Auf die
Frage, warum er in die Faschingsklausur fahre,
warum er nicht einmal die Sau raus lasse,
warum er nicht mit den Narren laufe, Lärm mache, warum er nicht in den
Ausnahmezustand gehe, sagte Mützbacher, der Ausnahmezustand sei ja inzwischen
permanent. Die Fast-Nacht, habe Mützbacher gesagt, so Renner im Löwen zu mir,
sei früher die Nacht vor dem Fasten gewesen, also ein letztes Feiern vor einer
Zeit des Darbens. Heute würden ja direkt nach den Fastnachtsküchlein die
Schokoeier und die Osterhasen in die Regale und in den Mund gestopft. Dieses Schokoeierfressen und Osterhasenfuttern sei ihm ein Gräuel, so
Mützbacher.
Zum Thema
Sau raus lassen, habe Mützbacher nur gesagt, so Renner, dass die Sau ja das
ganze Jahr rausgelassen sei. Die ganze Zeit werde man mit Fotos, Witzen und
komischen Filmen bombardiert, dass es einem grause, so Mützbacher. Ständig
erreiche einen ein Bild mit einem grinsenden Gesicht, das der Betreffende
selbst aufgenommen habe und total witzig finde, habe Mützbacher gesagt, so
Renner. Diese Selbstaufnahmen, diese
sogenannten Selfies, gingen ihm so
auf die Nerven, dass es kaum zum Aushalten sei. Das Internet sei ein Ort des
perversen Auslebens von dämlicher Fröhlichkeit, habe Mützbacher gesagt, die Sau werde rausgelassen, Tag und Nacht,
Nacht und Tag. Er sperre während seiner Faschingsklausur,
so Mützbacher, die Sau ein und lasse
sie nicht mehr raus.
Die Narren,
habe Mützbacher gesagt, seien ja nicht nur in der Faschingszeit am Ruder,
sondern das ganze Jahr. Bei dem sogenannten Rathausstürmen
würden ja nur die Narren innerhalb des Rathauses durch die Narren von
aussen ersetzt. Denn alle Politiker seien Narren, so Mützbacher, die SPD
bestehe aus sozialdemokratischen Narren, die FDP aus liberalen Narren und die
GRÜNEN aus grünen Narren. So würden also die Narren der Stadt das Rathaus
stürmen, das eh schon von Narren besetzt sei. Viel besser wäre es doch, habe
Mützbacher gesagt, so Renner zu mir im Löwen, wenn die Rathäuser von
Philosophen gestürmt würden, damit endlich einmal gedacht würde in diesen
Etablissements.
Der Lärm, so
Mützbacher, sei ja inzwischen ein Dauerphänomen, so dass ein Lärmen zur
Fastnacht, zum Fasching oder Karneval Eulen nach Athen tragen sei. Wir stehen
unter Dauerbeschallung, habe Mützbacher geklagt, sagte Renner, wir werden
überall und immer beschallt, dass ein klares Denken kaum mehr möglich sei. Wir
gehen ins Kaufhaus und werden beschallt, wir gehen ins Restaurant und werden
beschallt, wir gehen durch die Stadt, durch den Park oder sitzen im Zug und
werden permanent beschallt. Diese Dauerbeschallung sei mit ein Grund, weshalb
er, Mützbacher eben in diese Faschingsklausur
fahre, die Hütte habe keinen Strom, kein Internet und er werde gezwungen,
sich völlig auf seine Philosophen zu konzentrieren.
Er werde in
aller Ruhe, habe Mützbacher gesagt, seinen Augustinus lesen und exzerpieren, er
werde die Sau drinnen lassen und sich
nicht zum Narren, sondern zum Weisen machen, so Renner.
Jedes Jahr,
so Renner zu mir im Löwen, entstehe in der Faschingsklausur
ein kleiner Essay zu einem der grossen Philosophen, 2013 über Rousseau, 2014
über Hegel und 2015 über Kant. 2016 werde nun ein kleiner Text über Augustinus
erscheinen, der den vom Bösen Böll so
schlecht gemachten Kirchenvater wieder ins rechte Licht rücke.
Er
jedenfalls, so Mützbacher, werde die Sau
drinnen und die Narrenkappe abgezogen lassen. Bei einer Gesellschaft, die
das ganze Jahr in Lärm, Witzelei und Blödsinn verbringe, brauche es keinen
Fasching.
(Hommage an Thomas Bernhard, der am 9.2.2016 85 geworden wäre)
(Hommage an Thomas Bernhard, der am 9.2.2016 85 geworden wäre)
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