Ich habe acht Glossen Vorrat, acht Glossen in der Hinterhand.
Ich war in den Winterferien derart produktiv, dass es eine Lust war. Die Worte flossen mir nur so aus der Feder, das ist natürlich Quatsch, ich schreibe ja auf einer Tastatur, also sagen wir lieber, meine Finger flogen nur so über die Tasten, was natürlich auch Quatsch ist, denn ich benutze ja das Vier-Finger-Such-System Marke Adler, also sagen wir: Meine vier Finger hüpften wie die Frösche.
Auf jeden Fall haben mich die Musen geküsst – Apollon wäre mir lieber gewesen, aber man nimmt, was man bekommt – ich ritt auf dem Pegasus, suhlte mich auf dem Parnass. Ich war so berauscht von der Sprache, dass ich nicht einmal Joints (wie Kerouac), eine Schublade mit faulenden Äpfeln (wie Schiller) oder Absinth (wie Rimbaud) brauchte.
Nun bin ich acht Posts im Vorsprung.
Diese acht sind literarisch geschliffen, wohl durchdacht und
natürlich ohne Schraipfäler (Gruss an meinen Erzengel).
Sie haben aber einen Nachteil: Sie sind nicht aktuell. Sie
behandeln glossistische Dauerbrennerthemen wie Verspätung und Zugausfälle bei
der DB, Kaufrausch, Alterungsprozess und das Wetter. Sie berichten von
überteuerten Restaurantbesuchen und störenden Nachbarn, sie erzählen von den
immer wiederkehrenden Topoi, über die schon Sokrates und Hesiod sich
ausgelassen haben.
Nun wäre zu hoffen, dass es im Januar und Februar das gibt,
was die Presse eine Saure-Gurken-Zeit nennt, eine Zeit ohne aktuelle
Katastrophen und Pannen, auf dass ich meine Posts abarbeiten kann. Aber das wird nicht so sein.
Einige Leute haben es sich fast zur Pflicht gemacht, mir
durch einen brandneuen Skandal, einen brandneuen Eklat das zu versauen, und ich
sitze dann wieder in Hektik, schlunze etwas hin – und mache Schraipfäler.
Sie erinnern sich vielleicht noch an meinen Text Die längste Koalitionsverhandlung aller
Zeiten. Er war eine Paraphrase auf Die
längste Party aller Zeiten von Adams und Angie Merkel machte ihn mir
kaputt, indem sie ein paar Stunden, bevor ich auf VERÖFFENTLICHEN drücken
konnte, das Ende der Beratungen und die Inthronisierung der Grossen Koalition
bekanntgab. Ich habe die Glosse dennoch gebracht, aber es war nur der halbe
Spass.
Ich habe einen immer wiederkehrenden Albtraum: So wie in den
Thrillern, in denen der Mörder der Polizei entwischt und die Kronzeugin nach
Hause kommt, wo der Killer auf ihrem Sofa sitzt und, als sie das Licht anmacht,
sie mit einem nicholsonesken Grinsen anglotzt, komme ich nach Hause, mache das
Licht an – und sehe Anette. Sie räkelt sich auf meiner Couch und flüstert: „Es
kam in den 7 Uhr-News, ich veröffentliche ein Buch. Es heisst Jetzt rede ich – die Abrechnung und
erscheint übermorgen.“ Und ich stürze an meinen Laptop, fange an zu schreiben,
denn in den Nachtmahren ist es immer montags oder donnerstags, wie wild tippe
ich und tippe ich, während Anette in meinem Wohnzimmer Zitate aus meinen
Büchern abschreibt, die sie klauen will, ich tippe und tippe, aber die Tasten
sind schwer wie Hebel, ich komme nur wenige Buchstaben voran und schweissgebadet
wache ich auf...
Warum schreibe ich Glossen? Warum schreibe ich keinen Roman?
Es wäre so viel einfacher, ich müsste nicht ständig mit etwas aufwarten, ich
könnte auf den grossen 3000-Seiten-Schinken verweisen, der irgendwann zwischen
2025 und 2030 erscheinen werde – und der dann irgendwann im Jahre 2018 oder
2019 einfach verlorengeht. Man könnte ihn zum Beispiel in einen Koffer packen
und ihn auf einem Bahnsteig vergessen. Hat Tradition, Hemingways Koffer. Wer
weiss aber denn, ob sich in diesem Koffer wirklich Manu- oder Typoskriptseiten
verbargen und nicht eine völlig andere Sache? Vielleicht war das Gepäckstück
voller Pornohefte und der gute Ernest froh, das peinliche Stück los zu sein?
Wer weiss.
Tatsache ist allerdings, dass Pegasus dich nicht zu den
Schauplätzen der aktuellen Skandale führt. Tatsache ist, dass auf dem Parnass
der Blick in die Weite und nicht in die Nähe des nächsten Tages geht. Tatsache
ist, dass es keine Musen für das Heutige, das Brandneue, das
Auf-den-Nägeln-Brennende gibt.
Es gibt keine Muse des Journalismus. Es gibt keine Muse des Feuilletons.
Es gibt keine Muse des Interviews.
Es gibt keine Muse der Kolumne.
Also halte ich meine acht Posts in der Hinterhand, halte sie
auf Vorrat, halte sie, die sie geschliffen und ohne Schraipfäler sind, bewahrt
und hoffe…
Also, ihr Spinner alle, ihr Politiker und Wirtschaftsbosse,
ihr grossen, aber auch ihr kleinen Verrückten dieser Welt:
Macht doch bitte immer mal wieder eine Pause!Lasst den Wahnsinn immer mal sieben Tage ruhen, auf dass ich die eine oder andere Glosse abarbeiten kann.
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