Dienstag, 23. Februar 2016

Kretschmann oder CDU? Seltsame Frage, nich?


«Wählst du Kretschmann oder die CDU?», fragt die ältere Dame in einem Freiburger Café ihre Freundin. Die Frage belustigt mich. Sie belustigt mich, weil in ihr das ganze Dilemma der Landtagswahl zu Tage tritt. Eigentlich müsste die Frage doch entweder GRÜNE vs CDU oder Kretschmann vs Wolf lauten. Sie wird aber so nicht gestellt, nein, die nette Lady um die 70 fragt ihre ein paar Jährchen jüngere Freundin – oder ist es gar die Tochter? Bei den fitten Senioren heutzutage weiss man ja gar nix mehr – ob sie Kretschmann oder CDU wähle, und jede andere würde die Frage wahrscheinlich genauso stellen…

Die GRÜNEN haben für die Landtagswahl fünf schlagende, gute, bewährte, fünf hervorragende Argumente, und diese lauten:
1.)    Kretschmann
2.)    Kretschmann
3.)    Kretschmann
4.)    Kretschmann
Nun raten Sie mal das fünfte! Hihihihi, falsch, das 5. Argument lautet Ökologie, allerdings belegt Winnie dann wieder die Plätze 6-10.

Kretschi hat das Problem, in der falschen Partei zu sein. Ein Problem, das zum Beispiel auch Schmidt Schnauze hatte. Wäre Kretschi bei den Christdemokraten, er wäre längst Bundesminister, wenn nicht Bundeskanzler. Der Gute ist ein Phänomen, er ist bürgerlich, grundsolide, bodenständig, er ist erzkatholisch, anständig, inkorrupt, Kirchenchorsänger und Dorfbewohner. Auf den Wahlplakaten lächelt einen ein seriöser Herr in den besten Jahren an, seine weissen Stoppelhaare haben – wie bei allen Herren in den besten Jahren – etwas überaus Attraktives, es geht ein beinahe erotischer Charme von ihm aus. Einem solchen Herrn würde man ein Auto abkaufen, man würde ihm einen Kredit gewähren und ihm die Wohnungsschlüssel geben, ja man würde ihm sogar die Kinder zum Hüten geben und hätte keine Angst, dass er Böses mit ihnen anstellen würde. Gut, strenge Atheisten täten es vielleicht nicht, denn wahrscheinlich würde Winnie sie – der Nichthimmel helf – mit in eine Kirche nehmen und mit ihnen beten.

Ob des Charismas Kretschis ist es nicht verwunderlich, dass die GRÜNEN nicht mehr mit Ökoideologie, sondern mit IHM werben, nicht für die UMWELT, die NATUR solle man grün wählen, sondern FÜR KRETSCHMANN.

Wolfieboy hat umgekehrt das Glück, in der richtigen Partei zu sein. Haben Sie sich die Wahlplakate einmal angeschaut? Sollte je einmal ein Preis für das schlechteste Wahlfoto verliehen werden, Wolfieboy bekäme ihn. Hier steht ein spätpubertärer Früherwachsener in einem so miserabel sitzenden Anzug, dass man unwillkürlich «den hat Mami aber feingemacht» denkt. Das mondrunde Antlitz wird durch falsche Brille und falsche Frisur so betont, dass es noch mondiger und noch grinserundiger wird. Im Film Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Grossstädter zur Paarungszeit gibt es den Verlags-Jungchef Henrik jr. (gespielt von Frank Giering), der in seinem Drehstuhl thront und von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, der sieht genauso aus.  Wolfieboy hat auch keine Argumente, er hat weder Charme noch Wissen, kein Mensch kann sich an irgendeinen Ausspruch, irgendeine Rede, irgendeine Aktion von ihm erinnern. Er hofft schlicht und einfach auf die CDU-Stammwähler. Angeblich soll man in der CDU-Zentrale in Stuttgart diskutiert haben, auf die Plakate CDU WÄHLEN – TROTZ WOLF zu schreiben, es sei aber dann doch verworfen worden.

Der Wahlkampf läuft nun ein wenig wie ein Hindernistanz, ja nichts Falsches sagen, ja nichts Falsches schreiben. Auf der persönlichen Ebene ist eh nix zu holen. So ein schöner Sexskandal, das wäre es etwas, aber Winnie ist dafür zu katholisch, Wolfieboy müsste ja erst einmal geschlechtsreif werden. Argument Wirtschaft? Der Wirtschaft geht es gut, WEGEN uns, sagen die Grünen, TROTZ euch, sagt die CDU, Fakt ist, dass eine funktionierende Wirtschaft immer den Regierenden zugeschrieben wird, und Fakt ist auch, dass die Badisch-Schwäbische Wirtschaft stets funktioniert, egal, wer oder was am Ruder sitzt. Man könnte die Firmen des Landes auch verstaatlichen, sie würden trotzdem perfekt weiterarbeiten.

Argument Flüchtlinge? Ach du lieber Himmel, das meiden beide wie der Teufel das Weihwasser. Denn wenn Wolfieboy forderte, weniger Flüchtlinge ins Land zu lassen, würde Winnie ihm so etwas von genüsslich um die Ohren hauen, dass es ja Wolfieboys Parteichefin ist, die alle weiterhin willkommen heisst. Nein, solche heissen Eisen packt man nicht an. Da schreibt man lieber «Mehr Tempo beim Strassenbau» und lässt offen, wie man das bewerkstelligen will. (Den Bürgerinnen und Bürgern die Einspruchsrechte nehmen? Käme beim Wahlvolk nicht gut an.)

Es bleibt also spannend im Ländle, spannend bleibt auch, wie die regierende SPD abschneidet. Ja, die SPD ist Regierungspartei, merkt zwar niemand, aber es ist so. Die SPD hat das Geschick als Juniorpartner immer unterzugehen, egal ob grosskoalitisch oder grünrot.

Die jüngere der beiden älteren Damen hat übrigens eine Antwort auf die Frage bereit, eine Antwort, die einem das Blut in den Adern gefrieren und den Atem stocken lässt. Sie sagt das Grausamste, das Schrecklichste, das, was niemand vermutete. Sie spricht das widerlichste und fieseste Wort aus, indem sie zu ihrer Freundin flüstert (ich höre es doch):

«Ich wähle AFD.»

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