Ich muss
neulich auf der Geburtstagsparty von meinem Freund Kalle relativ betrunken
gewesen sein. Sonst hätte ich nicht diesem Michi Schlottinger, der sich als
Event-Kultur-Stimulator-Impresario vorstellte, meine Telefonnummer gegeben. Den
schon der Titel Event-Kultur-Stimulator-Impresario sollte einen stutzig machen.
Jedenfalls notierte sich Schlottinger meinen Anschluss und rief schon am nächsten
Tag an. Und so sass ich an einem Sonntagnachmittag mit einem
Event-Kultur-Stimulator-Impresario im Café Royal, nippte an einem
Cappuccino und hörte mir an, was Michi Schlottinger von mir wöllte (sic).
«Musical»,
sagte er.
Und ich
dachte natürlich sofort, dass er ein Dirigat von mir wolle, eine
Choreinstudierung oder ein Keyboardspiel, aber ich lag weit daneben, so weit
weg wie sich der Cappuccino von den Cocktails des verfluchten Abends befand.
«Musical»,
sagte er nochmals, «wir machen aus deinem Blog ein Musical.» Und als ich meine
Brauen so hoch zog, dass sie fast an der Decke klebten, zog er einen Entwurf
aus der Tasche und gab ihn mir zu lesen:
1.Bild
Rolf sitzt
am PC und grübelt, springt dann auf und singt:
Ich trinke keinen Kaffee
Ich trinke einen Grog
Ich schreibe keine Lyrik
Ich schreibe einen Blog
Dann schwebt
der Erzengel von oben herab und trällert:
Vom Himmel hoch da kommt ich her
Ich bin der beste Korrekteur
Die beiden
freunden sich in einem kurzen Dialog an und singen darauf:
Jetzt wird alles gecheckt
Jetzt wird alles korrekt
Jetzt ist alles perfekt
Und dann
erscheint noch Josi und schmettert:
Kommentar – Kommentar – Kommentar
Ich schreib einen, der ist
Wunderbar – Wunderbar – Wunderbar
Und dann
packen die drei ihre Koffer und gehen die Abenteuer erleben.
Terzett:
Wir geh’n ins Abenteuer
Wir fahren ohne Steuer
Wir fahren in die Welt
Kommt, lauscht, was sie erzählt
…
Folgen acht
Bilder mit den schönsten Stories, weitere Personen (Merkel! Trump!) – Musik
Crossover (DJ Bobo, Bob Dylan, Gershwin, Nono, Stones, Oberkrainer)
Angewidert
gab ich ihm das Schriftstück zurück. Ob ihm klar sei, fragte ich, dass die
«Stories» keine Erzählgeschichten seien, sondern nur Ausgangspunkte für
satirische Betrachtungen, und ob das Satirisch-Glossistische überhaupt einen
Platz finde? «Papperlapapp», grunzte der Event-Kultur-Stimulator-Impresario,
«die Stories sind Stories und Glossistisches braucht das Publikum eh nicht.»
Ich verliess
fluchtartig das Café und meinte, ich werde mich melden. Was ich natürlich nicht
tun werde. Zusätzlich habe ich meine Telefonnummern geändert und bin umgezogen,
dass Schlottinger mich ja nicht findet.
Warum muss
man alles und jedes zu einem Musical machen?
Warum müssen
die herrlichsten Geschichten und Novellen, Romane und Theaterstücke dran
glauben? Warum kann man nicht irgendetwas Schönes in Ruhe lassen?
Einer meiner
Lieblingstexte ist der Kleine Prinz,
und eine meiner Lieblingsstellen daraus die Szene, wo der Fuchs kommt. Der
Fuchs erklärt dem Kleinen Prinzen, dass er erst gezähmt werden müsse und wie
eine solche Zähmung vor sich ginge. Wenn ich mir nun ausmale, wie ein
Darsteller auf die Bühne käme, in einem kitschigen Fuchskostüm, und diese
herrlichen Worte sänge, dann wird mir fast körperlich übel. Also kann man nur
hoffen, Saint-Exupéry wird in Ruhe gelassen.
Genauso
schlimm wie die Vertonung von Romanen ist die Ansammlung von Liedern bestimmter
Sänger und Songschreibern, um die man dann eine Handlung baut, auch hier haben
so viele ihr Einverständnis gegeben, dass es einem schlecht wird. (Udo1 und
Udo2, hattet ihr das wirklich nötig?)
Gestern kam
ich an einem Plakat vorbei, dass mir die Haare zu Berge stehen liess:
DER KLEINE PRINZ. DAS MUSICAL.
Es gibt es also schon.
DER KLEINE PRINZ. DAS MUSICAL.
Es gibt es also schon.
Gut, dann muss ich jetzt aktiv werden.
Ich werde eine subversive Gruppe gründen, die sich ins Foyer schleicht und dort die Typen musikalischen Verhaltens von Adorno verteilt.
Ou ja, ich will, dass wir 'Typen musikalischen Verhaltens - das Musical' aufführen. Darf ich den 'Gleichgültigen/Unmusikalischen/Antimusikalischen' spielen?☺️🎉
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