Freitag, 12. Januar 2018

Warten



Wissen Sie, was wir 2018 wieder am meisten tun werden?

Wir werden warten.

Wir werden zwar auch schlafen, essen, trinken, wir werden unsere Wohnungen putzen und aufräumen, wir werden 2018 arbeiten und freizeiten, wir werden Sex haben und Sport machen (für viele ist das eh das Gleiche), wir werden Wehwehchen haben und zum Arzt gehen, lange Haare bekommen und zum Friseur, wir werden 2018 Musik hören und Bücher lesen, wir werden Filme schauen und Mails angucken, wir werden viele Dinge tun, aber am meisten werden wir…

Genau.
Warten.
Wie wir auch 2017 und 2016 und 2015 am meisten gewartet haben.

Und zwar nicht nur die Menschen, die aus religiösen und ideologischen Gründen warten, die eine Heilserwartung haben, da steckt ja das Warten schon drin, also die, die auf das Reich Gottes, den Jüngsten Tag, die auf den Kommunismus warten, diejenigen, die auf Armageddon oder das Neue Jerusalem, die auf Ragnarök oder andere apokalyptische Dinge warten, sondern alle.

Wir werden warten.
Im Winter werden wir auf das Frühjahr, im Frühling auf den Sommer warten, dann in der heissesten Jahreszeit auf den Herbst und wenn die Blätter fallen, wieder auf den Winter.
Wir werden auf die Fastnacht warten, auf den Valentinstag, auf Ostern, wir werden auf die Spargelzeit und die Öffnung der Freibäder warten, auf Halloween und auf die Weihnachtszeit. In jener Zeit wird dann wieder ganz schlimm gewartet, auf das Christkind, den Weihnachtsmann, auf den Samichlaus und auf den Tannenbaum.

Warten.

Wir werden Stunden, wenn nicht Tage in Warte-Schleifen zubringen und uns Musik anhören, Pour Elise oder New Age, die Kleine Nachtmusik oder New York, New York. Wir werden die Callcenter verfluchen und Verwünschungen an die Herstellerfirmen und Dienstleister schicken, aber wir werden warten. 

Wir werden auf Züge, Busse und Trams warten, auf Warteplätzen und in Wartehäuschen, wir werden warten, bis endlich ein Verkehrsmittel kommt, wenn wir das Unglück haben, in Deutschland zu wohnen, kann das sehr lange gehen. Die DB ist wohl die Organisation, die die grösste Anzahl Leute zum Warten zwingt.
Aber Auto und Flugzeug sind da nicht besser. Was machen Sie in einem Stau? Genau, warten, dass es weitergeht; und was Sie an einem Flughafen zusammenwarten, das geht auch auf keine Kuhhaut, Sie warten am Check-in, an der Sicherheitskontrolle, Sie warten beim Boarding und dann im Flieger auf den Start, und nach der Landung warten Sie noch einmal eine Stunde auf Ihr Gepäck, bis Sie merken, dass es nicht nach München, sondern nach Murmansk geschickt wurde, klingt ja auch so ähnlich.

Wir werden warten.
Auf bessere Zeiten.
Auf die Rechnung im Restaurant, die man vor 45 Minuten angefordert hat.
Auf den Monteur, der gesagt hat, er komme «zwischen 8.00 und 10.00», was IMMER 9.59 heisst.
Auf die Kontogutschrift, die Sie brauchen, um Ihre Krankenkassenprämie zu zahlen, denn die Versicherung wartet nämlich nicht.

Deutschland wird weiter auf seinen Flughafen warten und Stuttgart auf seinen Bahnhof. Generell werden im ehemaligen Land der Präzision und des Fleisses 3498 Bauprojekte auf ihre Fertigstellung warten, die sich sicher wieder bis 2019 verschiebt.

Wir werden warten.  
Wir werden zwar auch viele andere Dinge tun, aber fast jede Tätigkeit ist mit Warten verbunden, beim Schlaf werden wir warten, bis Morpheus endlich erscheint, beim Essen warten, bis das Nudelwasser endlich kocht. Beim Sex werden wir warten, bis der oder die andere in Stimmung ist  und beim Sport bis endlich das Gerät im Fitnessstudio oder die Dusche im Hallenbad frei ist. Wir werden Wehwehchen haben und beim Arzt – warten. Wir werden lange Haare bekommen und beim Friseur – warten. Wir werden Musik hören und Filme schauen und Mails angucken, und dabei werden wir auf Download, Dateiöffnung, Weiterleitung…

Genau.
Warten.

In diesem Sinne: Ein fröhliches Wartezweitausendundachtzehn.








1 Kommentar:

  1. Ein witziger Text den man beliebig erweitern kann!
    Mir fehlt jetzt nur noch eine ähnliche Ausgabe mit - Erwartungen.

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