Es war ein superprächtiger Sommer. Es war ein heisser,
tropischer Herbst. Und dann kam der Winter doch, wenn auch nur kurz und
schneereich, jetzt ist es ja wieder schon viel zu warm. Ja, und in dieser
kurzen Zeit des winterlichen, arktischen Klimas bemerkte man sie. Die, die
dachten, die vierte Jahreszeit kommt gar nicht mehr und man könne sie so
einfach ignorieren.
Die Winter-weg-Ignorierer.
(Wir nennen sie jetzt der Einfachheit halber Wiweig)
Kennen Sie den Unterschied zwischen einem Ignoranten und
einem Weg-Ignorierer?
Der Ignorant ist immun gegen jeden Einfluss, der ihm von
aussen daher kommt. Er hat Augen und Ohren verschlossen, er läuft mit
Scheuklappen durch die Welt und bekommt ausser dem, was BILD und RTL ihm
aufbereiten, nichts mit. Er kann ein *****-Menu in sich hineinmampfen, ohne
dass irgendwelche Geschmacksknospen angesprochen werden, er kann Mahler VIII
hören und es mit einem „nett“ kommentieren, er sieht nichts, er hört nichts, er
riecht und schmeckt nichts, er ist fünf Affen in einer Person.
Der Weg-Ignorierer/die Weg-Ignoriererin ignoriert speziell
und ausgesucht. Und er ignoriert fest und unbeirrt mit dem Ziel, das von ihm
oder ihr werde nach dem Ignorationsprozess auch nicht mehr da sein. Die BRD
ignorierte die Existenz eines zweiten Staates, die DDR tat es genauso, sehr
konservative Katholiken (und Protestanten!) ignorieren noch immer das
Vorhandensein einer anderen Konfession. Es gibt Leute, die auch die heftigsten
körperlichen Schmerzen wegignorieren wollen, da wird auch, wenn man das Gefühl hat, man werde mit scharfen Messern in den
Bauch gestossen, erst einmal gewartet, gewartet, das vergeht schon, man will ja
schliesslich kein Hypochonder sein.
Der Wiweig ignoriert also den Winter. Er lebt nach dem
Motto: „Wenn ich so tue, also ob Sommer ist, IST auch Sommer." Der Wiweig geht
nur mit T-Shirt und leichtem Sakko aus dem Haus, schon ein Halstuch um den von
Shirt und Jackett unbedeckten Hals empfände er oder sie als übertrieben. Nun
kann man sagen, das sei ja das ureigenste Problem des Wiweig selber, ist es
auch, solange er sich nicht erkältet, was ihm oder ihr aber wahrscheinlich
passieren wird. Da sitzt der oder die Wiweig dann neben einem im Tram oder im
Bus und hustet und schnieft, poltert und spritzt mit Bazillen nur so um sich
und steckt jeden an, der sich in die Nähe wagt.
Ist das schon schlimm genug, geht es erst richtig los, wenn
der Wiweig ein Auto besitzt.
Da es ja nicht Winter ist, da die kalte Jahreszeit ja nicht
gekommen ist, KANN der Belag auf dem Fahrzeug ja kein Eis oder Schnee sein, es
muss sich um Blütenstaub, Hautschuppen eines Alien oder Industrieabgase
handeln. Und weil es ja Pollen, Alienhaut oder anderes Zeug ist, wird das ja
beim Losfahren irgendwie abrutschen. Eiskratzen muss man nicht, denn dann wäre
ja Winter, was ja nicht sein kann – siehe oben.
Der Wiweig fährt also los, wartet auf das Wegrutschen des
Blütenstaubs, der Hautreste des Beteigeuzianers, der Abgasreste und fährt und
fährt…
Hunderte solcher „Iglufahrer“ hat die CH-Polizei in den
letzten Wochen angehalten, alle mit einem Guckloch in der Windschutzscheibe,
das die Grösse eines Brillenglases hatte. Und sämtliche mussten ausser einer
saftigen Busse den Führerschein abgeben, und das ist gut so, mir wird ganz
anders, wenn ich mir vorstelle, wie wenig der Mercedesfahrer, dem ich mich
gerade nähere, eigentlich sieht.
Der Wiweig fährt natürlich – natürlich! – stets zu schnell.
Da ja nicht Winter ist, die kalte Jahreszeit nicht gekommen, KANN es sich bei
der weissen Farbe auf den Strassen ja nicht um Reif oder Schnee oder sogar
Glatteis handeln, es handelt sich – ebenso wie bei dem komischen Zeug auf dem
Auto um Alienschuppen, Pollen, Kandiszucker oder Crack, also Substanzen die die
Haftung seiner Pneus eher verbessern. Er oder sie (wahrscheinlich doch eher er)
fährt also los, wie er immer fährt: 160 km/h auf der Autobahn, 80 km/h
Innerorts und 50 km/h in Dreissigerzonen. Und wundert sich dann ganz schnell,
dass er doch eher rutscht und gleitet als fährt. Wenn wir Glück haben, rutscht
oder gleitet er mit 160 km/h einfach auf einen Baum oder eine Mauer, wenn wir
Pech haben, kommt er uns entgegen, gleitend, rutschend und saust mit grosser
Treffsicherheit in uns rein.
Der oder die Nicht-Wiweig, der oder die
Winteranerkenner(in), wir nennen ihn oder sie Wianek, ist da klüger. Der/die
Wianek zieht sich warm genug an, kratzt das Auto frei und fährt langsam – oder
gleich Bahn. Hier stösst allerdings in Deutschland der/die Wianek auf die
allergrösste Wiweig, die DB. Das Bahnmanagement hat noch nie in Betracht
gezogen, dass man sich im Oktober vielleicht überlegen sollte, ob nicht bald
die kalte Jahreszeit kommt, und wenn die Frage auftauchte, hat man sie auf den
Frühling vertagt. Fällt dann im Dezember die erste Schneeflocke, muss es sich
ja um Alienhaut, Blütenstaub oder Puderzucker handeln, also Substanzen, die den
Bahnbetrieb nicht beeinträchtigen werden. So ist regelmässig beim ersten
Wintereinbruch das gesamte Schienennetz lahmgelegt, Weichen frieren ein,
Schienen werden unbrauchbar, und wenn der Zug doch fährt, hat er keine Heizung…
Es war ein superprächtiger Sommer. Es war ein heisser,
tropischer Herbst. Und dann kam der Winter doch, wenn auch nur kurz und
schneereich, jetzt ist es ja wieder schon viel zu warm.
Aber vielleicht kommt der Winter nun doch noch einmal
zurück.
Und da wären Winterreifen und ein Eisschaber keine schlechte
Anschaffung.
Und wenn der Winter nicht kommt: Mit dem Schaber kann man
sich auch den Rücken kratzen.
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