Im Zug
zurück, im Eurostar, komme ich mit der Dame ins Gespräch, die neben mir sitzt.
Sie ist Pariserin und befindet sich auf der Rückfahrt von einem Besuch bei
Freunden in London.
Menschen,
die mich kennen, werden sich nun fragen, wie ich denn mit einer Französin ins
Gespräch kommen kann, da mein Französisch doch eher, sagen wir mal rudimentär
ist. Die Lösung ist einfach: Die Dame spricht Englisch und zwar ein
fliessendes, gutes mit starkem American Accent. Da mein Englisch ja seit meinem
Austausch auch eher Amerikanisch gefärbt ist, ist das eine lustige
Unterhaltung. Wie sie mir übrigens erzählt, hat sie in Missouri Anglistik
studiert und in London auch keine Briten, sondern US-Bürger besucht.
Wie es immer
bei so Gesprächen läuft, kommt man bei allen Themen vorbei, Länder, Städte,
Hobbys und Vorlieben, Zug und Bus und Flug, das Wetter und die Politik, was
man beruflich so macht und warum und wie gerne, welche Filme man mag und welche
Musik nicht.
Well this is very nice, I thought
Smiling through the haze
As we talked of Auguste Rodin
Through to Harold Pinter's plays
Und wie
immer bei solchen Talks kommt man natürlich auch auf das Reisen und das
Zugfahren als solches.
Françoise, so der Name der Pariserin, findet das Zugsystem in England teuer, kompliziert und unzuverlässig. Ich kann dem nicht ganz beipflichten, ich halte dagegen, dass ich das System für preislich normal, allerdings kompliziert (das Erste Klasse-Ticket!) aber für zuverlässig halte. In Deutschland, erzähle ich, in Deutschland müsse Françoise es einmal wagen, in einen Zug zu steigen oder versuchen, von München nach Hamburg ohne 3 Stunden Verspätung zu gelangen.
Françoise, so der Name der Pariserin, findet das Zugsystem in England teuer, kompliziert und unzuverlässig. Ich kann dem nicht ganz beipflichten, ich halte dagegen, dass ich das System für preislich normal, allerdings kompliziert (das Erste Klasse-Ticket!) aber für zuverlässig halte. In Deutschland, erzähle ich, in Deutschland müsse Françoise es einmal wagen, in einen Zug zu steigen oder versuchen, von München nach Hamburg ohne 3 Stunden Verspätung zu gelangen.
Das erstaunt
die Französin jetzt auf das Ärgste. Sie war davon ausgegangen, dass die Züge in
der Bundesrepublik auf die Sekunde genau abfahren und auf die Sekunde genau ankommen,
gemäss ihrem Deutschlandbild, dass Vokabeln wie
Wertarbeit
Pünktlichkeit
Zuverlässigkeit
Organisation
Qualität
beinhaltet.
Da muss ich
ihr jetzt doch die Augen öffnen, muss ihr den Zahn ziehen, ich muss ihr reinen
Wein einschenken und die Karten auf den Tisch legen. Und so beginne ich von der
Mammutkonzerthalle zu erzählen, die Äonen zu spät fertig wurde und die
Baukosten aufs 20fache beförderte, ich erzähle von der Elbphilharmonie, die nun
alle loben und preisen, aber das letzte Jahrzehnt bei Norddeutschen Politikern
das Herzinfarktrisiko Nummer 1 war.
Françoise hat noch nichts davon gehört.
Ich setze
meine BRD-Schelte, das Augenöffnen, das Zahnziehen, ich setze das
Reinenweineinschenken und das Kartenaufdentischlegen fort und berichte vom FBB,
jenem Airport, von dem inzwischen kein Deutscher und keine Deutsche mehr
glaubt, dass jemals irgendein Flugzeug von ihm starten wird – ausser ein paar
Segelfliegern vielleicht.
Françoise hat noch ganz wenig davon gehört.
Jetzt wird
es vor den Fenstern schwarz, wir sind im Tunnel. Und nun beginnt die Pariserin
von eben diesem Tunnel und seinen Katastrophen zu berichten, Katastrophen, die
man im Ausland so auch nicht mitbekommen hat (und die übrigens in Wikipedia
auch fehlen):
Der Tunnel
begann als ehrgeiziges, hochgelobtes und powervolles Projekt, alle waren
begeistert, es wurden Aktien ausgegeben, die hoch zeichneten und von vielen
ihrer Bekannten erworben wurden. Dann kam es zur ersten Ernüchterung, das
Gestein 75 Meter unter dem Meeresboden war viel ekliger, härter und biestiger
als man vermutet hatte, die Baukosten wurden erneut auf das Vierfache und die
Bauzeit auf das Dreifache berechnet; die Aktien rasten in den Keller.
In den
Folgejahren erschienen in schöner Regelmässigkeit die Schlagzeilen
EUROTUNNEL
VOR DEM AUS?
WIRD ES DEN
TUNNEL JE GEBEN?
TUNNELPROJEKT
GESCHEITERT
Im Endeffekt
pumpten die Französische Republik und das Vereinigte Königreich Milliarden in
die Baustelle, um den Eurotunnel schlussendlich – wenn ebenfalls Äonen zu spät
– doch möglich zu machen.
All das
blieb unbekannt.
Die Moral
von der Geschicht’:
Die Pannen
im eigenen Land werden jenseits der Grenze nicht so intensiv wahrgenommen, wie
man im Inland befürchtet.
Und das ist
gut so.
Die Siege
übrigens (leider) auch nicht, dass der Gotthardtunnel 12 Monate früher als
geplant fertig wurde, wusste Françoise auch nicht.
P.S.: Obiges
Zitat ist von Anne Clark, aus dem Lied «Hope Road». Unbedingt einmal auf
YouTube suchen!
Francoise wusste 100% von den unpünktlichen Zügen der DB.
AntwortenLöschenBe very, very careful
When people seem so nice
It's not now that it's expensive
Later on you pay the price.
#noHopeRoad