Dienstag, 5. Juni 2018

Löcher im Gesetz (2): Von Schreibbüros und Einbrecherläden


Ich durfte neulich in der Schreibwerkstatt STIFT&IDEE in Olten Zeuge eines reizenden Dialoges
werden:

Kunde:            Ich hätte gerne eine wissenschaftliche Arbeit über die kubistischen Elemente im Werk von Max Ernst.
Schreiberin:    Gibt es das nicht schon?
Kunde:            In dieser Explizität nicht.
Schreiberin:    Das käme Sie nicht ganz billig…
Kunde:            Wie viel in etwa?
Schreiberin:    Nun, mit Recherche, Exzerpieren, Bibliographieren, dann Schreiben, Lektorieren kommen sicher 100 Stunden zusammen, pro Stunde 100.- inkl. MwSt. macht 10 000.-
Kunde:            Geld spielt keine Rolle.
Schreiberin:    Gut, darf ich fragen, was Sie mit der Arbeit vorhaben?
Kunde:             Es wird ein Geschenk für meinen Vater, er ist Kunsthistoriker.
Schreiberin:     ??????????????
Kunde:             Ja, er wird 80 und ich möchte ihm etwas ganz Spezielles geben.
Schreiberin:     Sie wissen, dass Sie die Arbeit aber nicht missbrauchen dürften.
Kunde:             Missbrauchen?
Schreiberin:     Ja, Sie dürfen sie z.B. nicht als eigene Diplomarbeit ausgeben.
Kunde:             Wofür halten Sie mich? Das ist doch sonnenklar.
Schreiberin:     Oder als Dissertation.
Kunde:             Gott bewahre, nein!
Schreiberin:     Oder als Habilitationsschrift.
Kunde:             Jetzt hören Sie schon auf! Sie unterstellen mir hier Dinge…
Schreiberin:     Ich unterstelle Ihnen gar nichts, es soll gelegentlich vorgekommen sein, dass solche    Arbeiten an Unis auftauchten.
Kunde:            Aber das sind doch Halunken! Ich will hier ein Birthday-Present für meinen Daddy und Sie setzen mich mit solchen Subjekten gleich!
Schreiberin:    Es tut mir leid, aber ich muss Sie darauf hinweisen.
Kunde:            Schon gut. Nein, das wird ein Geschenk, ich selber habe ja gar keine Verwendung dafür. 
Schreiberin:    Sie sind kein Kunsthistoriker?
Kunde:            Nein, nein, ich bin Vergleichender Kulturwissenschaftler.
Schreiberin:    Ja, das ist etwas völlig anderes.
Kunde:            Ja. Wann ist die Arbeit fertig?
Schreiberin:    In einem Monat, circa.
Kunde:            Ich freue mich.

Natürlich bin ich hier Zeuge eines schweinisch illegalen Vorganges geworden. Oder eben nicht.Denn 
es ist nicht verboten, Texte für Geld zu schreiben, auch wissenschaftliche, illegal wird es erst, wenn
der Student die Arbeit als Diplomtext, Diss oder Habilschrift einreicht.

Genauso verhält es sich mit dem Dialog, den eine Kundin in der Do-it-yourself-Handlung
BRICK&STICK&QUICK führte und den ich auch heimlich belauschen durfte.

Kundin:                Ich bräuchte einen Vorschlaghammer.
Verkäufer:           Gross? Was wollen Sie einschlagen?
Kundin:                Fenster.
Verkäufer:            Dann nehmen wir mittlere Grösse.
Kundin:                Und eine Brechstange bitte.
Verkäufer:            Für Türen?
Kundin:                Ja, aber eine handliche.
Verkäufer:            (holt das Gewünschte)
Kundin:                Haben Sie auch Handschuhe und schwarze Skimützen?
Verkäufer:            Haben wir im oberen Stock.
Kundin:                Gut, kann ich die Werkzeuge unten lassen und später alles zusammen zahlen?
Verkäufer:            Selbstverständlich.
Kundin:                Dann vielen Dank erstmal.

Abgesehen davon, wie schön es ist, dass Frauen immer mehr in Männerdomänen eindringen, war
auch das eine ziemlich heikle Sache; hier wurde klar ein gewaltsamer Einbruch vorbereitet. Dies aber
in völliger Legalität, denn es ist nicht verboten, Brechstangen und Vorschlaghämmer, es ist nicht
untersagt, Skimützen und Handschuhe zu verkaufen und auch nicht illegal, diese Gegenstände in
dieser Kombination anzubieten. Umgekehrt darf die Kundin auch alle diese Sachen erwerben. Der
Verkäufer kann sich immer herausreden («Mich interessiert nicht, was meine Kunden damit
machen…) und die Kundin kann genügend Gründe für den Besitz dieses Warenkorbes erfinden.
In einem demokratischen Rechtsstaat ist da nichts zu machen.
Vielleicht sollten wir deshalb diesen abschaffen, dazu ein anderes Mal mehr.

P.S. Sie werden sich fragen, was ich in STIFT&IDEE und in BRICK&STICK&QUICK gesucht habe.
Ersteren wollte ich meine Dienste anbieten, zu den Zweiten musste ich, weil die Ersten meine
Dienste nicht nahmen…

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