Dienstag, 1. August 2017

England 2: Wir wollen Downgrades!



Die Reise Erster Klasse durch England war super. Man hat Beinfreiheit, hat einen riesengrossen Tisch zum Patiencen legen, man bekommt gratis Mineralwasser und Kaffee und hat ein exzellentes WIFI. Für die Rückreise allerdings wollte ich doch lieber 2nd Class fahren und mir das Zuvielgezahlte (sic) aushändigen lassen. Ich ging also an den Counter und brachte meine Bitte vor, da ja hier offensichtlich ein Systemfehler der East Midland Trains vorliege (siehe letzter Post)
Die Antwort des Schalterbeamten war ernüchternd: Ein Upgrade sei immer drin, ein Downgrade sei leider nicht vorgesehen.

Nun müssen wir kurz noch eine Begriffsklärung vornehmen: Es gibt Update und Upgrade. Zwei diametral entgegengesetzte Sachen.
Ein Upgrade kostet Geld – ein Update ist meist gratis, kostet aber unendlich Zeit und Nerven, Sie kennen das, 3456 Updates werden verarbeitet – Schalten Sie den Computer nicht aus, und das immer genau dann, wenn man den Laptop zusammenpacken und loswill.
Ein Upgrade müssen Sie verlangen – zu einem Update werden Sie gezwungen, oder es wird viel mehr hinter ihrem Rücken gesucht, gefunden und installiert, ich werde immer wahnsinnig, wenn ich daran denke, was mein PC alles macht, während ich mich im Internet tummele, warum muss er ständig nach Updates suchen statt mit mir zusammen einfach auf YouTube Ladykracher gucken?
Ein Upgrade verbessert den Status Quo um 100%, ein Update kann ihn verbessern, aber auch brutal verschlechtern (Bessere Auflösung, dafür geht kein Internet mehr; Word öffnet 20 Sekunden schneller, Excel dafür 4 Minuten langsamer, alle Fotos werden besser aufgelöst, dafür sind alle Power Points in Blau-Weiss etc., etc.)

Hier geht es also um Up- und Downgrades. (Downdates gibt es übrigens gar nicht – wäre aber ‘ne Supersache; wir freuen uns jetzt und hier schon auf den Kommentar von Josi, meinem Hauptkommentator, der hier und jetzt einmal herzlich gegrüsst sein soll: Josi, merci für deine unglaublich netten Notizen!)
Wir waren aber bei den Down-Grades
Und die eine Frage stellt sich doch nun:
Warum sieht ein System wie das der Bahnfahrkarten kein Downgrade vor? Warum gibt es überhaupt so wenig Downgrades?
Manchmal kommt einem doch irgendwie etwas dazwischen, können Pläne sich ändern, können Dinge anders laufen. Wenn ich im Hotel Waldhof das Weekend-Komplett-Paket gebucht und mir eine Zerrung zugezogen habe, warum kann ich dann nicht vom Komplett-Paket (Zimmer, Essen, Sportbereich 450.-) auf das Weekend-Genuss-Paket (Zimmer + Essen 390.-) umbuchen? Warum kann ich nicht, wenn der Kollege, der unbedingt, absolut unbedingt Businessclass fliegen wollte, nun gar nicht mitkommt, auf Economy downgraden? Warum kann ich nicht, wenn ich gemerkt habe, dass die dritte Reihe im Theater bei gewissen Inszenierungen gar nicht so toll ist, weil sie so arg schreien, weil Gegenstände fliegen, Blut spritzt oder man mit Fäkalien beworfen wird, auf ein Abo Kategorie II wechseln? (Randbemerkung: Letzteres machte Vinge an der Volksbühne, aber da gibt es kein Abo.)
Warum kann ich nicht…
Warum…

Die Antwort ist denkbar einfach: Gezahltes Geld bekommt man nicht zurück. Jeder Hotelier, jede Fluggesellschaft, jedes Theater und jeder Sportverein, alle, die etwas verkaufen, alle, die mit etwas handeln, machen es nach dem gleichen Motto:
Wir haben dein Geld bekommen.
Du kriegst dafür einigermassen viel.
Wenn du weniger nimmst:
Dein Pech.
Ich aber fordere hier alle Hoteliers, alle Fluggesellschaften und Bahnunternehmen, alle Theater, Kinos und Sportstätten auf:
Lasst auch mal Downgrades zu!
Nicht immer, aber bei dem armen hinkenden Teufel, der den ganzen Fitnessbereich nicht nutzen kann, bei dem armen Teufel, der jetzt allein in der Businessclass sitzt, bei dem armen Teufel, der es leid ist bei jeder Premiere Sand, Wasser, Blut und Erde (nicht Boden!) ins Gesicht zu kriegen, und bei den armen Teufeln, denen die East Midland Trains nur Tickets Erster Klasse verkaufen. (wie z.B. mir)

Als der Schalterbeamte mir verkündet hatte, dass ein Downgrade nicht möglich sei, stellte er noch eine interessante Frage: «Did you travel 1st class?» Meine erste Antwort war ein heftiges Stirnrunzeln, meine zweite Antwort ein klares Ja. Oh, meinte der Mann am Counter, der mein Stirnrunzeln natürlich gesehen hatte, das sei gar nicht so selbstverständlich, es gebe Leute, die dann trotzdem in die Zweite Klasse hocken, weil sie sich in die Erste nicht trauen.
Es gibt scheinbar immer noch Leute, die eine Tatsache noch nicht geschluckt haben, nämlich die Tatsache, dass die Klassenschranken aufgehoben sind und schlicht und einfach das Geld zählt. Wieso meint man, dass man in der 1. Klasse verkehrt sei? Es gibt dort weder einen Intelligenztest noch einen Dresscode, der einzige Zugangsbeweis ist ein Ticket der Ersten Klasse, das man ja in Händen hält. Ob man das Billett aus Versehen gekauft hat, ob man es auf dem Boden gefunden hat, ob es einem – wie in meinem Fall – aufgezwungen wurde oder ob man es in der Lotterie gewonnen hat, ob man es von einem Freund geschenkt bekam oder ob es vom Himmel fiel, mit diesem Papier darf man dort sitzen, darf man lesen und aus dem Fenster schauen, darf man die Beine ausstrecken und es sich wohl sein lassen. Was haben die anderen Passagiere mir voraus?
Nichts ausser Geld.

Also hören wir auf, zu denken, jemand, der einen 1999er Château Trefitte rumstehen hat, sei unbedingt ein Weinkenner. Er hat vor allem Knete.
Hören wir auf zu meinen, wer 8000.- am Leib trägt, hat Geschmack, man kann auch mit teuerster Couture unglaublich mies aussehen.
Und gehen wir fröhlich in die 1st Class, wenn wir ein Ticket haben!

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