Ich sitze
vor meinem Laptop und mir fällt nichts ein.
Gar nichts.
Überhaupt
nichts.
Soll ich mal
wieder was über Trump schreiben? Ausgelatscht. Oder über die SPD? Gibt es die
überhaupt noch? Soll ich mal wieder den Brexit thematisieren? Oder die AfD?
Ich sitze
vor meinem Laptop und mir fällt nichts ein.
Gar nichts.
Überhaupt
nichts.
«Na», sagt
mein Kumpel neben mir, «hat dich die Muse nicht geküsst?» «Die Musen sind auch
nicht mehr das, was sie mal waren», sage ich, und beginne zu erzählen.
Neulich sass
ich auch mal so wieder mit Schreibhemmung und ohne Inspiration, so düster und
dumpf am Schreibtisch, da dachte ich, ich rufe mal die Muse an, und zwar im
Sinne von «mit der Stimme zu einer Gottheit flehen» und nicht von
«telefonieren». Als ich aber dann Luft holen wollte, um meine Stimme zu
erheben, erschien auf einmal eine Telefonnummer auf meinem Laptop: 0800 567
3418765 (30 ct/Min.) Also so was! Jetzt ist ein Musen-Anruf nun doch ein
Musen-Telefonat, und gratis ist es auch nicht. Ich wähle die Nummer und nach 10
Minuten Warteschleife (…bis dahin ist Ihr Anruf kostenlos…) meldete sich
Thalia. Glück gehabt! Als Muse der Komödie schien sie mir genau die Richtige.
«Hallo Thalia», säuselte ich, «kannst du kommen und mich küssen?» «Mmmmm, du
schreibst ja eher so politisch, so gesellschaftlich, das ist
Geschichtsschreibung, gehört ins Ressort von Clio.» «Dann hol mir mal bitte
Clio an den Apparat.»
Clio hielt
sich dann aber auch für nicht zuständig, meine Themen, Brexit, AfD, Klima, SPD,
usw., usw., usw. seien doch nun wirklich Tragödien und fielen damit ins Gebiet
von Melpomene.
Nun erkannte
ich, was ich beim Betrachten alter Friese und Mosaiken schon längst hätte
bemerken müssen:
Die Musen
sind stinkefaul. Auf keiner Darstellung und auf keiner Abbildung tun sie
irgendwas, sie räkeln sich nur malerisch um Apollo herum und lächeln süffisant.
Nie ist eine irgendwas am Machen oder Arbeiten. Räkeln, Faulenzen, Lächeln, das
ist ihr Metier.
«Hallo, ihr
faulen Racker», brüllte ich jetzt in den Hörer, «eine von euch kommt jetzt her
und küsst mich, das ist schliesslich euer Job.»
Eine halbe
Stunde später erschien dann doch Thalia. Anscheinend hatten die Damen sich nun
doch geeinigt, dass Glossen in den Bereich der Komödie fallen. Thalia ging als
erstes an meine Hausbar und schenkte sich einen Whiskey ein, sie hockte sich
auf meinen Besuchersessel und packte ihre Marlboro aus. «Rauchen bitte auf dem
Balkon», knurrte ich, aber das war ihr völlig wurscht, sie zündete ihre Kippe an
und es blieb mir nichts anderes übrig, als den Aschenbecher zu holen, die gute
Frau – so schätzte ich sie ein – hätte erbarmungslos auf meinen Teppich
geascht. Sie nahm einen tiefen Schluck Jack Daniel’s und fragte dann nuschelnd:
«Was schreibst’n so?» «Noch gar nichts, ich warte ja noch auf den Musenkuss!»
«Ja, klar, muss mich nur noch ‘n Moment entspannen.»
«Von was?»,
dachte ich, «von was, du faule Schlampe?», behielt dann aber doch diesen
Gedanken für mich und sprach ihn nicht aus.
Nach 35
Minuten, 7 Marlboros und 4 (!) Gläsern Whiskey kam er dann endlich:
Der
Musenkuss.
Der
Musenkuss war ein Schmätzchen auf die Backe, wie man es einer ungeliebten Tante
beim Abschied gibt, ohne Empathie, ohne Leidenschaft und ohne Subtilität.
Und damit
verschwand Thalia, nicht ohne sich die Erdnüsse, die ich ihr auf den
Besuchertisch gestellt hatte, in die Hosentasche abzufüllen. Ja, Hosentasche,
denn natürlich hatte die Muse kein wallendes weisses Gewand getragen, sondern
ein lila Top und Jeans, und zwar die geschmacklose Variante mit industriell
vorgefertigten Löchern.
Nein, die
Musen sind nicht mehr, was sie mal waren.
Oder sind
sie das nicht mehr, was sie NOCH NIE waren?
Fakt ist ja,
dass ab dem 20. Jahrhundert die Dichter sich andere Inspirationsquellen suchen mussten:
·
Ausgedehnte Road-Trips in klapprigen Autos
·
Marihuana, Koks, LSD oder Absinth
·
Sexuelle Ausschweifungen und SM-Praktiken
·
Internet (was, den Vorteil hat, dass man dort
wie Helene Hegemann gleich alles copypasten kann…)
Ich sitze
vor meinem Laptop und mir fällt nichts ein.
Gar nichts.
Überhaupt
nichts.
Soll ich mal
wieder was über Putin schreiben? Ausgelatscht. Oder über die CDU? Gibt es die
überhaupt noch? Soll ich mal wieder den Klimawandel thematisieren? Oder die
AfD?
Ich sitze
vor meinem Laptop und mir fällt nichts ein.
Aber jetzt
merke ich, dass mir die Komödien-Schlampe eigentlich – ohne dass sie es wollte
– doch einen guten Post beschert hat.
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