Wie lange
braucht es, bis Fahrgäste aus einem Zug ausgestiegen sind, und ich rede hier
nicht von Dörfern im Berner Jura oder im Fichtelgebirge, sondern von Städten ab
80.000 Einwohner?
Die DB
rechnet 1 Minute, bei 2 Minuten Aufenthalt müssen 60 Sekunden zum Aussteigen
und 60 Sekunden zum Einsteigen langen; die SBB plant in Luzern und Zürich, in
Bern und Basel 10-15 Minuten zum Aus- und Einsteigen ein. Die DB geht bei ihrer
Planung vom drahtigen, schrittwippenden Jungmanager aus, der am Zielbahnhof mit
seinem kleinen Köfferlein oder seinem Laptop fröhlich aus dem Waggon hüpft und
dafür 3,67 Sekunden braucht, die SBB plant BAVs mit ein.
Sie wissen
nicht, was BAVs sind?
Bahn-Ausstiegs-Verzögerer.
Der BAV
braucht aus klar definierten Gründen lange, bis er aus dem Zug kommt, hält den
Betrieb auf und verlängert die Gesamtausstiegszeitspanne auf jene 7-8 Minuten,
die die SBB eben mitrechnet und die DB eben nicht.
BAVs teilen
sich in 3 Gruppen:
1)
Senioren
2)
Familien
3)
Asiatinnen mit grossen Koffern
Für 1) und
2) bringt man noch ein gewisses Verständnis auf. Nicht jede Achtzigjährige ist
eine Leni Riefenstahl, die in diesem Alter noch in der Tiefsee tauchte, mit so
vielen Lenzen auf dem Buckel geht alles eben doch ein wenig langsamer, ein
wenig bedächtiger, alles ist ein bisschen mehr Zeitlupe, ein bisschen
Slow-Motion. Aber warum soll man den ganzen Tag zu Hause hocken, wenn die Alpen
locken und das Wetter schön ist? Im Sessel sitzen und die Tapete anglotzen kann
man mit 95 noch.
Auch
Familien mit 3-5 Kindern brauchen ihre Zeit, da sind zwei Kinderwägen
herauszubugsieren, da ist noch Gepäck da, da müssen die Zwerge über die Kluft
Zug/Bahnsteig gehoben werden, denn für einen Mini ist diese Spalte so gross wie
für uns ein Burggraben.
Aber für 3)
habe ich kein Verständnis. Bei jedem Schullandheim, bei jeder Tournee der KKB,
bei jeder Unternehmung mit Kindern wird den Eltern der folgende Satz
schriftlich abgegeben:
Achten Sie darauf, dass Ihr Kind sein Gepäck
selber transportieren kann.
Warum halten
sich die Chinesinnen und Japanerinnen, die von Frühling bis Herbst durch Europa
touren, nicht an diese Sentenz? Mit Koffern, die fast grösser sind als die
kleine Person, trippeln Damen aus Tokio und Kyoto, aus Shanghai und Beijing
über die Bahnsteige und ziehen Ungetüme hinter sich, die neben ihnen wie
Kleiderschränke wirken und von denen klar ist, dass die Ladies sie niemals,
niemals, gar nie ohne fremde Hilfe in den Zug bekommen. Übrigens auch auf keine
Gepäckablage oder gar ein Gepäcknetz. Warum haben die Tokioterinnen, die Kyotoerinnen,
warum haben die Frauen aus Hongkong und Taiwan so grosse Koffer bei sich?
Ein
Argument, das sofort verpufft, ist die Tatsache, dass dieselbigen ja eine
Europa-Rundreise machen, weil sie so wenig Urlaub haben. Eben. Wenn Sie nur 2
Wochen Ferien im Jahr bekommen, dann kann eine Reise auch nur 14 Tage gehen und
man braucht Gepäck für 14 Tage. Und weil es eine Rundtour ist, ist man jeden
Abend in einem anderen Hotel und man kann auch morgen das gleiche Kleid zum
Abendessen anziehen. Wären es zwei Wochen im Grand Hotel in Cannes oder zwei
Wochen in St. Moritz, da bräuchte eine Frau Gepäck! Denn sie könnte unter
keinen Umständen zweimal mit demselben Dress zum Diner erscheinen, es finge
sofort ein Getuschel im Saal an: «Das hat sie schon am Montag angehabt!»
Was haben
nun die Asiatinnen in ihren überdimensionalen Koffern?
Sind es Souvenirs,
waren die Dinger also leer und sie haben sie während der Reise mit Dingen
angefüllt, also schon für die Mitbringsel einen extra grossen Koffer
mitgenommen? Aber haben Sie wirklich Kuckucksuhren und ganze Käse erworben?
Oder
schmuggeln sie grössere Menge an Elektronikgeräten um sich die teure
Europareise zu finanzieren?
Oder haben
sie den heimischen Wok dabei, um nicht am Schweizer, am französischen oder
deutschen Essen zu sterben?
Man müsste…
Man müsste…
Man müsste
einmal einen Einblick in einen solchen
Ich-bin-zwar-klein-aber-ich-brauche-Riesengepäck-Koffer erhalten.
Was
praktisch unmöglich ist, ein Freund von mir hat zu dem Behuf einmal von Hamburg
bis Frankfurt mit einer She-Li aus Sezuan geflirtet, am Main angekommen, war
sie zu vielen Dingen bereit, auch durchaus mit ihm zu schlafen, sie war
unerschrocken und tabulos, nur ihren Kofferinhalt zeigen, das wäre zu weit
gegangen…
So müssen
wir einen alten Pfälzer Spruch umformulieren. Hiess es bislang
Der Mage vo ‘nr Sau / die Tasch vo nr Frau
Der Inhalt vo ener Worscht / bleift eewig
unerforscht
müssen wir
nun schreiben:
Das Fell von einer Häsin / der Koffer einer
Chinesin
Der Inhalt …
Aber es muss
ja noch Dinge zum Entdecken geben.
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