Freitag, 5. Januar 2018

Lernt Deutsch!



Es ist im Café von Ausländern die Rede, von Ausländern, die Mühe haben, sich sprachlich an die Schweizer anzupassen. Und es wird gar nicht von Mundart geredet, sondern von der guten Deutschen Standardsprache. Und nun erzählt einer von einem Ausländer, der schon zwei Jahre in der Eidgenossenschaft wohne und noch immer nicht in der Lage sei, die einfachsten Dinge wie z.B. «Ich hätte gerne einen Kaffee mit Milch», «Ich würde gerne aussteigen» oder «Wo ist das Postamt» auszudrücken. Was aber viel schlimmer sei, Freunde von diesem Kerl hätten eine Beiz aufgemacht, in der nicht nur alle Speiskarten in deren Sprache seien, sondern auch gar kein Deutsch gesprochen werde, ja, wolle man in diesem Etablissement etwas bestellen, dann müsse man sich dieser fremden Zunge bedienen.
Ein Raunen geht durch die Runde, ein Raunen, das in heftigeres Grummeln mündet, und – wäre man nicht eigentlich links und sehr intellektuell und überhaupt – in Rufen wie «Scheissasylanten» und «Ausländerpack» münden könnte.
Nun muss der, der die Rede anfing und von jenem Mann berichtete, allerdings noch anfügen, dass es sich um keinen Syrer, keinen Türken oder Perser, genauso wenig wie um einen Eritreer oder Kenianer oder Nigerianer handele, nein, es sei ein Expat aus Babylon, Oklahoma in den USA.
Nun geht wieder ein Raunen durch die Runde, aber ein fröhliches, ein heiteres, ein Raunen, das eher einem erleichterten Seufzen ähnelt, so, als habe jemand eine Horrorgeschichte erzählt und die Hauptfigur ist doch davongekommen oder wie nach einem guten Witz.
Nun aber packt es mich und ich schlage auf den Tisch, dass die Tassen und Teller und Löffel in einem wilden Ballett durch die Luft tanzen und sich dann collagesk auf dem Marmorboden lagern. «Wo», so rufe ich, «ist der Grund zu einer solchen Erleichterung?»   

Jetzt aber mal im Ernst: In der Schweiz hat es vier Landessprachen: Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch; Englisch ist keine davon. Dass fast jeder Schweizer Englisch kann, macht es noch zu keiner offiziellen Sprache, fast jeder Niederländer kann Deutsch, dennoch käme niemand auf die Idee, das Deutsche als quasi Amtssprache zu sehen, das gleiche gilt für die Luxemburger.
Wieso meinen dennoch 80% der Expats, ohne ein Wort Deutsch durchkommen zu können? Wieso marschieren regelmässig irgendwelche Amis oder Briten in den Supermarkt und fragen: «Where is the cheese?» oder «Where are the vegetables?»
Ganz einfach: Weil wir uns auf das Spiel einlassen.
Und das sollten wir nicht.

Ich erzähle noch eine Geschichte, und im Gegensatz zu den obigen ist sie wirklich wahr. Als ich neulich in einem grossen Elektronikmarkt (ich nenne keinen Namen, ich bin doch nicht blöd) zum Bezahlen einer Druckerpatrone anstand, zahlte vor mir eine junge Frau mit einem Riesenkoffer neben sich, in dem sich Recyclinggut befand, denn sie fragte die Kassiererin: «These are old batteries and such things, where can I leave it?» Zum grossen Erstaunen der Amerikanerin sprach die Frau an der Kasse kein Englisch, sie verwies allerdings mit freundlichstem Lächeln auf die Nebenkasse, wo eine des Englischen mächtige Frau bediente. Allerdings hätte die Kundin dann noch einmal anstehen müssen, denn an dieser Kasse warteten schon sechs andere Leute. Sie zog mit ihrem ganzen Quark von dannen. Ich überlegte mir lange die drei möglichen Varianten:
a)       Ich schaue verlegen in die Runde und tue so, als ob ich auch kein Englisch könne.
b)      Ich oute mich als Englischsprechender, übersetze und helfe der Kundin.
c)       Ich oute mich als Englischsprechender, scheisse (s.v.v.) die Kundin zusammen und helfe ihr nicht.
Ich entschied mich für die pädagogisch richtige und nette Variante a)
Denn nur wenn die junge Frau regelmässig mit ihrem Altglas, ihrem Altpapier, mit ihren alten Batterien und ihren alten PET-Flaschen wieder heimmuss, nur wenn sie ohne Gemüse, ohne Milch, wenn sie ohne Butter und ohne Fleisch aus dem DENNER kommt, nur wenn sie gewisse Orte eben nicht findet und im Restaurant nichts bestellen kann, wird sie die Sprache des Gastlandes rudimentär lernen.
Jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit «Vielleicht ist sie noch nicht lange da».
Die gute Frau hatte 100 Batterien, drei alte Kabel, zwei Radiowecker und 15 Steckleisten dabei. Das hat sie nicht alles eingeführt, um es dann in der ersten Woche Schweiz dort zu verchrotten.  

Noch ein Wort zu diesen Beizen, diesen Bars, noch ein Satz zu diesen Kneipen, Pubs und Inns, zu diesen Restaurants, in denen das Deutsche verschwunden ist: Die Gäste mögen es ja chic finden, aber – ehrlich gesagt – es gehört verboten, und zwar gesetzlich. (Ja, diese Etablissements gibt es wirklich!) Stellen Sie sich vor, ein Genfer würde in Zürich ein Bistrot eröffnen, in dem nur Französisch gesprochen würde, Sie also auf Französisch die auf einer nur in Französisch geschriebenen Speisekarte verzeichneten Gerichte und Getränke bestellen müssten.
Es wäre der Teufel los!
Dabei ist Français eine Landessprache, eine Sprache, deren Kenntnis man noch bei jedem Schweizer voraussetzen kann. Warum räumen wir der Sprache des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten Privilegien ein, die nicht mal unsere Landessprachen haben?

Ich habe mir einen schönen Satz zurechtgelegt, den Sie sich auch merken sollten:
«I speak English, but I’m not speaking English.»

Dass der Satz vom Logischen her Blödsinn ist, tut dem Effekt keinen Abbruch.

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