Es ist ein
kompletter Wahnsinn an einem Samstag zu den Bregenzer Festspielen zu reisen,
wenn man weder eine Unterkunft noch Tickets hat. Ein kompletter Wahnsinn,
gleich riskant wie die Strecke Rorschach-Lindau zu schwimmen oder in einer
Burka ins Hofbräuhaus zu gehen. Warum ich es dennoch tat? Es war einfach ein
Missverständnis, ein Lapsus, es war ein sechsmonatiges Aneinandervorbeireden
und Aneinandervorbeimailen. Jedenfalls stellten mein Vetter und ich fest, dass
er und seine Frau zwar Karten und Zimmer hatten, mein Freund und ich aber
nicht. Da jener erst um 18.30 erwartet wurden, blieben mehrere Stunden Zeit für
die Suche nach Tickets und Quartier.
Letzteres
war einfach: Booking.com bot ein Doppelzimmer in einem herrlichen Hotel in
Dornbirn, mit Frühstück für 140.- Euro. Sofort genommen.
Ersteres war
schwieriger. Die Homepage der Bregenzer Festspiele machte dem Anklicker klar:
Vorstellung
5.8. CARMEN ausverkauft.
Ein Anruf im
Kartenbüro gab mir die folgende Information:
Vorstellung
5.8. CARMEN ausverkauft.
Es gäbe
allerdings, so die freundliche Dame, meist ab 17.00 Rücklaufkarten, ich solle
doch einfach um Fünf noch einmal im Ticket Office vorbeischauen.
Nun gab es
zunächst nichts zu tun, worauf wir uns in die Seebadi begaben. Dort wälzten wir
zunächst einmal logistische Probleme: Sie waren motorisiert, ich nicht, wie kam
ich nun an den Hotelschlüssel, wenn ich von 17.00 bis schlimmstenfalls 21.00 an
der Kassa stehen müsste? Wo bestellen wir Harry hin? Ein Anruf im Hotel Bischof
schaffte nun schon einmal Erleichterung, denn die Herberge hat die ganze Nacht
offen, ein Einchecken war also auch nach dem Bizet möglich. Nun war der Plan
also der folgende:
16.30
Aufbruch Badi und Weg zum Auto
16.35 Rolf
nimmt Gepäck aus dem Wagen
16.36 Rolf
geht in Richtung Ticket Office, Cousin und Frau fahren zum Hotel
19.00
Treffpunkt im Hotel Messmer (mit Harry)
19.30
Gewitter
21.00 CARMEN
Man kann
sich fragen, warum das Gewitter um 19.30 eingeplant wurde, aber das
Halbachtgewitter in Bregenz hat so was von Tradition bei uns, dass man es
getrost auf die Liste schreiben konnte.
Es kam aber
alles viel praktischer. Auf dem Weg zum Auto radelte uns ein Mann entgegen,
stoppte und fragte, ob wir noch Karten für ihn hätten, ich verneinte und bekam
zur Antwort, dass wenn ich Tickets bräuchte, ich selbige bei ihm erwerben
könne. Ich kaufte also 2 Karten für je 70.-, wobei der Mann noch je 10.-
draufschlug. Alles war gelöst, ich konnte mit nach Dorbirn (die anderen waren
auch dort, wenn auch in anderem Hotel), einchecken, duschen, mich umziehen und
mich auf die Terrasse des Restaurant Messmer freuen, wo dann um 19.00 ein
feines Menü und um 19.30 das Halbachtgewitter auf mich warten würden.
Die Lösung
des «Wunders» ist ganz einfach. Der Mann war ein Busfahrer, das Unternehmen,
für das er fuhr, hatte etliche Tickets erworben und an Leute verkauft. Nun
waren sie nicht alle losgeworden oder Menschen hatten abgesagt, jedenfalls
hatte der Chauffeur den Auftrag, die Karten in Bregenz noch zu verkaufen, seine
Belohnung dafür waren die 10.-, die er mehr verlangen durfte. Nun kann sich so
ein Mensch natürlich nicht neben das Ticket Office stellen, denn vom
offiziellen Festspielmanagement wird das kleine, goldige, das harmlose und
nette Rollgeld von 10 Euro schlicht und einfach als Schwarzmarktverkauf
ausgelegt. Deshalb radelt er herum und fragt, um das Ganze noch harmloser zu
machen, ob die Angesprochenen Tickets zu verkaufen hätten. Wenn dann der andere
laut
«Nein, ich
suche doch!!!»
ruft: Bingo.
Was ist nun
die Moral, was sind die Moralen von der Geschichte?
(Heisst es
wirklich Moralen oder eher Moralia? Braucht man sonst ja nie, aber es kann doch
sein das eine Geschichte mehrere Moralen, oder Moralia hat. Oder heisst es
Moralata?)
Die Moralen
(wir bleiben dabei) sind folgende:
1) Man kann
auch mal etwas ziemlich ungeschickt angehen, und es kommt trotzdem gut
2) Man
sollte bei Verabredungen immer genau nachfragen, ob der andere nur Idee hatte
oder auch alles organisiert.
3) Wenn Sie
bei einem Festival, einem Konzert, einer Open Air-Oper noch eine Karte
brauchen, gehen Sie ja nicht zur Kassa. Streifen Sie im Abstand von ca. 50
Metern herum und achten Sie auf Personen, die Chauffeursstatur, Chauffeursblick
haben und herumradeln. Ganz wichtiges Kennzeichen: Volle Kängurutasche!
Dürrenmatt
schreibt in der Vorrede zu den Physikern,
dass eine Geschichte erst zu Ende erzählt ist, wenn sie ihr schlimmstes Ende
genommen hat.
Gut, dann
erzählen wir zu Ende: Das Gewitter um 19.30 kam verspätet um 20.00,
normalerweise war dann danach der Himmel klar. Dieses Mal kam das Unwetter um
22.00 noch einmal.
Man brach die Vorstellung ab.
Die bis zum 2. Akt aber eh noch nicht das Aha-Erlebnis gebracht hatte.
Zweiter Versuch nächstes Jahr; und dann klären wir VORHER ab, wer was organisiert.
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