Dienstag, 24. April 2012

Geistiges Eigentum

Als ich am Sonntag nach Hause komme, lungern zwei schwarz gekleidete Muskelprotze vor meiner Haustür, Arme so verschränkt, dass die tätowierten Bizepse nur so hüpften, enge T-Shirt und riesige Gürtelschnallen. Zu wem wollen die? Schutzgelderpressung in einer der beiden Beizen? Bodyguards für einen Promi, der hier gerade einen Besuch macht?
Als ich ins Haus gehe, stürmen sie mir nach und drücken mich gegen eine Wand. Scheinbar möchten sie doch zu mir. "Was - wollt - ihr?", stammele ich, während ich auf das Goldkettchen starre, das eine pulsierende Halsschlagader bekleidet und eine Faust sich langsam in meinen Magen drückt. "Du lässt das Buch in Ruhe! Nichts wird übernommen! Verstanden?" "Ok, ok", ich verspreche ihnen alles, obwohl ich keine Ahnung habe, worum es eigentlich geht. Dann ziehen sie ab.
In meiner Wohnung schenke ich mir erst einmal einen grossen Kognak ein und lege mich aufs Sofa. Langsam dämmert es mir: Die Kerle kamen von Helene Hegemann. Ich hatte die Erfolgsautorin per Brief höflich gefragt, ob ich eine Seite ihres Buches "Axolotl Roadkill" in meinen Blog übernehmen dürfe, selbstverständlich mit genauen Angaben und Zitatnorm. Statt einfach nein zu sagen, schickt sie mir jetzt ihre Killer auf den Hals. Ausgerechnet sie! Sie, die ihr halbes Buch aus Blogs zusammengeklaut hat, bekommt nun die Krise, wenn sich jemand bei ihr bedienen möchte.
Aber der Wahnsinn hat natürlich Methode: Jeder Dieb hütet sein Diebesgut vor anderen Halunken wie Fafner den Nibelungenschatz, wer eine geheime Kammer mit entwendeten Renoits und Rubens hat, wird diese zigfach alarmsichern, damit kein böser Mensch die Bilder klaut.
Auch in Fragen des geistigen Eigentums hat jene Haltung Tradition. "In Fragen des Urheberrechts bin ich lax." So Berthold Brecht, der die Dreigroschenoper, die seine Sekretärin vom Text John Gays übertrug - Brecht konnte kein Englisch - auch noch mit Villon anreicherte und sich auch sonst munter überall bediente. Aber versuchen Sie mal irgend etwas aus einem Brechttext zu nehmen, zu ändern, anders aufzuführen... Brecht-Erben!  Dieses Wort löst bei Dramaturgen und Chansoniers das gleiche Schaudern aus wie WALDEMORT für Harry Potter.
Überall wird plagiert, abgekupfert und abgeschrieben, um dann dieses Eigentum zu hüten.
Morgen muss ich einen Vortrag über die Fauna Amerikas halten. Ob ich wohl ein Axolotl erwähnen darf? Oder hat die Hegemann da auch Rechte darauf? Ich habe nämlich keine Lust, dass die beiden Schwarzen das nächste Mal wirklich ernst machen, dafür war einfach zu viel Muskelmasse an ihnen dran.

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