Freitag, 23. Januar 2015

Steuererklärung statt Bürgschaft?

Ein Zwutsch hat enorme Diskussionen über die Schule ausgelöst.
(Anmerkung: Zwutsch ist die deutsche Übersetzung von Tweet, abgeleitet von zwitschern (= to twitter; analog zu schwimmen/Schwumm im Schweizerdeutschen)

In diesem Zwutsch schreibt also eine junge Dame, die Schule bereite nicht auf das Leben vor, so habe sie gelernt, Gedichte zu interpretieren, aber nicht eine Steuererklärung auszufüllen.

Der Zwutsch wird Folgen haben.
Nach endlosen Planungen, Konferenzen, Tagungen, nach 13.000 m2 Papier, nach 30.000 Mails und Telefonaten, nach dem also, was man macht, wenn man irgendwas schnell ändern will, wird 2019 das Fach LEBENSKUNDE ins Leben gerufen. Lebenskunde vereint Aspekte der Wirtschaftskunde, der Technik, der Hauswirtschaft und der Staatskunde und wird im Lehrplan so umrissen:

Das Fach Lebenskunde (LK) unterweist die Schülerinnen und Schüler (SuS)  ausdrücklich in praktischen Dingen ihres späteren Lebens und hilft ihnen, ihren Alltag und ihr Selbstmanagement zu perfektionieren.

So weit so gut.
2020 wird das Fach an den Schulen eingeführt.

Es ist eine Riesenpleite.
Für die 15jährigen ist die Steuererklärung so weit weg wie das beherrschte Samos oder das Syrakus mit dem Galgen, für die 16jährigen ist das Auffinden von Formularen auf den Sites von Ämtern und Behörden genauso öde wie das Auffinden von Sekundärliteratur in den Endlosreihen der UB, für die 17jährigen ist die Funktionsweise einer Waschmaschine oder eines Staubsaugers genauso uninteressant wie die Umwandlung von Natronsäure und Salzlauge in Salz und Kochwasser (oder war es umgekehrt?).

Bald hat sich LK zum absoluten Hassfach entwickelt und sogar die Hassspitzenreiter Mathe (D), Französisch (CH), Geschichte (A) und Eurythmie (Steinerland) abgelöst. Es wird ein heiteres Wortspiel betrieben, indem man nicht El-Ka sondern L-K sagt, damit den Weg zu Leck… bahnt und somit zeigt, dass eine klassische Bildung, eine Kenntnis der wichtigsten Dramen doch nicht so ohne ist, man zitiert hier ja immerhin den ungekrönten Schreibkönig seiner Zeit.

2024 schlägt die Konferenz der LK-Lehrpersonen (LKL) Alarm und setzt eine Kommission ein. Nach endlosen Planungen, Konferenzen, Tagungen, nach 13.000 m2 Papier, nach 30.000 Mails und Telefonaten, nach dem also, was man macht, wenn man irgendwas schnell ändern will, schlägt diese vor, eine grosse Studie innerhalb der SuSschaft zu machen.

2025 wird eine grosse Befragung durchgeführt, Hauptfrage: Welche Inhalte wünschen sich die jungen Menschen im Fach LK, welche Fragen und Themen bewegen sie wirklich?

Hier ein kleiner Auszug von Themenwünschen:

*         Wie macht man einen guten, also einen wirklich guten Caipirinha?
*         Wie fälscht man den Ausweis so, dass kein Türsteher ihn als Fake erkennt?
*         Wie macht man einen guten, also einen wirklich guten Sex on the beach?
*         Kamasutra (mit Praxis)
*         Wie macht man einen guten, also einen wirklich guten Mai Tai?
*         Fahrzeugkunde (v.a. Autoknacken und Mofafrisieren)
*         Schminken
*         Wie macht man einen guten, also einen wirklich guten Swimming Pool?
*         Öffnen von Türen mit Scheckkarten

Das ist natürlich hochinteressant und die Autoren der Studie müssen selber zugeben, dass sie von vielen diesen Dingen wenig Ahnung haben. Allerdings hat die Liste von wirklich lebensnahen und praktischen Sachen einen Nachteil: LK-Lehrpersonen, die nach ihr gingen, würden sich schauderhaft strafbar machen.


Das ist also nicht das gewünschte Ergebnis.
Nach endlosen Planungen, Konferenzen, Tagungen, nach 13.000 m2 Papier, nach 30.000 Mails und Telefonaten, nach dem also, was man macht, wenn man irgendwas schnell ändern will, wird 2030 LK wieder abgeschafft.
Jetzt interpretiert man wieder Gedichte.

Und wenn man einen guten Deutschlehrer haben wird, wird dieser vielleicht sogar erklären, was am Ring des Polykrates oder der Bürgschaft lebensnah ist; nicht, dass man Anleitung im Fischzerteilen oder Kampfschwimmen anstrebte, nein: Was die Moral hinter den Alltagssachen sein könnte.

Das wird ein paar Jahre gutgehen bis 2035 ein Zwutsch Furore macht:  
In diesem Zwutsch wird ein junger Mann schreiben, die Schule bereite nicht auf das Leben vor, so habe er gelernt, Gedichte zu interpretieren, aber nicht eine Steuererklärung auszufüllen.

Der Zwutsch wird Folgen haben...






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