Ich liebe
Stadtbüchereien. Ich finde es einfach toll, an den Regalen vorbei zu
schlendern, Bücher in die Hand zu nehmen und querzulesen, ohne dass eine
Buchhändlerin mich mit Argusaugen beobachtet; ich finde es auch wunderschön,
Bücher zu verstellen, natürlich nur Bücher, die eigentlich gar nicht mehr da
sein sollten, so ist es ein fast heroischer Akt, Hans Grimms Volk ohne Raum
mit der Signatur F 6734 zwischen X 4555 und X 4556 zu stellen, es wird dort auf
immer verloren sein. Ich liebe Stadtbüchereien, in meiner Jugend gingen meine
Mama und ich einmal pro Woche in die Kinderbücherei und suchten Bücher aus, die
sie mir dann vorlas; ich liebe Stadtbüchereien, und wenn es dann noch Gebäude
aus den 50er Jahren sind, ist es der Himmel auf Erden.
Aus diesem
Grund beschliesse ich in Hemmen an der Hemme, als erstes nicht die
Schlosiuskirche (16. Jahrhundert, Schnitzaltar von Dulf Dolbein d. Ä.) oder die
Städtische Galerie (Ausstellung Wolken und Wind – Impressionismus an der
Hemme), sondern die 1954 von Stadtbaumeister Fritz Luppers errichtete
Stadtbibliothek zu besuchen.
Wohin wendet
sich der stadtbüchereiensuchende Tourist? Natürlich geht er in die Tourist
Information, wo ihn eine Frau strahlend begrüsst, die ihr Namensschild als
Beatrice Binger vorstellt. Ich schildere mein Anliegen und bekomme sofort eine
Information: «Sie suchen Bücher? Da kann ich Ihnen die Buchhandlung Rottenberg
oder das Büchercafé Schlossberg empfehlen, gute Auswahl, nette
Bedienung, und sie bestellen auch alles für Sie.» «Sie haben mich, glaube ich,
missverstanden. Ich möchte in die Stadtbücherei Hemmen, die 1954 von Luppers
erbaute Stadtbücherei.» «Ja, ja, die ist im Matthiasquartier, aber wenn Sie
dort sind, wollen Sie bestimmt etwas essen, ich empfehle das Ristorante Roma,
sehr gute Antipasti und eine Lasagne, wie Sie sie noch nie gegessen haben, oder
den Goldenen Löwen, gut bürgerliche Küche, aber auf höchstem Niveau, die
Spargelcremesuppe! Ach ja, und natürlich das Morten’s, etwas hip, etwas
studentisch, dort vor allem Tapas und Sandwiches zu sehr humanen Preisen.» «Ich
will nichts essen! Ich will in die Bücherei! Mit welchem Bus komme ich da hin?»
«Mit der 13, Richtung Badeparadies. Übrigens: Das Badeparadies hat heute von
12.00 bis 22.00 geöffnet, 14 Rutschbahnen, Sprungturm 15 Meter, Saunalandschaft
mit Hamam, Finnischer Sauna, Whirlpool…»
«ICH WILL IN
DIE BÜCHEREI!!!!!!!!!!!!!!!!!!! ICH WILL NICHT INS BADEPARADIES!!!!!!!!!!!! ICH
WILL IN KEINE BUCHHANDLUNG UND IN KEIN RESTAURANT!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! ICH
WILL IN DIE BÜCHEREI!!!!!!!!!!!!!!!»
Mein
Geschrei hat einen Kollegen hervorgelockt, den sein Namensschild als Gerhard
Guckel ausweist. Er fragt nach meinem Geschrei und meinen Wünschen, als ich sie
ihm schildere antwortet er trocken: «Sie nehmen den Bus 13 Richtung
Badeparadies, Haltestelle Mumpfplatz, dann in Fahrtrichtung weiter und die
erste rechts, dann stehen Sie praktisch davor.»
Na also –
geht doch.
Auf der
Fahrt zur Bibliothek denke ich darüber nach, was bei Frau Binger falsch läuft.
Aber ich komme leicht drauf: Sie bekommt Provisionen (oder nennen wir es
Bestechung?) von allen Gewerbetreibenden und in ihrem Kopf laufen dann gewisse
Algorithmen ab:
Bücherei
---- Buchhandlung empfehlen, Botanischer Garten ---- Blumenladen empfehlen,
Schlosiuskirche ---- Devotionalienhandlung Schmidt empfehlen. Matthiasquartier
---- Roma, Goldener Löwe und Morten’s empfehlen,
Luziusquartier ---- Café Pöller empfehlen.
Frau Binger
funktioniert wie die Schweinesuchmaschinen, und damit meine ich nicht die
Suchmaschinen, mit denen man Schweine sucht, sondern Suchmaschinen, die sich
wie Schweine verhalten. Würde man hier nach der Stadtbibliothek Hemme an der
Hemme suchen, würde man zunächst booking.com mit Hemmer Hotels bekommen, dann ebay, dann noch 10 andere Schrottseiten und
auf Seite 2 vielleicht (!), eventuell (!) die Bücherei.
Im Grunde
genommen sind wir wieder in die Zeit VOR der Telefonselbstwahl
zurückgeschliddert. Von Almon Strowger, dem Erfinder der Selbstwahl, heisst es,
«er sei motiviert worden, eine automatisch arbeitende Telefonvermittlung zu
entwickeln, da er Schwierigkeiten mit dem Personal der damals üblichen
Handvermittlung hatte. Er war davon überzeugt, dass das Vermittlungspersonal
der örtlichen Vermittlungsstelle Gespräche bevorzugt an seinen Konkurrenten
leitete. Er hatte auch den Verdacht, dass die Vermittler die Auswahl des
Bestattungsunternehmers durch die Telefonkunden beeinflussen, wenn solche
Dienste erfordert waren. Dieser Verdacht hatte seinen Ursprung in einem Vorfall
in Topeka, als ein Freund starb und die Familie einen Konkurrenten
kontaktierte.» (Wikipedia)
Machen Sie
mal den Test und probieren Sie verschiedene Suchmaschinen aus, es gibt wenige
die Ihnen wirklich beim Suchen helfen und damit auch den Namen Suchmaschine
verdienen.
Die
Stadtbibliothek Hemmen war übrigens eine Wucht, ich habe 5 schöne Stunden in dem 50er Jahre-Bau verbracht.
Währenddessen habe ich Und Jimmy ging zum Regenbogen von J. M. Simmel (K 89) zwischen A 123 und A 124, Die christliche Familie von Larry Christenson (C 211) zwischen Z 77 und Z 78 und Nichts als die Wahrheit (K 99) von Dieter Bohlen zwischen Y 56 und 57 gestellt.
Währenddessen habe ich Und Jimmy ging zum Regenbogen von J. M. Simmel (K 89) zwischen A 123 und A 124, Die christliche Familie von Larry Christenson (C 211) zwischen Z 77 und Z 78 und Nichts als die Wahrheit (K 99) von Dieter Bohlen zwischen Y 56 und 57 gestellt.
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