Dienstag, 28. November 2017

Der Verein der Protestler



Ich hatte Sie noch nie um Spenden gebeten, und ich tat es neulich dennoch. Ich habe Sie auch noch nie auf einen Verein hingewiesen oder Ihnen eine Mitgliedschaft ans Herz gelegt. Aber genau das möchte ich mit diesem Post machen. Ich bin auf einen sehr spannenden Club gestossen, den ich Ihnen wärmstens empfehlen kann. Hier die Statuten:

Statuten des Vereines der Gegner etablierter Dinge / Freunde des Protestes (VGED/FP)

§ 1
Unter dem Namen Vereines der Gegner etablierter Dinge / Freunde des Protestes (VGED/FP) hat sich am 3.11.2016 ein Club gegründet, der sich als Ziel den Kampf gegen gebräuchliche und etablierte Sachen gesetzt hat. Mitglied kann werden, wer sich den untengenannten Bedingungen unterwirft und damit die Sache unterstützt.

§2
Der VGED/FP hat keinen Vorstand (etablierte Struktur!), keinen Präsidenten (etablierte Struktur!), er hat keine Generalversammlung (etablierte Struktur!) und keine Mitgliedsbeiträge (etablierte Struktur!).

§3
Die Mitglieder verpflichten sich den in den Paragraphen 4 bis 8 festgehaltenen Regeln Folge zu leisten, sie zu verinnerlichen und gut zu heissen. Verstösse gegen §4 – §8 werden mit sofortigem Ausschluss geahndet.

§4
Ein Mitglied des VGED/FP zeigt in Kleidung, Essgewohnheiten und Auftreten seinen Protest gegen das Hergebrachte. So trägt es im Sommer warme, lange Kleidungsstücke und im Winter Beachwear, es ernährt sich nur von Produkten, die auf herkömmlichem Wege kaum zu beschaffen sind. (Yak, Gnu, Maniok usw.) Ein Mitglied des VDED/FP läuft niemals normal durch die Gegend. Es kriecht, robbt oder hüpft, es geht rückwärts oder seitwärts, wenn es steht oder sitzt, nimmt es eine auffällige und unetablierte Haltung ein, Vorbilder sind hier die Statue of Liberty oder der Dornenauszieher.

§5
Ein Mitglied des VGED/FP zeigt in seinem Kunstgeschmack eine Haltung, die dem Mainstream entgegenläuft. Nun ist zu beachten, dass der Mainstream in den verschiedenen Sparten auch ganz verschieden aussieht. Während also das VGED/FP-Mitglied durchaus nach Donaueschingen oder Witten darf, während es Lachenmann, Schnebel, Huber und wie sie alle heissen hören kann, darf es niemals ein Bild kaufen, dass an der ART BASEL hängen könnte – an den Wänden sind also naturalistische und kitschige Werke wie «Tanne bei Regen» oder «Stillleben mit Kiwi». Als Lektüre wählt es sich Bücher im Selbstverlag oder mit Auflagen unter 8000. Niemals, niemals, niemals darf es ein Buch lesen, dass einen Preis bekommen hat oder für einen solchen nominiert wurde.

§6
Ein Mitglied des VGED/FP darf kein Gemeindeglied in einer etablierten Kirche sein. Erlaubt sind alle Freikirchen, Sekten und freireligiösen Strukturen. Gerne darf es auch eine eigene Kirche oder Religion gründen, wenn sich der Katechismus mit § 4-8 in Einklang bringen lässt. Natürlich ist auch Agnostik oder Atheismus strengstens verpönt, das Üblichste von allem.

§7
Ein Mitglied des VGED/FP wählt einen Beruf, der in allen seinen Facetten einen Protest gegen das Hergebrachte und Allgemeinnormale aufscheinen lässt. Juristen, Mediziner, Lehrer etc. haben im VGED nichts verloren. Das Mitglied ist also Telefondesinfizierer(in), Dolmetscher(in) für Baskisch, Handhäkler(in), ist Tiergesangslehrer(in), Blumencoach oder Türklinkenmodellateur(in). Solange das noch der Mainstream ist – wie lange noch? wie lange noch? – darf das VEGD/FP-Mitglied auch gerne von der Stütze leben.

§8
Ein Mitglied des VEGD/FP steht politisch auf der Seite der Protestwähler und Protestparteien. Es wählt niemals eine Partei, die seit mehreren Wahlen im zweistelligen Prozentbereich gelegen hat. Der oder die VEGD/FPler(in) wählt also stets Gruppierungen, die sich dem althergebrachten und etablierten Politikbetrieb entgegenstellen. Dass damit Populisten, Rechtsradikale, dass damit Trumps und Wilders’, dass damit AfD und andere unterstützt werden, muss man in Kauf nehmen. Je mehr eine Politikerin oder ein Politiker dem widerspricht, was seit Jahren in der Hauptstadt Usus ist, umso mehr ist er oder sie wählbar für ein Mitglied des VEGD/FP. Dass der Usus manchmal gar nicht so blöd ist, spielt keine Rolle.
VEGD/FPler(innnen) dürfen sich politisch engagieren, aber nur in Parteien, die oben beschrieben wurden. In ihrem politischen Alltag müssen sie wiederum den Grundsätzen des VEGD/FP gehorchen. Als Beispiel: Im Parlament im Hosenanzug am Pult stehen und «Meine sehr geehrten Damen und Herren…» sagen: geht nicht. Im Taucheranzug am Pult stehen und «Arschlöcher!» rufen: geht.

§9
Diese Statuten wurden vom nichtexistierenden Vorstand (etablierte Struktur!) nicht erlassen und von der nichtexistierenden Generalversammlung (etablierte Struktur!) auch nicht gebilligt.
Sie ersetzen nicht die vorhergehenden (etablierte Struktur!), sondern alle nachfolgenden.

Interesse geweckt?
Leider hat der Club keine Homepage (etablierte Struktur!) und auch keine Adresse (etablierte Struktur!). Aber das nächste Treffen ist am 3.12. auf dem Puttgletscher.
Selbstverständlich in Beachwear!
Und zu essen gibt es Yak.
Was dachten Sie denn?


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