Es ist im
Café von Ausländern die Rede, von Ausländern, die Mühe haben, sich sprachlich
an die Schweizer anzupassen. Und es wird gar nicht von Mundart geredet, sondern
von der guten Deutschen Standardsprache. Und nun erzählt einer von einem
Ausländer, der schon zwei Jahre in der Eidgenossenschaft wohne und noch immer
nicht in der Lage sei, die einfachsten Dinge wie z.B. «Ich hätte gerne einen
Kaffee mit Milch», «Ich würde gerne aussteigen» oder «Wo ist das Postamt»
auszudrücken. Was aber viel schlimmer sei, Freunde von diesem Kerl hätten eine
Beiz aufgemacht, in der nicht nur alle Speiskarten in deren Sprache seien,
sondern auch gar kein Deutsch gesprochen werde, ja, wolle man in diesem
Etablissement etwas bestellen, dann müsse man sich dieser fremden Zunge
bedienen.
Ein Raunen
geht durch die Runde, ein Raunen, das in heftigeres Grummeln mündet, und – wäre
man nicht eigentlich links und sehr intellektuell und überhaupt – in Rufen wie
«Scheissasylanten» und «Ausländerpack» münden könnte.
Nun muss
der, der die Rede anfing und von jenem Mann berichtete, allerdings noch
anfügen, dass es sich um keinen Syrer, keinen Türken oder Perser, genauso wenig
wie um einen Eritreer oder Kenianer oder Nigerianer handele, nein, es sei ein
Expat aus Babylon, Oklahoma in den USA.
Nun geht
wieder ein Raunen durch die Runde, aber ein fröhliches, ein heiteres, ein
Raunen, das eher einem erleichterten Seufzen ähnelt, so, als habe jemand eine
Horrorgeschichte erzählt und die Hauptfigur ist doch davongekommen oder wie
nach einem guten Witz.
Nun aber
packt es mich und ich schlage auf den Tisch, dass die Tassen und Teller und
Löffel in einem wilden Ballett durch die Luft tanzen und sich dann collagesk
auf dem Marmorboden lagern. «Wo», so rufe ich, «ist der Grund zu einer solchen
Erleichterung?»
Jetzt aber
mal im Ernst: In der Schweiz hat es vier Landessprachen: Deutsch, Französisch,
Italienisch und Rätoromanisch; Englisch ist keine davon. Dass fast jeder
Schweizer Englisch kann, macht es noch zu keiner offiziellen Sprache, fast
jeder Niederländer kann Deutsch, dennoch käme niemand auf die Idee, das
Deutsche als quasi Amtssprache zu sehen, das gleiche gilt für die Luxemburger.
Wieso meinen
dennoch 80% der Expats, ohne ein Wort Deutsch durchkommen zu können? Wieso
marschieren regelmässig irgendwelche Amis oder Briten in den Supermarkt und
fragen: «Where is the cheese?» oder «Where are the vegetables?»
Ganz
einfach: Weil wir uns auf das Spiel einlassen.
Und das
sollten wir nicht.
Ich erzähle
noch eine Geschichte, und im Gegensatz zu den obigen ist sie wirklich wahr. Als
ich neulich in einem grossen Elektronikmarkt (ich nenne keinen Namen, ich bin
doch nicht blöd) zum Bezahlen einer Druckerpatrone anstand, zahlte vor mir eine
junge Frau mit einem Riesenkoffer neben sich, in dem sich Recyclinggut befand,
denn sie fragte die Kassiererin: «These are old batteries and such things, where
can I leave it?» Zum grossen Erstaunen der Amerikanerin sprach die Frau an der
Kasse kein Englisch, sie verwies allerdings mit freundlichstem Lächeln auf die
Nebenkasse, wo eine des Englischen mächtige Frau bediente. Allerdings hätte die
Kundin dann noch einmal anstehen müssen, denn an dieser Kasse warteten schon
sechs andere Leute. Sie zog mit ihrem ganzen Quark von dannen. Ich überlegte
mir lange die drei möglichen Varianten:
a)
Ich schaue verlegen in die Runde und tue so, als
ob ich auch kein Englisch könne.
b)
Ich oute mich als Englischsprechender, übersetze
und helfe der Kundin.
c)
Ich oute mich als Englischsprechender, scheisse
(s.v.v.) die Kundin zusammen und helfe ihr nicht.
Ich
entschied mich für die pädagogisch richtige und nette Variante a)
Denn nur
wenn die junge Frau regelmässig mit ihrem Altglas, ihrem Altpapier, mit ihren
alten Batterien und ihren alten PET-Flaschen wieder heimmuss, nur wenn sie ohne
Gemüse, ohne Milch, wenn sie ohne Butter und ohne Fleisch aus dem DENNER kommt,
nur wenn sie gewisse Orte eben nicht findet und im Restaurant nichts bestellen
kann, wird sie die Sprache des Gastlandes rudimentär lernen.
Jetzt kommen
Sie mir bitte nicht mit «Vielleicht ist sie noch nicht lange da».
Die gute
Frau hatte 100 Batterien, drei alte Kabel, zwei Radiowecker und 15 Steckleisten
dabei. Das hat sie nicht alles eingeführt, um es dann in der ersten Woche
Schweiz dort zu verchrotten.
Noch ein
Wort zu diesen Beizen, diesen Bars, noch ein Satz zu diesen Kneipen, Pubs und
Inns, zu diesen Restaurants, in denen das Deutsche verschwunden ist: Die Gäste
mögen es ja chic finden, aber – ehrlich gesagt – es gehört verboten, und zwar
gesetzlich. (Ja, diese Etablissements gibt es wirklich!) Stellen Sie sich vor,
ein Genfer würde in Zürich ein Bistrot eröffnen, in dem nur Französisch
gesprochen würde, Sie also auf Französisch die auf einer nur in Französisch
geschriebenen Speisekarte verzeichneten Gerichte und Getränke bestellen
müssten.
Es wäre der
Teufel los!
Dabei ist
Français eine Landessprache, eine Sprache, deren Kenntnis man noch bei jedem
Schweizer voraussetzen kann. Warum räumen wir der Sprache des Vereinigten
Königreichs und der Vereinigten Staaten Privilegien ein, die nicht mal unsere
Landessprachen haben?
Ich habe mir
einen schönen Satz zurechtgelegt, den Sie sich auch merken sollten:
«I speak
English, but I’m not speaking English.»
Dass der Satz
vom Logischen her Blödsinn ist, tut dem Effekt keinen Abbruch.
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