Freitag, 10. November 2017

Wüstes Donaulied oder: Werden Jugendliche zu wenig überwacht? (ein heikler Post!)



Jetzt bin ich doch wirklich gefragt worden, wie das andere Donaulied geht. Also Leute, ich kann den Text hier wirklich nicht einfach abdrucken, er ist zu schlimm, zu sexistisch, er ist zu gewaltverherrlichend und frauenfeindlich, er ist böse und daneben, aber ich werde ihn paraphrasieren und mir dann einige Gedanken darüber machen, denn er passt sehr gut in die seit dem durch die Beilattacken von Flums und durch andere von Jugendlichen ausgeübte Gewalttaten angeheizte Diskussion.

Nun aber die Story, die wir auf eine mit johoho-trullalala angereicherte Schunkelmelodie auf Klassenreisen und Pfadifahrten sangen:
Der Ich-Erzähler berichtet, er habe, als er weiland an der Donau spazieren gegangen sei, am Strand ein schlafendes Mädchen gefunden. Da die Kleidung der jungen Dame verrutscht gewesen sei, habe er nicht umhinkönnen, sich ihr geschlechtlich zu nähern. Sie sei darauf schwanger gewesen. Inzwischen habe sie, immer noch partnerlos acht Kinder und das neunte sei auf dem Weg.
Vor allem die letzte Strophe zeigt die ganze Perfidie solcher Songs: Hier wird das Opfer als Schlampe dargestellt, siehste, denkt man da, die hatte es ja auch nicht anders verdient.

Ich würde mich schämen, dass ich solche Lieder, solche Songs, dass ich solche Lumpengesänge und Drecksarien geschmettert habe, wenn es nicht eine kleine Entschuldigung gäbe:
Ich war 12.
Wie aber haben nun unsere Lehrer und Leiter, wie haben die Erwachsenen reagiert, wenn sie so etwas hörten? Oh doch, sie haben das gehört, denn selbst wenn man es nur im Zimmer oder beim Wandern mit Abstand, wenn man es nur unter der Dusche oder beim Holzsammeln grölt, eine Gruppe von zehn Buben ist laut genug. Wie reagierten die Erwachsenen nun?
Gar nicht.
Wahrscheinlich dachten sie, das ist eine Phase, das vergeht, das ist vorpubertär, das gibt sich, wahrscheinlich dachten sie, mal abwarten und Tee trinken, hat schon immer geholfen.

Was würde heute passieren?

Heute würde das Donaulied natürlich aufgenommen und als Video auf Facebook, Youtube und Instagram gestellt. Heute würde das Donaulied innert eines Tages ein paar hundert Male angeklickt und angeschaut und angehört. Dann würde hoffentlich ein Shitstorm von weiblicher Seite über die Urheber hereinbrechen – Hoffentlich! Hoffentlich! Hoffentlich! – und das Lied würde wieder gelöscht. Wenn es aber dumm liefe, dann würden die Sänger in die Aufmerksamkeit der Erwachsenen geraten. Gerade das wird ja stets gefordert, wenn ein Jugendlicher – wie neulich der Beilschläger in Flums – auf andere losgeht. Stets hört man dann die selbe Leier, man müsse viel mehr darauf achten, welche Bilder, welche Lieder, welche Texte und welche Filme ein Teen liket und postet, und auch die Teens sollten untereinander viel wachsamer sein.

Heute würde ich also, zusammen mit Andi und Tom und Flo und wie meine Kumpels sonst alle hiessen, relativ schnell in die Fänge von Sozialarbeit und Psychologie geraten. Man würde uns bequatschen und bereden, man würde uns beobachten und therapieren, man würde uns stigmatisieren und isolieren. Denn in jedem von uns steckte ja ein potentieller Vergewaltiger. Und vielleicht würde die ständige Überthematisierung der Dinge erst recht irgendwelchen Unsinn in unseren Köpfen auslösen.


Jetzt kann man mir natürlich einwenden, dass der Beilattentäter älter als 12 war. Und dass er wirklich wüste Dinge gepostet hat. Das Problem ist, dass man diese Dinge immer im Nachhinein feststellt. Hätte wirklich einer meiner Kameraden eine Frau vergewaltigt, vielleicht mit 18, vielleicht mit 28, vielleicht mit 38, Männer sind Schweine und bleiben es immer, dann wäre man eventuell auf die Idee gekommen zu sagen: «Der hat auch schon als Teenie Lieder gesungen, die frauenfeindlich und gewaltverherrlichend waren.» Was wir bräuchten, wären klare Statistiken, klare Auflistungen. Wie viele Jugendliche posten Bilder von blutigen Köpfen und blutigen Bäuchen und wie viele von denen machen wirklich von einer Waffe Gebrauch? Nicht umgekehrt! Natürlich haben alle Gewalttäter auch entsprechend schräge Einträge in den Sozialen Medien. Das ist wie immer in der Statistik; man muss die Fragen richtig stellen: Wie viel % der Gefangenen sind Ausländer? versus Wie viel % der Ausländer werden straffällig? Wie viel % der Junkies haben vorher Haschisch genommen? versus Wie viel % der Kiffer nehmen nachher Heroin?

Jetzt bin ich doch wirklich gefragt worden, wie das andere Donaulied geht. Liebe Leser, ich kann den Text hier wirklich nicht publizieren, er ist zu schlimm, zu sexistisch, er ist zu gewaltverherrlichend und frauenfeindlich, er ist böse und daneben.

Ich schäme mich, dass ich solche Lieder, Songs, dass ich solche Drecksarien gesungen habe.

Wenn es nicht eine kleine Entschuldigung gäbe:

Ich war 12.

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