Ich habe
eigentlich wenig Bedarf an Solisten, wenn ich eine Messe oder ein Konzert
vorbereite, verlasse ich mich auf meine Stammtruppe. Dennoch flattern mir
ständig Lebensläufe und CDs ins Haus von Leuten, die mir vorsingen wollen.
Gestern war wieder so etwas im Briefkasten:
XYZ begann seine Studien bei Prominenter
Name und setzte sie bei Prominenter Name und Prominenter Name fort. Nach seinem
Abschluss machte er bei Prominenter Name die Ausbildung zum Konzertsänger.
Meisterkurse bei Prominenter Name,
Prominenter Name, Prominenter Name, Prominenter Name, Prominenter Name,
Prominenter Name, Prominenter Name, Prominenter Name und Prominenter Name.
Zusammenarbeit mit Orchestern wie Prominenter
Name, Prominenter Name, Prominenter Name, Prominenter Name und Prominenter Name
und Dirigenten wie Prominenter Name, Prominenter Name, Prominenter Name,
Prominenter Name, Prominenter Name und Prominenter Name.
Engagements am Stadttheater Trier («Figaro» unter
Prominenter Name, «Zauberflöte» unter Prominenter Name) und am Stadttheater Ulm
(«Aida» unter Prominenter Name).
Intensive Arbeit im Lied- und Oratorienfach.
Zusammenarbeit mit Prominenter Name, Prominenter Name und Prominenter Name als
Begleiter.
Wer will so
etwas lesen?
Niemand.
Doch,
Organisationen wie die Schlumpf-Stiftung, die Beckler-Stiftung, die Stiftung
Dr. Blödhorn und die Stiftung Franziella Wiebel-Damhorst, Institutionen wie die
Studienförderung Hessen-Nassau, die Studienstiftung Husum-Eiderstedt und die
Begabtenförderung Südlicher Odenwald wollen genau solche Curricula.
Ich nicht.
Bestenfalls
stimmt alles, das wäre schon mal ein kleines Plus. Es wird nämlich nirgends so
geschönt, gefälscht, es wird nirgends so gelogen und geschwindelt, so geflunkert
und betrogen wie bei CVs. Da hat man zweimal ein Orchester dirigiert und ist
schon «Ständiger Gastdirigent»; oder das «Sinfonieorchester Jüterbog» ist
eigentlich ein Ad-hoc-Haufen. Je weiter weg die Sache, umso mehr kann man
lügen. Haben Sie jemals nachkontrolliert, ob das Filhrrmnotschik Oketradsa
Lutenblag überhaupt existiert? Oder die Oppraera Kommischke in der Molwanîschen
Hauptstadt?
Ganz nett
wird es bei den Rollen. XY hat im Figaro gesungen. Aber was? Den Conte Almaviva
oder die Nebenrolle des betrunkenen Gärtners? Was war er in der Zauberflöte?
Sarastro oder Zweiter Priester?
Ich konnte einmal wirklich einen solchen
Schwindel aufdecken. Da schrieb ein Tenor, der echt nicht singen konnte, er
habe in einer deutschen Grossstadt in einer Produktion der «L'incoronazione di
Poppea» mitgewirkt, und da mein Dirigierlehrer die Aufführungen leitete und ich
auch zuhören konnte, wusste ich, was jener T.o.h.R. (Tenor ohne hohe Register)
dort gesungen hatte: Den dritten Freund des Seneca, eine Partie, die an Kürze
und Schlichtheit nicht zu überbieten ist und auch von meinem Postboten
interpretiert werden könnte. (Oh, unterschätzen Sie meinen Postboten nicht! Er
singt im Basler Gesangsverein und hat sich letzte Weihnachten mit einer ganz
gelungenen Interpretation des Frohe
Hirten, eilet, ach eilet für das Trinkgeld bedankt.)
Wenn nun
aber alles stimmt, macht es doch die Sache nicht besser. Die Curricula sind
einfach langweilig. Sie fesseln nicht. Und wenn dann noch ein Oratorium
aufgeführt wird, haben Sie sechs solcher Dinger vor sich: Sopranistin,
Altistin, Tenor, Bass, Choreinstudierung und Gesamtleitung.
Was wäre
aber nun besser?
Dinge zu
schreiben, die wirklich spannend sind.
Mit wem hat
die Sopranistin alles Affären gehabt?
Warum hat
die Altistin von Prominenter Name zu Prominenter Name gewechselt?
Künstlerische Gründe oder Zickenkrieg?
Ist der
Tenor so schwul, wie er auf dem Foto aussieht?
Ist der Bass
Alkoholiker?
Es würde
einen doch viel mehr interessieren, wie viele Vorstrafen der Chorleiter hat,
als die Anzahl der Einstudierungen.
Es würde
einen viel mehr erfreuen zu wissen ob der Dirigent exotische Haustiere hat (und
welche) als zu erfahren, dass er das eine oder andere Orchester in exotischen
Ländern leitete. (Falls diese überhaupt existieren, siehe oben.)
Was wir
bräuchten, wäre die gute alte Tradition des Fragebogens statt Curricula. Wenn
die Fragen richtig gestellt sind, erfährt man alles über die Person. Gell, das
ist klar: Ich meine solche à la Max Frisch und nicht die in der
Partnersuchspalte des BLICK AM ABEND.
P.S.:
Molwanien und Lutenblag gibt es natürlich nicht wirklich, aber es gibt einen Reiseführer für Urlaube dort Molwanîen – das Land des schadhaften Lächelns. Ein absolut lesenswerter Klamauk! Übrigens hat Molwanîen inzwischen auch eine Homepage.
P.P.S.:
Der Gag mit
der Prominenter-Name-Wiederholung ist vom Freiburger E-Musik-Kabarett Bos-Art-
Trio.
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