Wäre hier
nicht der Zug, die SBB eine prima Alternative?
In der
Zeitschrift HALLO SCHWEIZ war neulich ein netter Artikel. Die Journalistin
Regula Hibberli hat einen Pendler bei seinem Weg zur Arbeit begleitet und ihn
interviewt. Prof. Dr. Beat Stugger ist Professor für Nichtvergleichende
Textlinguistik des Katalanischen an der Uni Zürich und wohnt in Basel. Er
arbeitet montags, donnerstags und freitags zuhause, am Dienstag und Mittwoch
erwartet ihn an der Limmat ein dichtgedrängtes Programm von 10.00 – 20.00. Da
er in Basel im Gundeli wohnt, also im Quartier direkt hinter dem
Zentralbahnhof, kann er gemütlich um 7.40 losgehen und erreicht mühelos den
8.07 nach Zürich. Hibberli hat ihn vor der Haustüre erwartet und kann auf dem Weg
durch die Gründerzeitstrassen des Gundeldingerquartiers schon ein wenig
plaudern. «Ich könnte mir nie vorstellen, mit dem Auto zu fahren», so Stugger,
«das ist doch alles viel entspannter so.» Ein Foto zeigt den Mittevierziger in
hellem Mantel, mit Schal und Laptoptasche, wie er in den ersten Strahlen der
Morgensonne zum Bahnhof schreitet. Es stellt sich die Frage, ob das Bild auch
so anheimelnd wäre, wenn Stugger sich durch einen Schneesturm kämpfen müsste,
der im Januar (da war das Interview) doch eigentlich mehr dran wäre als die
Lenztemperaturen, die wir hatten, aber davon später…
Das nächste
Foto zeigt Stugger und Hibberli lachend beim Gespräch im 1. Klasse-Abteil,
Unterlagen und Laptop auf dem Tisch, Platz, viel Platz, auch noch für zwei
doppelte Espressos und Gipfeli. «Sehen Sie, ich habe ein GA 1.Klasse, um
Tickets muss ich mich nicht kümmern, ich muss auch nicht an Tanken oder
Wasserstand denken, und dann habe ich eine Stunde Zeit um zu arbeiten, ich habe
Platz für alle Unterlagen und einen guten Kaffee gibt es hier auch.» In Zürich
hat Stugger nun wiederum das Glück, dass das Institut für Nichtvergleichende
Textlinguistik des Katalanischen in Bahnhofsnähe liegt und er ganz locker durch
die Januarfrühlingssonne an seinen Arbeitsplatz gelangen kann.
Warum
nutzen, so fragt Hibberli am Ende ihres Textes, nicht mehr Leute diese
wunderbare Möglichkeit zur Arbeit zu kommen?
Ja, warum eigentlich?
Weil, und das scheint die gute Regula irgendwie völlig zu ignorieren, die meisten Menschen eben nicht Professoren für Nichtvergleichende Textlinguistik des Katalanischen sind. Kann man sich – und das ist das grosse Privileg der Angehörigen des akademischen Oberbaus – seine Arbeitszeiten selber legen, ist das natürlich extrem entspannend. Ganz anderes sähe es aus, müsste Stugger wie die meisten Arbeitnehmer von 8.00-17.00 arbeiten. Dann wäre es nicht der Achtuhrzug nach Zürich, sondern der Siebenuhrzug, und der ist voll. Da kämpfen zwei Laptops und zwei Tablets um den Platz auf dem ca. 40 Quadratzentimeter grossen Tisch, da ist dann kein Platz für Espresso und Gipfeli, wenn man überhaupt einen Sitzplatz bekommt. Da ist dann, eingezwängt zwischen Leuten, die nach Knoblauch, Hautcreme oder AXE riechen, die Lage nicht mehr so entspannt. Auf dem Rückweg die gleiche Misere: Die Hauptverkehrszeitenwaggons sind so voll wie ein Viehtransport, jetzt wollte man eigentlich schlafen, aber dazu müsste man sich ein wenig ausstrecken, was ja nicht geht, siehe oben. Nur altgediente Interrailer (wie z.B. ich) sind in der Lage sich zu einer kompakten Kugel zu formen und als diese sofort einzupennen.
Natürlich können
manche gleitzeiten, aber hier kommt noch ein anderer Punkt ins Spiel:
Normalarbeiter müssen 42 Stunden an Ort und Stelle sein, das heisst um 10.00
anfangen (und späteren Zug nehmen) hiesse dann aber auch später aufhören. Wer
will schon jeden Abend erst um 20.30 zuhause sein? Man ist ja vielleicht in
einem Chor, einem Sportverein, man will ins Kino oder ins Theater, oder einfach
nur das Z’nacht nicht erst um 21.00 beginnen.
Warum nicht
Erste Klasse? Du lieber Himmel! Weil ein normaler Bankangestellter, Verkäufer,
Büromensch etc. auch nicht so viel verdient wie ein Professor für
Nichtvergleichende Textlinguistik des Katalanischen. Die 3600.- für ein GA
ZWEITE KLASSE müssen auch erst einmal verdient sein…
Die
Geschichte von Hibberli ist kein Einzelfall. VIA und MOBIL, die
Hauszeitschriften von SBB und DB sind voll von lachenden, glücklichen Menschen,
die sich in leeren Zügen räkeln. Ich habe noch nie eine Reportage «Um 6.30 im
IC Basel-Olten» gesehen, die wäre mal aufschlussreich…
Vielleicht
fragen Sie sich, warum ich selbst immer noch ein so überzeugter Bahnfahrer bin.
Ich habe das Glück, am Morgen einen anderen Weg wählen zu können, auf dem der
Zug leer ist und um 12.00 von Solothurn wieder heimzufahren, da ist auch nicht
so Hochbetrieb. Allerdings soll diese Strecke 2020 geschlossen werden, aber
vielleicht findet sich noch ein Sponsor für die Renovierung des
Weissenstein-Tunnels, wie wär’s mit Ihnen?
IM ZUG
ZUHAUSE
wirbt die
SBB mit Plakaten.Bei allem Respekt: ZUHAUSE bin ich bei aller Zugliebe doch lieber ZUHAUSE.
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