Freitag, 5. Dezember 2014

OSZE oder: Zehn leere Flaschen können schnell...

Und ich dachte noch: Bring die Flaschen runter.

Ich dachte noch, bring die Flaschen runter, die Batterie von 10 Weisswein- und 12 Rotweinpullen, die sich auf meiner Küchenarbeitsfläche angesammelt hatten, man könnte ja was denken. Ich bin kein Alkoholiker, ich war einfach ewig nicht zur Sammelstelle gegangen. Sie kennen das: Sie haben eine To-do-Liste, auf der Flaschencontainer steht, aber das Wort Flaschencontainer wandert von der Montags- auf die Dienstagsliste, um dann am Mittwoch wieder draufzustehen.
So standen die Pullen immer noch da, und ich hatte noch gedacht, bringe die runter, wer weiss was die während der OSZE-Konferenz an Abhörgeräten (unbedenklich, Flaschen reden nicht) oder Ferngläsern (bedenklich) einsetzen.
Und so kam es dann auch dazu, dass ich, als ich am Mittwoch das Haus verliess, sofort von zwei Polizisten in den Schwitzkasten genommen wurde, mir wurden Handschellen angelegt und ich war wegen Verdachts auf Herstellung von Sprengkörpern festgenommen. Dieser Verdacht auf Herstellung von Sprengkörpern erinnerte mich doch sehr an ein Lied der 70er-Polit-Punkrock-Band Ton, Steine, Scherben:

Und das einz’ge, was man fand, war’n zehn leere Flaschen Wein
Doch zehn Flaschen können schnell zehn Mollis sein

Zur Erklärung für die Spätgeborenen: Mollis waren in der Spontiszenensprache Molotow-Cocktails, jene Do-it-yourself-Bömbchen, von denen ich als Kind zunächst gedacht hatte, sie seien etwas zum Trinken, mit viel Wodka und so, aber dann lernte, dass es sich um Sprengstoff handelt.

Ja, die OSZE. Man hatte ja alle Anwohner detailliert über die Unannehmlichkeiten informiert, aber mit einem sehr euphemistischen Satz begonnen: Die Umtriebe entsprächen denen einer Uhren/Schmuck- oder Kunstmesse. Das ist natürlich eine faust-, wenn nicht sogar unterarmgrosse Lüge, bei der BASELWORLD und bei der ART verkehren die Trams normal, der Messeplatz ist nicht komplett abgeriegelt und es muss niemand seinen Ausweis zeigen. Es muss auch niemand die Rollläden herunterlassen. Am zweiten Tag der Konferenz gibt es dann nämlich ein Essen, und das kann natürlich nicht im Grossen Saal AUF dem Messegelände gemacht werden, es muss in einer Traditionsbeiz in der Innenstadt sein, der Safranzunft, weil man ja zeigen muss, was für schöne, alte, holzgetäfelte und stilvolle Räume das Basel hat, und dann wird die ganze Innenstadt gesperrt und die Anwohner müssen ihre Storen herunterlassen, gut, man kann sagen: Sind sie vom Morgestraich ja gewohnt.

Warum tut man eigentlich solche Treffen – ich möchte mich gar nicht über ihren Sinn auslassen, es bleibt zu hoffen, dass die OSZE ein wenig mehr bringt als die Klima-Konferenz, die UNO-Vollversammlung, das EU-Ministertreffen, das WEF, das… – nicht in ein Messegelände auf der Grünen Wiese, solche gibt es ja genug? Dort könnte man für einige Tage alles absperren, Kontrollen und Sicherheit wären möglich und kein Anwohner würde verhaftet, weil er seine Weinflaschen nicht heruntergebracht hat? Man sollte doch annehmen, dass es den Teilnehmern egal sei, wo sie 10 Stunden konzentriert tagen, ja, man erwartet doch, dass sie abends einfach eine Kleinigkeit essen und dann noch die Akten für den nächsten Tag studieren, bis sie um 22.00 todmüde in die Federn sinken. Oder ist das nicht so? Ist etwa die Stadt am Rheinknie deshalb gewählt worden, weil dort die Rotlichtstrassen so nahe an der Messe liegen, gibt man sich abends statt Akteneinsicht Tabledance, Strip und Schlimmerem hin? Ist die OSZE so etwas wie das Basler Konzil, für das als erste Massnahme zwei neue Bordelle gebaut wurden?

Nach zwei Stunden Haft liessen die Polizisten mich gehen. In meiner Wohnung – die natürlich ohne Durchsuchungsbefehl auf den Kopf gestellt worden war – hatten sie nichts gefunden, das heisst nur drei Dinge, die ich erklären konnte:
Eine Tube Flammazine
Eine CD mit der Aufschrift Feuerwerk
Ein Buch namens West-Östlicher Divan
Hier entpuppte sich die Basler Polizei, die ja nun übrigens auch gar nix für die Konferenz kann, das sind ja die eigentlichen Opfer mit viel Stress und Überstunden, als sehr gebildet und informiert, sie erinnerten sich an das Musical von Burkhard, als ich ihnen O, mein Papa vorsang, sie erinnert sich, dass der Divan ein Goethetext ist, und sie wussten auch, was Flammazine darstellt, nämlich eine Brandsalbe. Ich behandle mit dieser meinen Arm, den ein Kellner mit meinem Dessert mitflambiert hat.

Ja, die OSZE, wir werden sie doch irgendwie überleben, und es bleibt zu hoffen, dass mehr herausschaut als bei Klima und anderen solchen Massentreffen. Es bleibt auch zu hoffen, dass sie meinen Kellner nicht gerade in der Safranzunft angeheuert haben. Eine solche Dessertexplosion gäbe nun wirklich internationale Verwicklungen.

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