Freitag, 17. November 2017

Es ist verboten zu verbieten



Bisher hatte ich gedacht, dass jede Stadt, jede Gemeinde, dass jede Region und jeder Kanton, hatte ich gedacht, dass jedes Land und jeder Kontinent eigene, spezielle und zurechtgeschnittene Verbote haben, Verbote, die sich in einsehbare, halbeinsehbare und nichteinsehbare untergliedern.

Zu den einsehbaren gehört sicher,
dass es in Deutschland verboten ist auf Bahnhöfen zu rauchen
dass es in Basel verboten ist im Tram zu essen oder trinken
dass es in Den Haag verboten ist rundum den Bahnhof Alkohol zu trinken
dass es in Andalusien verboten ist Tauben zu füttern

Zu den halbeinsehbaren gehört sicher, dass es in Freiburg im Breisgau verboten ist, Strassenmusik mit elektronisch verstärkten Geräten zu machen. Aus Sicht der Einzelhändler, die 30 Minuten La Paloma schon unplugged kaum aushalten, verständlich, führt es doch zu der Schieflage, dass Sie kein Wir-sammeln-für-unsere-Abschlussfahrt-Strassensingen mit einer Schulklasse machen können (da brauchen Sie nämlich ein kleines Keyboard), aber eine achtköpfige Blechblasformation den Marcia di Trionfo aus Aida schmettern darf.
Ebenso halbeinsehbar sind die ganzen Bestimmungen auf Flughäfen. Wieso wird mir eine WMF-Gabel, die sich aus Versehen noch in meinem Rucksack befindet (ich hatte sie für einen Tupperware-Lunch dabei), abgenommen und entsorgt? Die Wahrscheinlichkeit, dass ich, laut «Allahu Akbar» schreiend, zum Cockpit renne, dies mit der Gabel aufbreche und mit der gleichen Gabel Pilot und Copilot töte, ist doch relativ gering.

Von den nichteinsehbaren befinden sich die schönsten in den USA, alles Verbote, von denen man vergass sie aufzuheben – oder man wollte keine Diskussionen. So ist es in bestimmten Bundesstaaten verboten
in Hotelzimmern Orangen zu schälen
als geschiedene Frau am Sonntag Fallschirm zu springen
oder
100 Mal um den Hauptplatz einer Stadt zu fahren

Bisher hatte ich gedacht, dass jede Stadt, jede Gemeinde, dass jede Region und jeder Kanton, hatte ich gedacht, dass jedes Land und jeder Kontinent eigene, spezielle und zurechtgeschnittene Verbote haben, und dass man diese Verbote nicht in andere Städte, Regionen, Länder, in andere Gemeinden, Dörfer und Weiler überträgt.
Nun aber wird ein Rauchverbot auf Bahnhöfen in der Schweiz diskutiert, also paffen nur noch in den gekennzeichneten Bereichen, und mir wird angst und bange. Was, wenn nun jedes Land alle Verbote des anderen übernimmt? Nach dem Motto «klappt doch da ganz gut»?
Vielleicht darf ich in zwei Jahren im Bahnhof nicht mehr rauchen, an der Tramhaltestelle nicht mehr rauchen (wie in Stuttgart), im Umkreis von 1 km um den Bahnhof kein Bier mehr trinken, im Tram nicht mehr essen (gilt jetzt schon) und auch in der Innerstadt generell nicht mehr? Man findet bestimmt eine Stadt auf der Welt, in der es ein generelles Essverbot im öffentlichen Raum gibt.

Bevor man das Rauchverbot von der DB übernimmt, sollte man sich erst einmal fragen, ob es dort wirklich funktioniert.
Tut es nämlich nicht.
Da die Züge immer gröbstens Verspätung haben und die 25 Minuten Umsteigezeit (mit bequemer Möglichkeit zum Aufsuchen der Raucherzone) auf 5 Minuten schrumpfen, rennen die meisten dann doch mit Kippe über die Perrons. Und niemand sagt was. Übrigens sieht man auch regelmässig Bahnmitarbeiter mit Fluppe an den ICE-Türen stehen.

Verbote über Verbote, dabei würde es doch reichen, wenn jede(r) ein wenig gesunden Menschenverstand walten liesse. Wenn alle im Tram nur Sandwiches und Wasser zu sich nehmen würden, nicht aber Hamburgerorgien veranstalteten und dann noch das ketchupbeschmierte Papier liegen liessen, bräuchte es kein Essverbot. Wenn die Leute sich vor den Bahnhöfen nicht hinhockten und sich dort betränken, bis sie anfangen, Lumpenlieder und Edith Piaf zu singen und womöglich Leute anzupöbeln, müsste man den Alkohol nicht verbieten. Wenn alle Raucher es unterliessen, direkt neben Nichtrauchern zu paffen oder mit einer Zigarre auf die Rolltreppe zu steigen, dann müsste man nicht so rigoros gegen die Glimmstängel vorgehen.

Aber wahrscheinlich ist dieser gesunde Menschenverstand eben nicht vorhanden.
Ist ja ein Dauerthema von mir…

Im unglaublich tollen Theaterstück des Grips-Theaters (gibt es das eigentlich noch?) Ruhe im Karton tauchte in den Siebzigern der Spruch auf
Es ist verboten, zu verbieten.
Kann ich mich nur anschliessen.

Ich möchte weiterhin vor dem Bahnhof eine Bierdose öffnen dürfen, ich möchte auf dem Perron rauchen, genauso wenig wie ich mir das Orangenschälen in Hotelzimmern nehmen lasse oder das 100-Mal-um-den-Platz-fahren. Und ich möchte weiterhin am Sonntag geschiedenen Frauen beim Fallschirmspringen zugucken. Die sind nämlich wirklich reizvoll.

  




                                                                                  

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