Dienstag, 30. Dezember 2014

Guter Vorsatz für 2015: Weniger Schraipfäler

Ich habe einen einzigen guten Vorsatz für 2015:
Ich will weniger Schraipfäler machen. Nein, das war jetzt keiner, ich schreibe für diesen Post das Wort so, weil das den Inhalt ja viel besser ausdrückt. Oder auch nicht, denn wenn ich Schraipfäler als Standard deklariere, wäre es ja falsch, es richtig zu schreiben, oder es…
Nein, wir fangen nun nicht an zu paradoxphilosophieren, wir waren beim Thema Orthografie.
Mein Erzengel hat immer wieder, teils sehr heftig, Schraipfäler angemahnt, Fäler, bei denen man sich wirklich fragt, wie sie geschehen können.

Es wäre ja eigentlich alles so einfach: Man nimmt sich Zeit für einen Text, nutzt das Word-Korrekturprogramm, druckt die Glosse dann noch einmal aus, sucht noch einmal nach Fälern, lässt sie vielleicht noch jemand anderes lesen, und jetzt müsste sich auch das letzte falsche Dass, das letzte überflüssige Komma, die letzte verkehrte Grossschreibung, die letzte Word-Doppelung verschwunden sein.

Was eine Word-Doppelung ist? Na, ganz einfach: Es ist ein Schraipfäler, den wir dem Computer verdanken. Kein einigermassen mit Hirn bewaffneter Erdenbürger würde Konstruktionen wie Hauus, Dacch, Gaartenzaunnn oder Monster wie Straassenbahhn, Kiinderwageen oder Schllittschuuhe fabrizieren, handschriftlich passiert das nicht, es geschieht, wenn wir einen Moment zu lange auf der Taste bleiben.

Aber ich schweife wieder ab. Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, bei den Punkten Zeit, Korrekturhilfe, Korrekturlesen.

Zeit, also wenn ich Zeit hätte, würde ich Gedichte schreiben und keine Glossen, ich sehe mich schon in meinem Häuschen am Meer sitzen, die Tasse Tee griffbereit – Was soll das jetzt? Ich sei Kaffeetrinker? Wenn ich Lyriker wäre, tränke ich Tee und keinen Mokka  – und um ein Wort ringen. Ich würde zwei Stunden ringen, dann ein bisschen an den Strand und, nachdem das Wort nach ausgiebigem Schwimmen und Sonnen mir noch gut erscheint, es hinschreiben. Und dieses Wort, die Arbeit eines Tages, enthielte dann auch keinen Schraipfäler. Und wenn Sie jetzt meinen, ich übertreibe: Oscar Wilde äusserte einst, er habe einen Vormittag über einem Gedicht gesessen und schliesslich ein Komma gestrichen. Am Nachmittag habe er es wieder eingesetzt.

Die Word-Korrekturhilfe funktioniert bei mir nicht mehr, ich habe meinen armen Laptop dermassen mit wüsten Komposita (so wie Paradoxphilosophie) und abstrusen Neologismen bombardiert, dass das Korrekturprogramm vor sechs Monaten einfach seinen Geist aufgab. Es war dermassen ins Rote-Wellenlinien-Setzen gekommen, dass es zu einer einzigen roten Welle wurde, die dann rauschend in die untergründigen Klippen der Festplatte stürzte. Es schickte mir noch eine E-Mail mit den etwas abgewandelten Abdankungsworten des letzten sächsischen Königs: Mach deinen Dreck alleine.

Korrekturlesen, das sollte ich wirklich gründlicher und sorgfältiger um Schraipfäler zu vermeiden, und ich sollte auch immer wieder weitere Augenpaare auf meinen Text blicken lassen. Das Dumme ist ja, dass wir Mustererkennung haben, das heisst Ihr Gehirn erkennt ein Wort auch, wenn es falsch geschrieben ist. Nein, eigentlich ist das eine sehr sinnvolle Sache, dass Sie eben Schraipfäler als das erkennen, was sie sind, aber beim Korrekturlesen ist es hinderlich, dass unsere grauen Zellen das ergänzen, was nicht dasteht und das quasi wegstreichen, was zu viel ist.

Man knan ja enien gzanen Staz lseen, bie dme aells vretuachst ist.

Aber das ist alles keine Ausrede, wird mein Erzengel sagen. Keine Schraipfäler mehr, das muss die Devise sein. Es ist auch keine Ausrede, nur eine wärmende Erleichterung für mich, dass ich mich in guter (oder schlechter?) Gesellschaft befinde:
Es gibt praktisch keine Bücher ohne Schraipfäler mehr. Waren früher eine miese Grammatik und eine mangelhafte Orthografie Kennzeichen des Heftchenromans, ja, gehörte das falsche Dass und die fehlenden Kommata in die Sphäre von Jerry Cotton und Bianca, findet man heute die übelsten Dinge auch bei Büchern, die auf der Long- oder Shortlist des deutschen Buchpreises stehen. Egal ob Hanser oder Fischer, ob Diogenes oder Suhrkamp (Ja, auch dort, auch dort!), nirgendwo ist man vor Schraipfälern mehr sicher. Das liegt natürlich daran, dass man das Marketingbudget so in die Höhe getrieben hat, dass für das Lektorat fast nichts mehr übrigbleibt.

Ich habe einen guten Vorsatz für 2015:
Ich will weniger Schraipfäler machen.

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