Dienstag, 14. November 2017

Bitte keine Musicals mehr! Bitte!



Ich muss neulich auf der Geburtstagsparty von meinem Freund Kalle relativ betrunken gewesen sein. Sonst hätte ich nicht diesem Michi Schlottinger, der sich als Event-Kultur-Stimulator-Impresario vorstellte, meine Telefonnummer gegeben. Den schon der Titel Event-Kultur-Stimulator-Impresario sollte einen stutzig machen. Jedenfalls notierte sich Schlottinger meinen Anschluss und rief schon am nächsten Tag an. Und so sass ich an einem Sonntagnachmittag mit einem Event-Kultur-Stimulator-Impresario im Café Royal, nippte an einem Cappuccino und hörte mir an, was Michi Schlottinger von mir wöllte (sic).
«Musical», sagte er.
Und ich dachte natürlich sofort, dass er ein Dirigat von mir wolle, eine Choreinstudierung oder ein Keyboardspiel, aber ich lag weit daneben, so weit weg wie sich der Cappuccino von den Cocktails des verfluchten Abends befand.
«Musical», sagte er nochmals, «wir machen aus deinem Blog ein Musical.» Und als ich meine Brauen so hoch zog, dass sie fast an der Decke klebten, zog er einen Entwurf aus der Tasche und gab ihn mir zu lesen:

1.Bild

Rolf sitzt am PC und grübelt, springt dann auf und singt:
Ich trinke keinen Kaffee
Ich trinke einen Grog
Ich schreibe keine Lyrik
Ich schreibe einen Blog
Dann schwebt der Erzengel von oben herab und trällert:
Vom Himmel hoch da kommt ich her
Ich bin der beste Korrekteur
Die beiden freunden sich in einem kurzen Dialog an und singen darauf:
Jetzt wird alles gecheckt
Jetzt wird alles korrekt
Jetzt ist alles perfekt
Und dann erscheint noch Josi und schmettert:
Kommentar – Kommentar – Kommentar
Ich schreib einen, der ist
Wunderbar – Wunderbar – Wunderbar
Und dann packen die drei ihre Koffer und gehen die Abenteuer erleben.
Terzett:
Wir geh’n ins Abenteuer
Wir fahren ohne Steuer
Wir fahren in die Welt
Kommt, lauscht, was sie erzählt
Folgen acht Bilder mit den schönsten Stories, weitere Personen (Merkel! Trump!) – Musik Crossover (DJ Bobo, Bob Dylan, Gershwin, Nono, Stones, Oberkrainer)

Angewidert gab ich ihm das Schriftstück zurück. Ob ihm klar sei, fragte ich, dass die «Stories» keine Erzählgeschichten seien, sondern nur Ausgangspunkte für satirische Betrachtungen, und ob das Satirisch-Glossistische überhaupt einen Platz finde? «Papperlapapp», grunzte der Event-Kultur-Stimulator-Impresario, «die Stories sind Stories und Glossistisches braucht das Publikum eh nicht.»
Ich verliess fluchtartig das Café und meinte, ich werde mich melden. Was ich natürlich nicht tun werde. Zusätzlich habe ich meine Telefonnummern geändert und bin umgezogen, dass Schlottinger mich ja nicht findet.

Warum muss man alles und jedes zu einem Musical machen?
Warum müssen die herrlichsten Geschichten und Novellen, Romane und Theaterstücke dran glauben? Warum kann man nicht irgendetwas Schönes in Ruhe lassen?
Einer meiner Lieblingstexte ist der Kleine Prinz, und eine meiner Lieblingsstellen daraus die Szene, wo der Fuchs kommt. Der Fuchs erklärt dem Kleinen Prinzen, dass er erst gezähmt werden müsse und wie eine solche Zähmung vor sich ginge. Wenn ich mir nun ausmale, wie ein Darsteller auf die Bühne käme, in einem kitschigen Fuchskostüm, und diese herrlichen Worte sänge, dann wird mir fast körperlich übel. Also kann man nur hoffen, Saint-Exupéry wird in Ruhe gelassen.

Genauso schlimm wie die Vertonung von Romanen ist die Ansammlung von Liedern bestimmter Sänger und Songschreibern, um die man dann eine Handlung baut, auch hier haben so viele ihr Einverständnis gegeben, dass es einem schlecht wird. (Udo1 und Udo2, hattet ihr das wirklich nötig?)

Gestern kam ich an einem Plakat vorbei, dass mir die Haare zu Berge stehen liess:
DER KLEINE PRINZ. DAS MUSICAL.
Es gibt es also schon.

Gut, dann muss ich jetzt aktiv werden.
Ich werde eine subversive Gruppe gründen, die sich ins Foyer schleicht und dort die Typen musikalischen Verhaltens von Adorno verteilt.

1 Kommentar:

  1. Ou ja, ich will, dass wir 'Typen musikalischen Verhaltens - das Musical' aufführen. Darf ich den 'Gleichgültigen/Unmusikalischen/Antimusikalischen' spielen?☺️🎉

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