Donnerstag, 19. April 2012

Passwort *************************

Nein, sage ich zu meiner Schulsekretärin, heute könne ich wirklich keine Vertretungsstunden übernehmen, ich hätte so viele Sachen zu erledigen, meine Liste sei voll. Das war auch gar nicht gelogen, Mails sind zu beantworten, Post zu beantworten, glätten muss ich und - das Wichtigste - Noten aus dem Internet holen.
Ich benötige die gesamte Partitur einer Dvorak-Messe und nach einer dreiviertelstündigen Suche stosse ich auch tatsächlich auf einen Gratis-Download. Man muss sich allerdings anmelden, aber das ist kein Thema. Ich schreibe eine E-Mail und bekomme in kürzester Zeit einen für eine Stunde gültigen 43stelligen Username und ein ebenso lange gültiges 57stelliges Passwort. Binnen 60 Minuten muss ich diese Codes in selbstgewählte Kombinationen umgemünzt haben, was ein bisschen tricky ist, denn der endgültige Username soll aus verschiedenen kyrillischen, das Passwort aus chinesischen Buchstaben bestehen, wobei sich hier 3 wiederholen sollen. Es kostet mich 150 Minuten, die entsprechenden Sonderzeichen zu finden. Nun geht alles ganz schnell, sechs Mausklicke und sie glänzt vor mir: Dvoraks Messe in cis-moll für für gemischten Chor, Harfe, Streicher und Harmonium. Jetzt erst entdecke ich ein weiteres Problem: Der Download funktioniert nur für SUBOL, ein Betriebssystem, das 2006-2008 in Pakistan hergestellt wurde und auf der Welt so häufig ist wie Menschen mit Clèrambault-Syndrom. Aber nicht verzagen: Eine Downloadsoftware kann man sich downloaden, hier darf man sogar die Kombinationen selber wählen, mit kleinen Einschränkungen, der Benutzername muss die Zeichen %, (, *, " und # enthalten, aber nicht hintereinander, die 20 Ziffern des Passwortes müssen die Quersumme 63,67 ergeben. Nach zwei weiteren Stunden ist alles geschafft, die Musik ist auf meinem Desktop.
Ich gehe zu einem späten (!) Mittagessen. Nach einem kleinen Salat, Pouletgeschnetzeltem mit Nüdeli, einem Dreier Merlot und einem doppelten Espresso schreite ich zum Ausdrucken.
Sie ahnen es: Auch das Drucken geht nur mit Zusatzsoftware, herunterzuladen unter www.printwithsubole.com. Also erneut anmelden, Userkonto, Passwort eingeben...
Erschwerend kommt hinzu, dass bei der Installation wegen Interferenzen sämtliche Geräte in der Wohnung ausgeschaltet werden müssen, ich taue also auch nebenbei meinen Kühlschrank ab, reinige ihn und räume meine Vorräte neu ein.
Als ich abends todmüde ins Bett sinke, kommt mir plötzlich folgende Rechnung in den Sinn: Hätte ich die sechs Vertretungsstunden gemacht, wäre genügend Geld zur Verfügung gestanden, den Dvorak bei Musik Hug zu kaufen. Schlimmer, ich hätte ein Faksimile des Autographs erwerben können.
Aber so darf man vielleicht nicht denken.

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