Dienstag, 3. April 2012

Humorzwang

Vor zwei Wochen rief mein Kumpel  Jollo an. „Kennst du den schon? Gehen ein Kamel, ein Warzenschwein, eine Giraffe und… nee…gehen ein Kamel, ein Wildschwein, eine…“  Ich ging in die Küche um einen Aperitif zu trinken und eine Zigarette zu rauchen, denn ich kenne Jollo. Würde er nach der Zigarette ernsthaft weitergekommen sein, würde ich weiter zuhören. Wenn nicht, würde die Zeit für ein feudales Abendessen reichen. Ich hob den Hörer auf, und, wie befürchtet war Jollo immer noch am Anfang: „Gehen ein Kamel, ein Dromedar, ein Känguru…nee…“
Ich legte den Hörer wieder hin und begab mich erneut in die Küche. Ein Insalata Caprese war schnell zubereitet, etwas Ragout und Polenta machte ich mir warm. Dazu trank zwei wunderbare Gläser Merlot. Nach Kaffee und Grappa konnte ich es wagen, und, siehe da, Jollo war wirklich bei der Pointe angelangt.  Ich lachte wohl etwas zu laut und zu gespielt, denn Jollo fragte: „Ging ein bisschen lang, gell?“ „Ja“, seufzte ich  „es war wirklich etwas lang.“ „Du weisst, ich kann mir keine Witze merken und auch keine erzählen.“  Ich schrie fast in den Hörer: „Aber warum tust du’s dann?“ Es folgte ein beleidigtes Klicken.
Aber warum versuchen Menschen, die eigentlich keine Ader für Humor  haben, ständig lustig zu sein?  Es ist der in unserer Gesellschaft regierende Humorzwang. Wir haben da sehr viel von den Amerikanern übernommen, die bei der Einreise den Leuten den Satz mitgeben: „Have fun“, und das ist kein Wunsch, das ist ein Befehl.
Meinen Sie nicht? Schauen Sie: Wenn wir sagen: „Ein ernster  Mensch“, dann hat das doch einen klaren negativen Unterton. Dabei  sind es oft die ernsten Menschen gewesen, die die Ideen und Vorstellungen der Menschheit vorangebracht haben. Oder -  anders formuliert  - es braucht beide Typen, den Clown und den Philosophen. Vor vielen Jahren sassen in Stuttgart zwei Jungen an einer Schulbank, der eine wurde Humorist, der andere Bundespräsident. Sie hätten nicht tauschen können, Vico wäre ein genauso schlechter Politiker geworden wie Richard ein schlechter Cartoonist.
Also ehren wir die Menschen, die ernst sein können – und es müssen nicht alle lustig sein.
Gestern rief Jollo wieder an. „Kennst du den: Ein Zoobesitzer hat…“  Ich sagte ihm kurz die Pointe, denn ich kannte den Witz schon, und dann  konnten wir endlich über Nietzsche reden.


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