Es gibt kein Gesamtschweizer Wappentier. Es gibt den
Steinbock, den Stier und den Bär in einzelnen Kantonen (GR, UR, BE), es gibt
inoffizielle wie den phantastischen Vogel Gryff in Basel, es gibt auch noch
Gemeindetiere, aber ein Wappentier ALLER Eidgenossen gibt es nicht. Gäbe es
aber eines, dann wäre es sicher das Murmeltier. Und zwar nicht wegen der
Herzigkeit, der Goldigkeit, wegen des niedlichen Aussehens, sondern wegen des
Tunnelbaus.
Man könnte auch den Hamster, den Maulwurf oder den Fuchs
nehmen, irgendein Tier, das gräbt, wühlt und buddelt, das Baue und Tunnel und
Gräben und Schächte anlegt.
Denn das ist des Eidgenossen liebstes Hobby.
Der Schweizer kommt auf die Welt und fängt an zu graben, er
erblickt das Licht der Welt und wendet sich sofort dem Dunkel der Berge zu, er
spielt mit Schaufel und Bagger und seine ersten Worte sind nicht Mama oder Papa,
sondern Tunnel und Stollen.
Nun ist das einerseits verständlich, denn da stehen nun mal
die Alpen, und da KANN man halt so schön tunneln und wühlen, Stollen und
Schächte anlegen und sich mit Bagger und Bohrer austoben – ein Niederländer
kann das nicht, wo er gräbt kommt Wasser, wo er wühlt, wird es nass –
andererseits müsste man doch auch mal sagen: Gut ist.
Mit dem Fahrplanwechsel Winter 2016 wird der neue
Gotthardtunnel befahren (die Jungfernfahrt ist schon im Juni), mit dem man ohne
Steigung von Nord nach Süd kommt. Gut und schön, das spart Zeit und Energie,
man verpasst leider auch eine der schönsten Zugstrecken Europas, aber man will
ja SCHNELL von A nach B.
Aber es hat schon etwas Verrücktes, wenn man den Alpenstaat
durchfährt, ohne irgendwie in die Berge geraten zu sein. Obelix, der ja
bekanntlich die Überquerung der Genfer Alpen wegen seines Pflümlirausches
völlig verpennt, sagt am Ende von Asterix bei den Schweizern auf die Frage, wie den ebendiese so sei: „Flach.“ Und macht eine entsprechende Handbewegung.
Japaner, Chinesen und Thais werden vielleicht den gleichen Satz sprechen und
die gleiche Handbewegung machen. Man war zwar bei den Eidgenossen, reiste von
Zürich an den Lago di Lugano, aber waren da irgendwo Berge?
Bald stimmt das Volk über die zweite Tunnelröhre ab, und es
gibt gute Chancen für die Annahme. Ich will mich hier in die Diskussion gar
nicht einmischen, ich finde nur lustig, dass die Anhänger der NEIN-Parole mit
einem Murmeltier werben, dass einer LKW-Kolonne eben dieses NEIN zuschreit. Das
eigentliche CH-Wappentier freut sich nämlich über jeden Tunnel, jede Bohrung
und jeden Stollen, es zeigt ihm so schön, dass der Zürcher, der Basler, der
Berner und der Urner, sie allesamt auch nur etwas degenerierte Murmelis sind.
Aber weiter im Text: Kaum hat man den Haupt-Süd-Nord-Tunnel
in Betrieb, kommt die nächste Idee: Ein Mega-Tunnel zwischen ZH-Altstetten und
Rupperswil (AG), der die Fahrtzeit auf unter 45 Minuten drückt.
Leute, Leute, Leute, als intensiver Bahnfahrer, Bahnschläfer, als überzeugter Bahnleser, Bahnarbeiter und Bahnesser sage ich euch: Zu kurze Fahrtzeiten sind doch reiner Quatsch. 56 Minuten zwischen echter und heimlicher Hauptstadt sind ideal für ein Nickerchen, oder Arbeit am Laptop oder ein Risotto im Zugrestaurant oder 5 Kapitel meines Buches. 35 Minuten sind für alles zu kurz. „Langsam, SBB, langsam“, möchte man da wie weiland der Hauptmann im Woyzeck rufen, „was soll ich denn mit den zehn Minuten anfangen, die ihr zu früh da seid?“
Leute, Leute, Leute, als intensiver Bahnfahrer, Bahnschläfer, als überzeugter Bahnleser, Bahnarbeiter und Bahnesser sage ich euch: Zu kurze Fahrtzeiten sind doch reiner Quatsch. 56 Minuten zwischen echter und heimlicher Hauptstadt sind ideal für ein Nickerchen, oder Arbeit am Laptop oder ein Risotto im Zugrestaurant oder 5 Kapitel meines Buches. 35 Minuten sind für alles zu kurz. „Langsam, SBB, langsam“, möchte man da wie weiland der Hauptmann im Woyzeck rufen, „was soll ich denn mit den zehn Minuten anfangen, die ihr zu früh da seid?“
Und mit der Megatunnel-Diskussion – oder ist es eine
Mega-Tunneldiskussion? – kommt auch wieder SwissMetro ins Spiel, jene
Bieridee, die Eidgenossenschaft zu untertunneln und rohrpostartige Gefährte
durch ein Vakuum zu schicken, sie taucht für Personen und als CARGO-METRO als
Gütervariante auf, hier sind einige wildgewordene CEOs schon kräftig am planen.
Tja, der Eigenosse gräbt halt gerne, wenn’s grad keine Berge hat auch unter der
Erde, und hier müsste das gesamtschweizer Wappentier, das nicht Stier,
Steinbock, Gryff oder Bär ist, nun sicher der Hamster oder der Maulwurf sein.
Eine Variante mit Personen brächte einen entzückenden
Umstand: Das schönste Land der Erde wäre komplett zu durchfahren, ohne dass man etwas von ihm
sähe.
Die Japaner, Chinesen und Thais würden also nicht sagen:
„Flach.“, wenn sie nach der Schweiz gefragt würden, sie würden, getravelt
habend von Stuttgart nach Mailand, von Karlsruhe nach Genf, schlicht und
einfach fragen: „Welche Schweiz?“
Nein, Leute, wenn man schon Länder untertunneln muss, kann
man da nicht Staaten unterfahren, die wirklich nicht sehenswert sind? Zum
Beispiel könnte ich mir gut einen Kompletttunnel unter Niedersachsen vorstellen,
das würde niemand vermissen.
Es gibt kein gesamtschweizer Wappentier, aber wenn es eines
gäbe, wäre es der Maulwurf.
Oder der Hamster.
Oder das Murmeltier.
Auf jeden Fall, irgendein Tier, das gräbt, das buddelt und
wühlt.
Vielleicht steht dann in einem Geschichtsbuch von 2245 n.
Chr.:
Zu grössten
europäischen Katastrophe kam es 2198, als die von den 5000 Tunneln ausgehöhlten
Alpen in sich zusammenstürzten.
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