Geburtstag werfen wir immer rohe Eier an die Wand, soll Glück bringen.“
Wäre es nicht schön, wenn Sie verkünden: „An Pfingsten fahren wir immer nach Castrop-Rauxel und essen dort Currywurst.“
Wäre es nicht eine Superidee, immer am 1.5. Monopoly zu spielen, oder am 1.8. Schokoladenfondue zu machen, immer am 16.6. einen Guinness-Trink-Wettbewerb auszuloben oder an St.Martin alte Kleider zu zerschneiden, die man dann am ersten Verkaufoffensonntag im Advent durch neue Markenware ersetzt?

Wäre es nicht…

Seien wir kreativ, die Welt braucht Rituale und Traditionen, und je bescheuerter sie sind, umso besser.

Dieses hat übrigens angeblich Duindorp gewonnen. Die Noorderstrander erkennen das aber nicht an, weil die Zuiderstrander zu lange gebaut hätten.
Gut.
Der Internationale Gerichtshof im Vredespaleis ist ja nur um die Ecke…

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