Jetzt bin
ich doch wirklich gefragt worden, wie das andere Donaulied geht. Also Leute,
ich kann den Text hier wirklich nicht einfach abdrucken, er ist zu schlimm, zu
sexistisch, er ist zu gewaltverherrlichend und frauenfeindlich, er ist böse und
daneben, aber ich werde ihn paraphrasieren und mir dann einige Gedanken darüber
machen, denn er passt sehr gut in die seit dem durch die Beilattacken von Flums
und durch andere von Jugendlichen ausgeübte Gewalttaten angeheizte Diskussion.
Nun aber die
Story, die wir auf eine mit johoho-trullalala angereicherte Schunkelmelodie auf
Klassenreisen und Pfadifahrten sangen:
Der
Ich-Erzähler berichtet, er habe, als er weiland an der Donau spazieren gegangen
sei, am Strand ein schlafendes Mädchen gefunden. Da die Kleidung der jungen
Dame verrutscht gewesen sei, habe er nicht umhinkönnen, sich ihr geschlechtlich
zu nähern. Sie sei darauf schwanger gewesen. Inzwischen habe sie, immer noch
partnerlos acht Kinder und das neunte sei auf dem Weg.
Vor allem
die letzte Strophe zeigt die ganze Perfidie solcher Songs: Hier wird das Opfer
als Schlampe dargestellt, siehste, denkt man da, die hatte es ja auch nicht
anders verdient.
Ich würde
mich schämen, dass ich solche Lieder, solche Songs, dass ich solche
Lumpengesänge und Drecksarien geschmettert habe, wenn es nicht eine kleine
Entschuldigung gäbe:
Ich war 12.
Wie aber
haben nun unsere Lehrer und Leiter, wie haben die Erwachsenen reagiert, wenn
sie so etwas hörten? Oh doch, sie haben das gehört, denn selbst wenn man es nur
im Zimmer oder beim Wandern mit Abstand, wenn man es nur unter der Dusche oder
beim Holzsammeln grölt, eine Gruppe von zehn Buben ist laut genug. Wie
reagierten die Erwachsenen nun?
Gar nicht.
Wahrscheinlich
dachten sie, das ist eine Phase, das vergeht, das ist vorpubertär, das gibt
sich, wahrscheinlich dachten sie, mal abwarten und Tee trinken, hat schon immer
geholfen.
Was würde
heute passieren?
Heute würde
das Donaulied natürlich aufgenommen und als Video auf Facebook, Youtube und
Instagram gestellt. Heute würde das Donaulied innert eines Tages ein paar
hundert Male angeklickt und angeschaut und angehört. Dann würde hoffentlich ein
Shitstorm von weiblicher Seite über die Urheber hereinbrechen – Hoffentlich!
Hoffentlich! Hoffentlich! – und das Lied würde wieder gelöscht. Wenn es aber
dumm liefe, dann würden die Sänger in die Aufmerksamkeit der Erwachsenen
geraten. Gerade das wird ja stets gefordert, wenn ein Jugendlicher – wie
neulich der Beilschläger in Flums – auf andere losgeht. Stets hört man dann die
selbe Leier, man müsse viel mehr darauf achten, welche Bilder, welche Lieder,
welche Texte und welche Filme ein Teen liket und postet, und auch die Teens
sollten untereinander viel wachsamer sein.
Heute würde
ich also, zusammen mit Andi und Tom und Flo und wie meine Kumpels sonst alle
hiessen, relativ schnell in die Fänge von Sozialarbeit und Psychologie geraten.
Man würde uns bequatschen und bereden, man würde uns beobachten und
therapieren, man würde uns stigmatisieren und isolieren. Denn in jedem von uns
steckte ja ein potentieller Vergewaltiger. Und vielleicht würde die ständige
Überthematisierung der Dinge erst recht irgendwelchen Unsinn in unseren Köpfen
auslösen.
Jetzt kann
man mir natürlich einwenden, dass der Beilattentäter älter als 12 war. Und dass
er wirklich wüste Dinge gepostet hat. Das Problem ist, dass man diese Dinge immer
im Nachhinein feststellt. Hätte wirklich einer meiner Kameraden eine Frau
vergewaltigt, vielleicht mit 18, vielleicht mit 28, vielleicht mit 38, Männer
sind Schweine und bleiben es immer, dann wäre man eventuell auf die Idee
gekommen zu sagen: «Der hat auch schon als Teenie Lieder gesungen, die
frauenfeindlich und gewaltverherrlichend waren.» Was wir bräuchten, wären klare
Statistiken, klare Auflistungen. Wie viele Jugendliche posten Bilder von
blutigen Köpfen und blutigen Bäuchen und wie viele von denen machen wirklich
von einer Waffe Gebrauch? Nicht umgekehrt! Natürlich haben alle Gewalttäter
auch entsprechend schräge Einträge in den Sozialen Medien. Das ist wie immer in
der Statistik; man muss die Fragen richtig stellen: Wie viel % der Gefangenen
sind Ausländer? versus Wie viel % der Ausländer werden straffällig? Wie viel %
der Junkies haben vorher Haschisch genommen? versus Wie viel % der Kiffer
nehmen nachher Heroin?
Jetzt bin
ich doch wirklich gefragt worden, wie das andere Donaulied geht. Liebe Leser,
ich kann den Text hier wirklich nicht publizieren, er ist zu schlimm, zu
sexistisch, er ist zu gewaltverherrlichend und frauenfeindlich, er ist böse und
daneben.
Ich schäme mich,
dass ich solche Lieder, Songs, dass ich solche Drecksarien gesungen habe.
Wenn es
nicht eine kleine Entschuldigung gäbe:
Ich war 12.
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